Nikolaus Turner
Leiter des Arbeitskreises Bürgerstiftungen im Bundesverband Deutscher Stiftungen, Berlin
Eigentlich müssten Sie bei den aufgezeigten Problemen, die von meinen Vorrednern angesprochen wurden, hier jetzt den Vertreter eines florierenden Unternehmens sitzen haben, der als Partner einspringen kann und die dargestellten Lücken großzügig schließt. Ich möchte deshalb nur einleitend deutlich machen, daß Sie es bei mir mit einem Vertreter von Bürgerstiftungen zu tun haben, noch ganz kleinen Pflänzchen, und uns ist durchaus bewusst, dass wir nicht die Lösung aller Probleme liefern können, sondern nur einen Ansatz, eine Möglichkeit bieten können, die ich hier vorstellen darf.
Vor Ihnen sitzt jemand, der selbst an der Gründung einer Bürgerstiftung mit beteiligt war, nicht, um gleich ein Museum zu finanzieren oder ein großes Problem zu lösen, sondern um einfach mal einen Anfang zu machen, ein kleines Zeichen zu setzen in einer überschaubaren Region. Wir sind inzwischen in Fürstenfeldbruck, das etwas außerhalb von München, zwischen München und Augsburg liegt, über 200 Stifter, die sich zusammengetan haben und eben nicht einen Verein gegründet haben, sondern eine Stiftung, die Kapital sammelt, um Projekte anzustoßen und aus den Zinsen, die im Moment bekanntermaßen nicht so üppig fließen, aber das wird sich hoffentlich in der Zukunft wieder ändern, Förderprojekte zu unterstützen. Wir haben gehört und wir wissen alle, Kommunen müssen sparen. Eine Möglichkeit aber um zumindest für einzelne Anliegen eine Lösung zu finden, sind die Bürger. Es sind mehr namhafte Vermögen vorhanden, als wir gemeinhin glauben, und zusätzlich verfügen auch durchschnittliche Haushalte über Vermögenswerte, die, wenn sie gebündelt werden, eine der Chancen für Bürgerstiftungen darstellen. Denn zu dem Vermögen in der Hand von Privaten bündelt sich bei ihnen der Wille der Bürger, auch selbst wieder aktiv oder aktiver in das Gemeinwesen einzugreifen, Problemlösungen mit anzustoßen oder wenigstens Probleme zu lindern.
In unserer Zeit, in der die Kommunen in bisher einmaligem Umfang sparen müssen und zahlreiche Bürger über nennenswerte Vermögenswerte verfügen, kommen die Gemeinschafts- und Bürgerstiftungen ins Spiel.
Gemeinschaftsstiftungen sind dabei Stiftungen von vielen für einen konkreten und unser heutiges Thema betreffend, kulturellen Zweck, z.B. zur Unterhaltung und Förderung eines Museums, einer Bibliothek oder Kunstsammlung, zur Auslobung eines Preises oder zur Förderung des künstlerischen Nachwuchses an einer Kunstakademie, zur Finanzierung eines Bürgerzentrums oder eines Denkmals oder eines Parks etc.
Von Bürgerstiftungen, einer modifizierten Form der Gemeinschaftsstiftung spricht man, wenn die Stiftung mit einem breiten Stiftungszweck viele Zwecke verfolgen soll und sich dabei aber auf eine konkrete Stadt oder Region beschränkt, es sich also um Stiftungen von Bürgern für Bürger handelt, ausgerichtet auf Aktivitäten vor Ort, deshalb regional definiert, ohne die Majorisierung durch einzelne Stifter, Kommunen oder Unternehmen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt und Frau Gründler hat vorhin den heutigen Tag der Bürgerstiftungen (1. Oktober) angesprochen.
Es haben – um Ihnen einen kleinen Überblick über die Zahl der bereits bestehenden Stiftungen zu geben, wir sprechen von ungefähr 50 bestehenden Bürgerstiftungen in Deutschland – 36 Stiftungen zum heutigen Tag das Gütesiegel des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen dafür bekommen, dass sie den Merkmalen, die man einer echten Bürgerstiftung zuschreibt, die sie erfüllen müssen, und das sind gerade die, bei denen eben Kommunen oder Unternehmer oder Einzelstifter keine majorisierende Wirkung haben, entscheidenden Einfluß nehmen.
Ich kann zwei Beispiele der negativen Art nennen, ich komme dann aber auch wieder zum Positiven.
Als Negativbeispiel gilt die sog. „Bürgerstiftung“ in einer baden-württembergischen Stadt, bei der Vorstand aus den Fraktionsvorsitzenden der im Gemeinderat vertretenden Parteien und dem Oberbürgermeister besteht – das kann’s nicht sein!
Ein zweites Beispiel aus Norddeutschland, bei der in einem Stadtstaat eine Bürgerstiftung gegründet wurde und der dortige Senat sämtliche Gremienmitglieder bestimmt – auch das kann’s nicht sein, das ist kein Bürgerengagement, es verhindert dies vermutlich sogar wegen der schon optischen Einflußnahme.
Ich komme aber jetzt zu den positiven Beispielen und Stuttgart ist hierfür ein schönes Beispiel, wie man sich als Kommune beteiligen kann ohne Gremien oder Entscheidungsprozesse zu majorisieren, denn das ist ein ganz wichtiger Grundsatz bei Bürgerstiftungen.
Bürgerstiftungen sollen die Möglichkeit der Teilhabe und Partizipation für jedermann ermöglichen durch Zustiftungen oder Spenden in jeder Höhe, und das ‚in jeder Höhe‘ ist wirklich so gemeint. Neben der Mitwirkung durch die Zurverfügungstellung von Geld, aber natürlich auch durch die ehrenamtliche Mitwirkung als Zeitspender und ihren Einsatz, der häufig deutlich mehr wert ist, als das einmalige Abgeben von einem Geldbetrag. Das brauche ich sicherlich im Kreise von auch ehrenamtlich Tätigen nicht weiter zu begründen. Und drittens durch das Liefern oder Entwickeln von Ideen für Projekte.
Bürgerstiftungen leben von den Geldgebern, von den Zeitspendern und von den Ideengebern, das sind die drei Faktoren, die ganz wichtig sind. Grundsätzlich haben Bürgerstiftungen einen breiten Stiftungszweck für – ich nenne ein paar Beispiele – Natur und Umwelt, Jugend und Soziales und aber natürlich auch Kunst und Kultur.
Ich sollte hier ein paar Beispiele nennen, und ich tue dies auch wenn es sich bei allen Beispielen um kleine Projekte handelt. Es handelt sich um kulturelles Engagement von Bürgerstiftungen vor Ort. Es sind jeweils neue Projekte, also nicht die Übernahme von Aktivitäten, die eine Kommune, ein Landkreis oder eine Region nicht mehr bewerkstelligen kann. Und deshalb, zumal Bürgerstiftungen eben noch klein sind, auch um kleinteiligere Engagements. Ich nenne die Bürgerstiftung Baden-Baden, die sich als Aufgabe der Vermittlung von Kunstverständnis für Jugendliche verschrieben hat, die Führungen in Kunsthallen, die aktives Miteinander vor Kunstwerken für Kinder, die sonst nicht so ins Museum gehen und für die manchmal vielleicht auch der Eintritt schon zuviel ist, realisieren und damit etwas machen, was die Museen, schon weil sie die man- oder womanpower nicht haben, nicht bieten können.
Ich nenne die Bürgerstiftung Stuttgart, die als Empfängerin einer bedeutenden Sammlung von Künstlerportraits eines Stuttgarter Sammlerehepaares die Aufgabe hat, diese zu bewahren, zu pflegen und zu präsentieren im Zusammenspiel mit der städtischen Kunstgalerie, wo aber die Stifter ganz bewusst – das mag nun ein Spezifikum in Stuttgart sein – gesagt haben, wir wollen eine zusätzliche, neutrale Einrichtung als dauerhaften Eigentümer festlegen. Die Werke sollen dann gerne in Kooperation in einer öffentlichen Einrichtung gezeigt werden, aber ein zusätzlicher Eigentümer, der auch darüber wacht und sie zusammen hält, soll weitere Sicherheit bieten für den dauerhaften Erhalt.
Und als letztes Beispiel darf natürlich auch die Bürgerstiftung für den Landkreis Fürstenfeldbruck nicht fehlen, die als Empfängerin eines künstlerischen Nachlasses, von einem in der Region bekannten und geschätzten Maler und seiner Frau, der Urenkelin von Theodor Storm, den Nachlass bekommen hat, den Nachlass aufarbeitet mit ehrenamtlich tätigen Kunsthistorikern, was also auch ein Stadtmuseum so gar nicht gekonnt hätte und dadurch etwas in der Region hält, was sonst auseinander gefallen wäre.
Oder ein Projekt „Kids-Kunst in der Schule“, bei der an Grund- und Hauptschulen, die im Lehrplan gerade keinen oder nicht so viel Kunstunterricht anbieten, wo aber viele Kinder und Jugendliche durchlaufen, die hinterher nun nicht so die großen Perspektiven haben. Ihnen werden mit Künstlern, die in die Schulen gebracht werden, Kunsttechniken beigebracht, außerhalb des Lehrplans und zusätzlich zum Lehrplan. Anschließend findet eine Ausstellung als Abschluss und Höhepunkt statt. Das ist häufig in einer Aula, Turnhalle oder in einem Rathausfoyer, wo die Jugendlichen stolz zeigen können, was sie selbst gemacht haben. Sie zeigen das in der Familie, in ihrem Umfeld und werden sich – so hoffen wir jedenfalls – darüber hinaus mit diesen Techniken weiter beschäftigen. Da leistet die Bürgerstiftung gar nicht viel. Sie trägt die Kosten für den Aufwand der Künstler und das Material. Aber schon dafür ist in den Schulen kein Geld da, ganz abgesehen davon, dass, wenn Lehrer sich überhaupt engagieren könnten oder würden, es bei diesem Projekt nicht der Lehrer ist sondern eben eine dritte Person, die eine andere Form der Akzeptanz erfährt.
Als letztes Beispiel mit Bezug zum Tagungsort sei die Bürgerstiftung Dresden erwähnt. Da brauche ich nicht soviel zu sagen, das kennen Sie hier vor Ort. Aber das Engagement der Bürgerstiftung alleine beim fundraising für das Kästner-Museum, was weit über die Stadtgrenzen hinaus, bundesweit bekannt wurde, sei nicht vergessen.
Nachdem ich das nun vorgestellt habe, möchte ich aber auch noch die Antwort auf die Frage, was können Städte und Kommunen tun nicht schuldig bleiben:
Erstens, sie sollten die Gründung von Bürgerstiftungen unterstützen, u.U. sogar anstoßen aber keine Einflußnahme nehmen wollen, und das muss man als Forderung einfach ehrlich sagen, und ich möchte ein Beispiel einer Kommune, ein Beispiel einer privaten Einrichtung nennen: das Beispiel Stuttgart, bisher leider ohne Nachahmer. Es hat die Stadt Stuttgart, der Gemeinderat, einen matchingfund eingerichtet zum Anreiz der Errichtung einer Bürgerstiftung in Stuttgart. Es gab einen Beschluss des Gemeinderats, und die Stadt hat in zwei Jahren jeweils 500.000,00 DM zur Verfügung gestellt, um in gleicher Höhe das Engagement von Bürgern zu unterstützen. Das ist deshalb etwas besonderes, weil weder ein Gemeinderatsmitglied noch ein anderer Vertreter in den Gremien der Bürgerstiftung Stuttgart seinen Platz hat. Der Oberbürgermeister ist „nur“ aktiv unterstützender Schirmherr. Ich finde das völlig richtig, aber man muss es wirklich betonen. Es ist in einem Gremium, das 13 oder 14 Mitglieder hat, ein Vertreter des Büros des Oberbürgermeisters, um den Kontakt zur Stadt zu halten, der aber natürlich von den anderen 12 oder 13 jeder Zeit überstimmt werden könnte. Das ist ein Beispiel von Kooperation, von Unterstützung, ohne dass eine Gegenleistung genommen wird.
Und das zweite Beispiel, weil wir hier in Dresden sind, von der Körber-Stiftung, einer privaten, gemeinnützigen Stiftung, die mit der Einrichtung eines matchingfunds ähnliches für die Bürgerstiftung Dresden getan hat, also zwei Beispiele, wo ohne Einflussnahme, ohne Vetorecht so etwas getan wird.
Negativbeispiele haben wir aktuell leider häufig im Bereich von Sparkassen und Volksbanken zu verzeichnen, die im Moment auf den Zug Bürgerstiftung gerne aufsteigen, aber eben nicht um echte Bürgerstiftungen zu initiieren, sondern um eigene Stiftungen mit dem Namen „Bürgerstiftung“ oder mit dem Etikett Bürgerstiftung innerhalb des eigenen Einflußbereiches zu errichten, also damit Etikettenschwindel betreiben und sich nicht nur die Stiftung als Marketingvehikel sichern sondern auch die Entscheidungskompetenz und –möglichkeit für das eigene Unternehmen vorbehalten.
Um Ihnen auch eine kleine Vorstellung zu geben, welches Volumen die Bürgerstiftungen im Moment haben noch ein paar Zahlen: In der Zeit zwischen 1996 bis zum heutigen Zeitpunkt, in dem die Bürgerstiftungen in Deutschland deutlich an drive gewonnen haben, können wir von rd. 18 Millionen Euro sprechen, die in das Grundstockvermögen der bisher entstandenen Bürgerstiftungen geflossen sind, wobei es sich nach unserer Erfahrung um zusätzliche Mittel handelt, deren Erträge jetzt zukünftig dem Gemeinwohl zu Gute kommen, also nicht um die Umschichtung andernfalls für andere Zwecke gespendete Gelder. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil vereinzelt bei Spenden sammelnden Einrichtungen die Besorgnis artikuliert wird, daß Bürgerstiftungen Konkurrenz sind.
Die in den letzten Jahren für Bürgerstiftungen generierten Geldmittel belegen, daß es nicht so ist, dass kein Geld da ist. Man muss die Leute nur auf Bürgerstiftungen aufmerksam machen und die sich dahinter verbergende Idee in den Regionen mit Leben erfüllen. Das Modell Bürgerstiftung ist eben noch relativ unbekannt bei uns, wie Stiften allgemein noch nicht so bekannt ist, wie es sein sollte, denn jeder Anhanglose, Kinderlose oder auch mit so viel Vermögen ausgestattete, dass er neben seiner Familie noch etwas für das Gemeinwesen tun kann, sollte sich als Stifter engagieren.