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„Den Menschen eine Perspektive geben“

Pavel Bělobrádek, tschechischer Vizepremierminister über die Tschechische Republik in der Migrationskrise

„Nachbarn, Partner und Freunde“ sind Deutschland und die Tschechische Republik, sagte Hans-Gert Pöttering, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er begrüßte mit diesen Worten Pavel Bělobrádek, den Vizepremierminister der Republik Tschechien. Die deutsch-tschechische Zusammenarbeit habe sich in den letzten 25 Jahren zu einer festen und stabilen Partnerschaft entwickelt. Diese zeige sich besonders in Zeiten, die von Krisen bestimmt sind.

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Pavel Bělobrádek ist ein Freund klarer Worte, auch wenn das bedeute, manchmal nicht gleich eine Lösung für ein Problem zu haben. Das machte er bei seinem Besuch in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung deutlich. Dort besprach er den komplexen Themenkomplex Einwanderung-Migration-Asyl, der auch sein Land betrifft – und vor allem schwierige Fragen aufwirft. Und auf eines wies er explizit hin: „Für einfache Antworten müssen Sie sich an einen Populisten wenden.“

„Wir sind Brüssel“

So wand sich Bělobrádek gegen jede Form von Populismus und Nationalismus. Sein Land sehe sich als einen festen Bestandteil Europas. Das verdeutlichte Bělobrádek beim Thema EU-Skepsis: „Wir sind Brüssel, wir sind ein integraler Bestandteil der Europäischen Union, denn wir haben unsere Parlamentarier dort.“ Bělobrádek äußerte sein Unverständnis gegenüber seinen zweifelnden Landsleuten, die den europäischen Institutionen Fehlentwicklungen im eigenen Land zur Last legten: „Nicht Brüssel ist schuld, sondern die Länder selbst.“ So würden in der Tschechischen Republik EU-Verordnungen meist zu rigide umgesetzt, obwohl das eigentlich gar nicht nötig sei.

Tschechische Zweifel am Quotensystem

Und die Fragen, die Bělobrádek aufwarf, sind kompliziert genug: „Wie wollen wir die Flüchtlinge verteilen, wer geht wo hin? Und wie wollen wir die Leute dann in den Ländern halten?“ Ein Quotensystem funktioniere aus tschechischer Sicht nicht, machte Bělobrádek klar. Denn selbst wenn Flüchtlinge per Verteilerschlüssel in die Tschechische Republik müssten, würden sie dort vermutlich nicht bleiben wollen: „Die Menschen wollen nach Deutschland und gehen nach der Ankunft bei uns direkt weiter“, so Bělobrádek. Das Problem sei, die Menschen zu motivieren, in den zugewiesenen Ländern zu bleiben. Doch genau dabei gebe es bisher keine Lösung.

Solidarisches Verhalten

Wegen des tschechischen Widerstands gegen ein Quotensystem werde seinem Land vorgeworfen, sich nicht solidarisch zu verhalten. Doch dem widersprach der Vizepremier vehement: „Die Tschechische Republik hat noch vor der Diskussion um Verteilungsquoten angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen. Sie hat viel Geld ausgegeben und investiert beispielsweise in Jordanien. Und wir haben bereits unseren Anteil an den drei Milliarden Euro für die Türkei bezahlt.“

„Wir müssen den Menschen eine Perspektive in ihrer Heimat geben.“

Vor allem ende Solidarität für Bělobrádek nicht mit der Umverteilung von Flüchtlingen oder dem gemeinsamen Schutz der europäischen Außengrenzen: „Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen und die Städte wieder aufbauen.“ Dabei sei es wichtig, dass militärische Macht allein nicht alle Probleme lösen könne: „Der Aufbau der Zivilgesellschaft ist viel wichtiger.“ Dazu schlug er vor, mehr EU-Gelder für die Hilfe außerhalb der EU-Grenzen auszugeben und Rückführungsabkommen mit weiteren Ländern Afrikas zu schließen – auch wenn dies schwierig werde, da die meisten Staaten kein Interesse daran hätten. Der Fokus auf die Ursachen der globalen Flucht- und Migrationsbewegungen hat für Bělobrádek Vorrang: „Wir müssen den Menschen eine Perspektive in ihrer Heimat geben.“

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