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Veranstaltungsberichte

Der Idealismus – europäische Chance oder deutsches Verhängnis?

Eine Bonner Soirée von Konrad-Adenauer-Stiftung und Rheinischem Merkur

In Zeiten der Wirtschaftskrise mag es unangebracht, vielleicht sogar vermessen wirken, über Ansprüche des Idealismus zu diskutieren. Mit ihrer Soirée am Freitag vor Pfingsten setzten die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und die Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“ einen Gegenpol zum wirtschaftspolitischen Aktionismus und luden die Gäste zum Nachdenken ein.

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Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Literatur und Verantwortung“ bot der Zusammenfall des Schiller-Jahres mit den Jubiläen des Grundgesetzes und der Wiedervereinigung den gegebenen Anlass für den kulturellen Abend. Die prominenten Redner Rüdiger Safranski und Norbert Röttgen sowie die Schauspieler Leslie Malton und Felix von Manteuffel lockten über 600 Gäste ins Bonner Wasserwerk. Das Ardendo-Streichquartett rundete den Abend musikalisch ab.

Den Kern des deutschen Idealismus, der sich mit Namen wie Schiller und Goethe, Kant und Hegel verbindet, bildet der Versuch, der Freiheit im Widerstreit von Geist und Materie den Vorzug zu geben. Gleich zu Beginn der Abendveranstaltung wurde die geistige Bewegung des späten 18. Jahrhunderts mit kritischen Schlagworten konfrontiert. „Ein deutsches Verhängnis?“, so die provokante Fragestellung. Norbert Röttgen dagegen, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vorstandsmitglied der KAS, wollte den Idealismus als „Glücksfall für die deutsche Geistesgeschichte“ verstanden wissen. Er wies allerdings auch auf die Gefahr eines überschießenden Enthusiasmus hin: Die schwärmerischen Elemente des Idealismus hätten die spätere Verzerrung durch die Nationalsozialisten überhaupt erst ermöglicht.

Diese These bestätigte Rüdiger Safranskis souveräner Vortrag. Der Schriftsteller und Philosoph, der in den letzten Jahren mit zahlreichen Sachbuchpreisen ausgezeichnet wurde, betonte den Wert der Freiheit, den Schiller ins Zentrum seines Idealismus gestellt habe. Zugleich aber räumte er ein: „Schiller konnte schwärmen wie kein Zweiter.“ Die Gräuel des Nationalsozialismus hätten zwar ganz andere geistige Grundlagen als der Idealismus, dessen schwerwiegendstes Problem sei jedoch, was Safranski seine „konstitutive Weltfremdheit“ nannte. Während die Freiheit der Kunst losgelöst von Nützlichkeitserwägungen noch von Thomas Mann verteidigt worden sei, drohe bei den klassischen Idealisten der politische Verstand zu verkümmern und leiste so dem Missbrauch Vorschub.

Die Rezitationen von Leslie Malton, bekannt aus „Der große Bellheim“, und Felix von Manteuffel („Tatort“) widmeten sich der Frage, welche Bedeutung der Idealismus vor und nach dem „Dritten Reich“ besaß. Nachkriegsdichter wie Günter Eich und Paul Celan rechneten mit der Strömung ab, heutige Schriftsteller sind zurückhaltender in ihren Wertungen. Die anwesenden Schüler verschiedener Gymnasien aus Bonn, Siegburg und Düren, die sich ausführlich mit Schiller beschäftigt hatten, profitierten sichtlich von den Rezitationen. Nun hörten sie von den Schauspielern ein Potpourri an Zitaten. Die Klassiker Lessing, Goethe und natürlich Schiller fanden ebenso Gehör wie die Romantiker und die Idealismus-Kritiker Heinrich Heine oder Friedrich Nietzsche.

Neben der geschichtlichen Rolle der Idealisten stand die Frage im Zentrum, was eine historische, philosophisch-literarische Bewegung wie der Idealismus uns heute noch zu sagen hat. „Ich erhoffe mir von dieser Bewegung eine Ermunterung“, bekannte Norbert Röttgen. Viele Menschen fühlten sich beengt und bedroht von der Globalisierung. Die Erinnerung an Schillers Definition von Freiheit – der Mensch beherrscht die Dinge und lässt sich nicht von ihnen beherrschen – könnte eine neue, ermutigende Perspektive eröffnen. Auch Rüdiger Safranski nannte zahlreiche Aspekte von erstaunlicher Aktualität, etwa die Frage nach dem freien Willen, den Kant und Schiller gefordert und gerechtfertigt haben.

In diesem Zusammenhang hob Safranski auch den Wert der Bildung hervor. In heutigen Diskussionen werde kaum noch zwischen Bildung und Ausbildung unterschieden. Die Ausbildung sei zweifelsohne wichtig, aber eher funktional auf ein Ziel gerichtet. Allein die Bildung aber ermögliche die „Entfaltung des Individuums als Selbstzweck“. Der Mensch brauche beides, und die Bildung allein schon deswegen, damit er sich nicht langweile. Impulse aus dem Idealismus wären heute wieder wünschenswert – nicht nur, aber auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation. „Man sagt, Ökonomie sei nicht alles, aber alles sei nichts ohne Ökonomie. Bei den Idealisten gilt dasselbe für die Menschenwürde: Ohne sie ist alles nichts. Hinter diese Erkenntnis sollten wir nicht zurückfallen.“

(Text: Paula Konersmann, Stipendiatin der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung)

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