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KAS COLOMBIA

Veranstaltungsberichte

“Legislatives Observatorium”. Expertenrunde “Paz Total”

Am 26. September 2022 fand eine Expertenrunde über das Gesetzesvorhaben der Regierung “Paz Total” (totaler Frieden) (Gesetzesvorlage Nr. 160 aus 2022 Repräsentantenkammer) statt; die Veranstaltung war Teil des Projekts “Observatorio Legislativo”, einer gemeinsamen Initiative der Konrad-Adenauer-Stiftung KAS Kolumbien und des Politikwissenschaftlichen Instituts Hernán Echavarría Olózaga ICP.

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Zu Beginn der Veranstaltung betonte der Direktor des ICP, Carlos Augusto Chacón, die Bedeutung einer detaillierten Analyse des Gesetzesvorhabens der Regierung “Paz total” durch das Legislative Observatorium; dadurch solle eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet werden, die zur Verbesserung des Projekts beitragen, mit dem einige staatliche Institutionen transformiert werden sollen, um dadurch neue Friedensgespräche und deren effiziente Umsetzung zu ermöglichen. Auch die Projektkoordinatorin der KAS Kolumbien, Andrea Valdelamar, hob hervor wie wichtig es sei, die Elemente und Folgen des Gesetzesvorhabens “Paz Total” genau zu analysieren, da sie neuen Herausforderungen für Sicherheit und Verteidigung des Landes und damit für die Demokratie in Kolumbien mit sich bringen könnten.

Zunächst wurden die Elemente und möglichen Auswirkungen des Konzepts der humanitären Sicherheit erörtert, die durch das Gesetz “Paz total” erreicht werden sollen; die Indikatoren für einen totalen Frieden sind für die Regierung mehr Sicherheit, die erfolgreiche Umsetzung des Gesetzesvorhabens, mehr Souveränität bei der nationalen Verteidigung sowie die Konstruktion eines dauerhaften Friedens. Durch eine multilaterale Waffenruhe soll die Sicherheit der Zivilbevölkerung garantiert werden, weiterhin soll untersucht werden, inwieweit die Rolle der Streitkräfte durch das Gesetz des totalen Friedens betroffen ist, vor allem angesichts von illegalen Gruppierungen oder Strukturen, die nicht bereit sind zu verhandeln oder sich im Rahmen des Totalen Friedens der Justiz zu unterwerfen.

Einer der Initiatoren des Gesetzentwurfes, der Senator der Partei “Alianza Verde”, Ariel Avila erklärte das Konzept des Totalen Friedens aus der Sicht der Regionen des Landes, wo die verschiedenen illegalen, bewaffneten Gruppen eine Annäherung an die Regierung suchen; dadurch würden die Strukturen staatlicher Institutionen, zum Beispiel das Gesetz 428 aus 2020 (Gesetz der Öffentlichen Ordnung) modifiziert werden. Dadurch soll der Friedensprozess mit der Guerilla ELN ermöglicht werden, ebenso wir die Unterwerfung unter Justiz von kriminellen Organisationen des Drogenhandels, die in den gleichen Gebieten operieren. Der Senator betonte, dass die Agenda zur Umsetzung des Gesetzes „Paz total“ in einem soziopolitischen Kontext stattfinden solle, daher müssten für die Verhandlungen mit jeder der kriminellen Strukturen spezifische Regelungen geschaffen werden.

Ziel des Totalen Friedens sei es, dass Ideal von Max Weber eines legitimen Monopols der Waffen auf Seiten des Staates zur erreichen und eine ausreichende Präsenz staatlicher Institutionen in solchen Regionen des Landes zu sichern, in denen der Staat sich aus geographischen, sozialen oder politischen Gründen noch nicht etablieren konnte. Weiterhin solle die Sicherheit der dortigen Bevölkerung mit allen notwendigen Faktoren garantiert werden. Auch wenn das Gesetzesvorhaben durchaus komplexe Elemente enthalte, solle dadurch nach und nach die Stabilität und Sicherheit erreicht werden, die ein Friedensprozess impliziert, nach dem erfolgreichen Abkommen mit der Guerilla der FARC.

Der Oberst (R) des kolumbianischen Heeres, Jose Obdulio Espejo, äußerte seine Bedenken angesichts der Rolle der Streitkräfte innerhalb des Gesetzesvorhabens des totalen Friedens. Nach seiner Erfahrung als Kommandant, seien die Streitkräfte durch den Friedensprozess unter der Regierung von Juan Manuel Santos geschwächt worden, während die kriminellen Strukturen durch die von der Verhandlungskommission ausgehandelte Waffenruhe und den Schutz der Menschenrechte gestärkt aus dem Prozess hervorgegangen seien. Die Erhaltung der institutionellen Mechanismen sei ein Beitrag, der bei den geplanten Reformen der neuen Regierung berücksichtigt werden müsse. 

Der ehemalige Generalkommandant der kolumbianischen Streitkräfte, Alberto José Mejía, meinte, dass das Militär nicht geschwächt worden sei, sondern im Gegenteil, die Bemühungen der Regierung bei der Suche nach einem nachhaltigen Frieden in Kolumbien unterstützt habe. Außerdem forderte er die Zivilgesellschaft dazu auf, den neuen Friedensprozess voll zu unterstützen, um eine Fragmentierung wie sie beim letzten Friedensabkommen erfolgte, zu vermeiden. 

Der Generalmayor (R) und Mitglied der Verhandlungskommission bei den Friedensverhandlungen mit der ELN, Eduardo Herrera, wies darauf hin, dass die ELN eine “multikriminelle” Struktur aufweise, die eine juristische Formation verlange, die es erlaube mit Organisationen ohne Hierarchie und ohne klare Führung zu verhandeln. Die damit verbundenen Herausforderungen für die Institutionen und den verfassungsmäßigen Auftrag der Streitkräfte verlangten ein neues soziales Paradigma, wie es nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens mit der FARC entstanden sei.

Der Senator Ariel Avila erwiderte, dass man mit dem neuen Gesetzesvorhaben keinesfalls die bestehenden Mechanismen ignorieren oder den institutionellen Apparat reformieren wolle, sondern eine juristische und administrative Basis schaffen wolle, um die strukturellen Gründe der Gewalt zur bekämpfen. Daher müsse auch die geplante Agrarreform durchgeführt, illegale Anpflanzungen ersetzt und die Inklusion der demobilisierten Guerillakämpfer vorangetrieben werden.

Abschließend meinte der Studienleiter für urbane Sicherheit von Probogotá, Cesar Restrepo, dass zunächst geprüft werden müsse, inwieweit der kolumbianische Staat in der Lage sei, den Gesetzesentwurfes umzusetzen; die Umsetzung erfordere eine Erweiterung der staatlichen Dienstleistungen, eine erhöhte Anzahl von Uniformierten und die Fähigkeit Ressourcen für diese neuen Plan freizusetzen. Dies stelle eine politische Herausforderung dar, weil sich die Einstellung der Regierung Petro zur Rolle der Streitkräfte im Land ändern müsse.

 

 

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