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Pragmatisches Handeln im Wertekorridor

„Denker für morgen“ diskutieren gesellschaftliche Zukunftsthesen

Wie entwickelt sich die Gesellschaft der Zukunft? Auf Initiative der Konrad-Adenauer-Stiftung haben sich rund 30 junge Wissenschaftler, Experten und Praktiker aus verschiedenen Disziplinen ein Jahr lang bei mehreren Treffen mit dieser Frage auseinandergesetzt. Aus dieser Beschäftigung haben die „Denker für morgen“ drei Thesenpapiere entwickelt, die sich mit Verantwortungsfähigkeit, Gemeinwohlstand und Partizipation befassen. Im Gespräch mit den Elder Statesmen Kurt Biedenkopf, Gerd Langguth und Heinrich Oberreuter wurden die Thesen in Berlin nun einem politischen Realitäts-Check unterzogen.

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Schon in der Einführung wurde es dabei grundsätzlich. Der Soziologe Clemens Albrecht hatte in den Thesenpapieren 27-mal das Wort Gesellschaft gezählt und kam daher in seinem Impulsreferat zu der Frage, was der Begriff überhaupt bedeutet. Die Konzentration auf diesen einen Begriff könne zu einer Verengung bei Lösungsansätzen führen, warnte Clemens. Als Beispiel nannte er die Reform der Krankenversicherung: „Vom Staat her gedacht müsste dabei die Verschuldungsminimierung das Ziel sein, ein gesellschaftliches Ziel wäre dagegen die Bekämpfung sozialer Ungleichheit.“ Das gesellschaftliche Ziel sei aber nicht immer automatisch das einzig wichtige.

Tatsächlich haben die „Denker für morgen“ einige Anstrengungen unternommen, um mit ihren Ideen auch auf die zunehmende Komplexität von Politik und Gesellschaft reagieren zu können. In ihren Thesen zum Gemeinwohlstand fordern sie daher unter anderem ein „ethisch begründetes, rechtebasiertes Fundament eines neuen Gemeinwohlstands, der sich von rein pragmatischer Sichtweise abhebt.“ Soll heißen: Auch eigene Nachteile werden in einem gewissen Umfang akzeptiert, um Wohlstand global auszubreiten.

Für Kurt Biedenkopf ein löblicher Ansatz, der jedoch in der politischen und gesellschaftlichen Praxis erst mal eingebracht werden muss. „In der Realität treffen Sie auf Besitzstände, die keiner so schnell aufgeben möchte“, so der frühere sächsische Ministerpräsident. Auch Ludwig Erhard habe einen „Wohlstand für alle“ gewollt, der die Menschen frei macht. Durch den Zuwachs an Wohlstand und die daran gebundenen Sozialsicherungssysteme sei aber die Abhängigkeit vom Staat immer größer geworden. Biedenkopf sprach sich daher in der Wohlstands-Frage durchaus für pragmatisches Handeln aus, das aber in einem „Wertekorridor“ angesiedelt sein müsse.

Pragmatismus stand auch im Gespräch mit dem Politologen Gerd Langguth im Mittelpunkt, der sich das Thesenpapier zur Partizipation an politischen und gesellschaftlichen Prozessen näher angeschaut hat. „Ihre Generation ist eine pragmatische Generation, es gibt wenige große Grundsatzdiskussionen“, sagte er an die Denker gewandt. In vielen Thesen fand er den Appell an die Verantwortung des Einzelnen, den er grundsätzlich unterstützt. „Dieser individualistische Ansatz muss aber auch politisch gefördert werden“, gab er zu bedenken.

Kritisch sahen sowohl Langguth als auch die Denker in ihren Wortmeldungen das Phänomen der NIMBs (Not In My Backyard), die beispielsweise den Ausbau der Strominfrastruktur prinzipiell unterstützen, eine Stromtrasse im Umfeld des eigenen Hauses aber streng ablehnen. Der Politologe kritisierte zudem, dass gerade unter jüngeren Menschen zwar viele gute gesellschaftliche Ideen entwickelt werden, sich dann jedoch zu wenige um ihre praktische Umsetzung in der Politik kümmern.

Heinrich Oberreuter, Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, beobachtet ebenfalls eine zunehmende „Gruppenmüdigkeit“ in der Gesellschaft. Im Panel zur Verantwortungsfähigkeit sagte er: „Die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung lautet nicht ‚Vom Ich zum Wir’, sondern ‚Unterm Strich zähl ich’.“ Die Denker setzen dieser Entwicklung in ihren Thesen eine Stärkung von „Mikro-Verantwortungsräumen“ gegenüber. Beispielsweise durch Quartierförderprogramme, die an die Eigeninitiative der Teilnehmer gekoppelt sind, sollen die Menschen den Wert von Verantwortung und Engagement in ihrem unmittelbaren Umfeld neu erleben. Oberreuter wies allerdings darauf hin, dass solche Werte nicht staatlich verordnet werden können. Durch die politischen Rahmenbedingungen könne lediglich eine Hinführung geschehen, sagte er.

Die Übersetzung ihrer Thesen in politisch operationalisierbare Ansätze steht damit im Zentrum der weiteren Zusammenarbeit der „Denker für morgen“. Kurt Biedenkopf empfahl dem Kreis dafür, sich vor allem mit demokratischer Willensbildung zu beschäftigen und die Thesen konkret einzelnen Akteuren zuzuordnen. Gleichzeitig zeigte er sich überzeugt, dass auch fordernde Thesen eine Chance im politischen Prozess haben: „Aus meiner Erfahrung kann man den Menschen schon etwas zumuten. Man muss das nur direkt kommunizieren, falsche Versprechen werden bestraft.“

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Berlin Deutschland

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