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Russland braucht eine umfassende Erneuerung

Nach dem Mord an Anastassija Baburowa und Stanislaw Markelow

Nach der Ermordung der Journalistin Anastassija Baburowa und des Menschenrechtsanwalts Stanislaw Markelow in Moskau hat der Chefredakteur der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gazeta“, Dmitri Muratow, mehr Anstrengungen zur Aufklärung verlangt und der russischen Regierung eine Mitverantwortung an der Tat gegeben.

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„Die politischen Machthaber sind zuständig für die moralische Verfassung einer Gesellschaft“, sagte er bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. In einem Land, das von den Machthabern wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt werde, sei kein Platz für Kritik und Menschlichkeit. Wenig erstaunt sei er daher über die immer noch fehlenden Worte des Mitgefühls von Ministerpräsident Wladimir Putin und Präsident Dmitrij Medwedew.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Andreas Schockenhoff, äußerte Zweifel an der Ernsthaftigkeit Medwedews, den offenkundig vorherrschenden Rechtsnihilismus bekämpfen zu wollen. Die Chance, ein funktionierendes Rechtssystem zu errichten, sei vertan worden. Anders lautende Ankündigungen des Präsidenten entpuppten sich immer mehr als Worthülsen.

Eine umfassende Erneuerung – ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbruch Russlands - sei aber zwingend notwendig. Die Regierung „muss die Menschen ermuntern von unten mitzuarbeiten“ sagte Schockenhoff, denn „Russland ist nur als offener moderner Staat zukunftsfähig.“

Die Wirtschaftkrise sei für das Land ein Moment der Wahrheit. Die bisherige Taktik, den Haushalt allein mit den Erlösen aus dem Verkauf von Rohstoffen zu finanzieren, werde sich wegen sinkender Preise als folgenschwerer Fehler erweisen. Zum einen würden die schon jetzt starken Zentrifugalkräfte der Gesellschaft zunehmen. „Die Kluft zwischen Arm und Reich wir immer größer“, beobachtet Schockenhoff. Zum anderen mache sich in der Bevölkerung zunehmend Apathie und Zynismus breit. Der Grundkonsens, dass die Bevölkerung sich nicht in die Politik einmische, solange sie über einen gewissen Wohlstand verfüge, sei in Gefahr. „Diese Gemengelage kann schnell in Zorn umschlagen, wenn die Menschen sich materiell und existenziell bedroht fühlen“, befürchtet Schockenhoff. Mit der Krise sieht er zudem das Machttandem Putin – Medwedew aus der Balance geraten, das ursprünglich geschaffen wurde, um Wachstum und Wohlstand zu sichern.

Schockenhoff, der auch Koordinator für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt ist, betonte, dass die Krise der Regierung vor Augen führen werde, dass Russland ein Teil der globalisierten Welt sei. Enge Beziehungen zu Europa seien daher im existenziellen Interesse Russlands.

Ähnlich äußerte sich Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik „Vielleicht zwingt die Krise Russland stärker mit Europa zu kooperieren.“ Trotz des gerade bei der jüngeren Generation weit verbreiteten Wunsches nach einem starken Russland hoffe er, dass eines Tages Helmut Kohls Traum einer polnischen Westgrenze zu Osteuropa Wirklichkeit werde, so Rahr weiter. Zuvor müsse Europa sich allerdings einigen, ob man Russland nun eindämmen oder einbinden wolle.

Anders als Rahr, der an die Präsidentschaft Barack Obamas die Hoffnung auf einen Neubeginn der russisch-amerikanischen Beziehungen knüpft, bleibt Boris Reitschuster, Leiter des FOCUS-Büros Moskau skeptisch. Er sieht ein „Spiel mit dem Feuer“, wenn die Regierung den Anti-Amerikanismus dazu einsetze, um von innenpolitischen Problemen abzulenken.“

Reitschuster unterstrich, dass Russland nicht von heute auf morgen demokratisiert werden könne. Der Begriff „Demokratie“ sei zu einer leeren Worthülse verkommen, die z.B. mit Glauben an Rechtsstaatlichkeit gefüllt werden müsse.

Das Redemanuskript von Dr. Andreas Schockenhoff finden Sie in der rechten Spalte unter „Zum Thema“.

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