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The Rise of India in a Changing World

von Dr. Patrick Keller

Bericht vom 8. Staffers Luncheon 2010

Der achte Staffers Luncheon der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Mitarbeitern des Deutschen Bundestages beschäftigte sich mit dem Aufstieg Indiens zur wirtschaftlichen und politischen Großmacht. Professor Sunil Khilnani von der Johns Hopkins University in Washington, DC, verdeutlichte die zukünftige Rolle Indiens in der Welt anhand der innerstaatlichen Entwicklungen und der Positionierung im internationalen Konzert der Staaten.

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Das Interesse am Aufstieg Indiens hat in den letzten Jahren sowohl in Deutschland und Europa, als auch in den anderen Weltregionen deutlich zugenommen. Indien gilt international als ernstzunehmender geopolitischer Akteur, der nicht nur etwa 17 Prozent der Weltbevölkerung stellt, sondern auch, seit seiner Unabhängigkeit, in seiner Selbst- und Fremdwahrnehmung die Identität einer säkularen Demokratie genießt. Es verfügt über die am zweitschnellsten wachsende Ökonomie der Welt, und sowohl die Produktivität als auch die Kapitalnutzung seien deutlich höher als in China. Diese Zahlen werfen jedoch auch Probleme des Wachstums auf, die sich besonders in einer starken Dienstleistungsorientierung, extremen sozialen und regionalen Unterschieden, großen Herausforderungen im Bildungssystem und schwindenden nationalen Ressourcen manifestieren. Langfristig stelle sich daher die Frage, wie die 28 Bundesstaaten Indiens durch das politische System zusammengehalten werden können. Besonders angesichts der außerordentlich hohen Wahlbeteiligung der untersten Schichten wachse der Druck auf die nationale Politik stetig.

Die außenpolitische Rolle Indiens der letzten Jahre wurde durch den Optimismus des ökonomischen Wachstums geprägt, was zu einer ökonomisch orientierten Diplomatie führte. In seiner Eigenwahrnehmung sei Indien ausschließlich von schwachen oder autoritären Staaten umgeben. Daher werde die Bedrohung vorrangig in Konflikten mit den Nachbarstaaten oder dem „Überschwappen“ von Konflikten auf das eigene Staatsgebiet und weniger in den separatistischen und maoistischen Bewegungen im Land gesehen. Im besonderen Fall der Beziehungen zu Pakistan fehle Indien ein souveräner pakistanischer Ansprechpartner für eine kontinuierliche Politik, da die Machtverhältnisse zwischen Politik und den Sicherheitsbehörden in Pakistan zu unbeständig seien.

Eine der Leitfragen der anschließenden Diskussion lautete, ob und inwiefern eine ausschließlich auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichtete Innen- und Außenpolitik dauerhaft innerstaatliche und regionale Stabilität erzeugen kann. Ökonomisches Wachstum ohne die gleichzeitige Schaffung einer stabilen regionalen Sicherheitsarchitektur und ohne die trennscharfe Abgrenzung der nationalen Interessen birgt eine Reihe von Gefahren.

Indien kann im südasiatischen Regionalsystem allein aufgrund seiner Größe, seiner Bevölkerungszahl und seiner wirtschaftlichen Stärke als dominierender Akteur bezeichnet werden. Gleichzeitig steht Indien innerstaatlich, in seiner Sozialstruktur, der Einkommensverteilung und der demografischen Entwicklung vor deutlichen Herausforderungen. Am Beispiel der Demografie bedeutet dies, dass bei einem derzeitigen Wachstum von sieben bis acht Prozent in den nächsten Jahren 200 Millionen neue Arbeitnehmer auf den Arbeitsmarkt drängen werden. Dies bietet einerseits ein enormes Potential für weiteres Wachstum, andererseits könnte es auch zu einem Verteilungskampf um die Ressource Arbeit kommen. So wurde im Verlauf der Diskussion klar, dass deutliche Zusammenhänge zwischen der Einkommens- und Besitzverteilung in den einzelnen Distrikten und den zumeist lokalen bis regionalen innerstaatlichen Aufstandsbewegungen bestehen. Daher sei davon auszugehen, das diese weniger den Staat als Institution angreifen, sondern vielmehr die als ungerecht empfundene Ressourcenverteilung. Indien hat in diesem Konflikt bisher nahezu ausschließlich auf paramilitärische und polizeiliche Stärke und damit die gewaltsame Konfliktlösung gesetzt. Die Herausforderung für das breite Parteienspektrum Indiens liege darin, die außerordentlich dynamischen Wandlungsprozesse zu steuern, die sozialen Ungleichgewichte auszubalancieren und dabei die eigene Identität sowie die fundamentalen gesellschaftlichen Werte zu bewahren.

Die internationalen Interessen Indiens erscheinen derzeit noch sehr unscharf. So verfolge Indien zwar einerseits das ordnungspolitische Ziel einer multipolaren Welt, habe aber bisher auf die Festlegung klarer Ziele verzichtet. Zudem beteilige sich Indien in nahezu allen regionalen und internationalen Foren, wobei jedoch verschiedene Identitäten zu Tage träten, die eine eindeutige Verortung nicht zuließen. Vielmehr sei die Eigenwahrnehmung durch das Bild einer „bridging power“ geprägt, das seiner faktischen regionalen Führungsrolle aber nicht gerecht werde.

Die Frage nach den strategischen Interessen Indiens lenkte die Diskussion auf die Frage, worin Indien derzeit die größten Sicherheitsbedrohungen sehe. Dabei bleibt festzuhalten, dass der indische Fokus vorrangig auf asymmetrischen Bedrohungsszenarien liegt. Gleichzeitig sei gerade im Konflikt mit Pakistan die Befürchtung groß, dass terroristische Gruppierungen dessen atomaren Schutzschirm ausnutzen, um von pakistanischem Staatsgebiet aus zu operieren. Daher müssten Sanktionen auch gegen Staaten verhängt werden, deren Staatsgebiet – möglicherweise auch gegen deren Willen – durch terroristische Gruppierungen genutzt wird, um gegen Nachbarstaaten vorzugehen.

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