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Tunesien nach der Wahl

von Josephine Landertinger Forero
„Eine islamistische Tendenz hat sich in unserem Land installiert- das kann man nicht bestreiten“, sagte Professor Mohamed Haddad von der tunesischen Universität La Manouba. Er schilderte vor rund 150 Gästen und einer Delegation junger tunesischer Diplomaten in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Berlin seine Sicht auf die Wahlergebnisse des 23. Oktober 2011.

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Islamisten werden sich dauerhaft positionieren können

In Tunesien lange Zeit unter Ben Ali verboten, legalisierte Ennahda-Chef Rachid al-Ghannouchi im März 2011 seine Partei, die nun mit 90 Sitzen (von 217) stärkste Kraft in der Verfassungsgebenden Versammlung (VV) geworden ist. Die Ennahda-Partei bezieht sich auf die arabische Nahda des 19. Jahrhunderts, die sich um eine Verbindung der Werte des Islams mit der Moderne bemühte. Nahda bedeutet übersetzt soviel wie „Wiedererwachen“, „Auferstehung“, „Renaissance“. Dennoch befürchten viele säkulare Tunesier, dass die moderaten Töne schnell vergehen können.

„Besonders Qatar und die Türkei stehen hinter Tunesien und würden eine islamistische Regierung stützen, was ihre langfristige Stellung sichern könnte“, sagte Haddad. Anhänger Ennahdas benennen die türkische Regierungspartei AKP häufig als Vorbild.

Ein weiterer Grund für einen langfristigen Erfolg von Ennahda sei das von Experten vorausgesehene Wirtschaftswachstum für Tunesien von etwa 5 Prozent. „Wenn man bedenkt, dass etwa 2 Prozent des Wirtschaftswachstums unter Ben Ali wegen der Korruption verloren gegangen ist, könnte eine Regierung von Ennahda ein Wachstum von sogar 7 Prozent erreichen“, erklärte der tunesische Professor. Dieses Wachstum würde natürlich als Erfolg der Regierungspartei wahrgenommen werden, „was die Islamisten in einer nächsten Wahl begünstigen würde“.

Zudem spreche Ennahda das Arbeitervolk an, so Haddad. „Diese Gesellschaftsgruppe wird der Partei treu bleiben, weil sie sich mit ihr identifizieren kann und sie in ihr einen klaren Bruch mit der Vergangenheit sieht“, sagte der Professor, der auch Direktor des „Mediterranen Observatoriums für politische Toleranz und Religion“ ist.

Wahlerfolg von Ennahda vs. andere potentielle Wähler

„Letztendlich ist die Situation eine einfache: entweder eine Demokratie mit Isamlisten oder eine Diktatur.“ Das Volk habe gewählt. Es gelte jetzt die Devise den Islamisten nicht das Monopol zu überlassen. „Wir müssen eine starke Opposition und ein Gegengewicht bilden, so dass sich die Kräfte die Waage halten“, forderte Haddad. Zudem gäbe es ein großes, nicht ausgeschöpftes Wählerschafts-Potential. Es sei nun an der Zeit diese Menschen gezielt anzusprechen, die nicht für Ennahda gewählt haben.

Die restlichen 127 Sitze in der VV sind unter 26 Parteien und Listen verteilt. Haddad erklärte: „Die Leute, die eine islamistische Partei wählen wollten, haben Ennahda gewählt, während die vielen anderen Stimmen sich auf die anderen Parteien und Listen zerstreuten.“ Viele der Parteien und Listen hätten es gar nicht erst in die VV geschafft. Die Zersplitterung der VV ist einerseits der Verhältniswahl geschuldet, andererseits den geringen Hürden, die es gab, eine Partei oder Liste zu gründen.

Michael Gahler MdEp, Leiter der EU-Wahlkommission für Tunesien, sagte: „Auch die erste Bundestagswahl in Deutschland wies eine starke Zersplitterung auf. Ich denke, dass die Ergebnisse der nächsten tunesischen Wahl ganz anderes aussehen werden.“

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