Veranstaltungsberichte
Diktaturverklärung gestern und heute
Nach einer Begrüßung des Direktors der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Dr. Hubertus Knabe, hielt der rumänisch-deutsche Schriftsteller Richard Wagner eine Rede über die Rolle von Intellektuellen in der gesamten Gesellschaft. „Ein Intellektueller wird nicht durch seine Berufstätigkeit als solcher erkennbar, sondern durch seine Botschaft“, sagte Wagner und warf somit die Frage nach der Definition von Intellektuellen auf. Wer ist intellektuell? Dürfen sich auch die Teilnehmer des Forums Intellektuelle nennen? Sind Journalisten automatisch auch Intellektuelle? Das waren einige der Fragen, die der Schriftsteller stellte.
Ferner sagte Wagner, Intellektuelle müssten Meinungen oder Probleme deutlich beim Namen nennen. Doch die politisch korrekt eingerichtete Demokratie pflege zu oft einen laxen Umgang mit der Wahrheit. „Eine heutige Presseerklärung ist so geschrieben, dass sich niemand beleidigt fühlen soll“, so Wagner. Aber Höflichkeit könne auch zu Verantwortungslosigkeit führen.
Karrieristen oder Überzeugungstäter?
Medienhistoriker Dr. Lutz Hachmeister stellte die Frage, warum keiner der Journalisten nach dem Dritten Reich die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten zugegeben habe. „Keiner hat gestanden, dass Fehler gemacht worden sind". Auch heute sei kaum etwas über diese Journalisten bekannt.
Bei Universitätsprofessoren erweise sich diese Wissenslücke ebenfalls. „Die ersten 20 Jahre nach 1945 sind noch komplett unbekannt, was die Rolle der Professoren nach dem Nationalsozialsmus betrifft", sagte der Historiker Prof. Dr. Joachim Scholtyseck.
Dass die Nationalsozialisten auch an Universitäten viel Unterstützung fanden, vor allem unter Studenten, sei klar. „Das waren schlechte Zeiten für Studenten. Sie hatten wenig Zukunftsperspektiven. Und bei den Professoren gab es eine konstante Angst entlassen zu werden. Sie haben deswegen auch kollaboriert.“ Man zweifelte am gesamten humanistischen Bild, sagte Scholtyseck. So war es möglich geworden, dass sich Hitlers Gedanken etablierten. Der Historiker zitierte in diesem Zusammenhang Friedrich Nietsche, der sagte, dass „Wissen kein notwendiges Mittel zur Kultur“ sei. Das heißt, der Grad der Bildung sagt nicht viel darüber aus, was für ein Mensch man ist.
Letzendlich seien Intellektuelle dafür da, Ideen zu transportieren. „Diese könnten aber gut oder schlecht sein", sagte Scholtyseck.
Im letzten Panel der Konferenz wurde der Blick auf die Gegenwart gelenkt. Teilnehmer kritisierten die sogenannte Ostalgie. „Es darf nicht passieren, dass nostalgische Erinnerungen die Schrecken des totalitären Regimes verdecken“, sagte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Schroeder. Die Rolle der Intellektuellen sei es darauf hinzuweisen.
Das Panel unterhielt sich auch über die verschiedenen Arten von Islamismus - die totalitäre aber auch revolutionären Strömungen. An Universitäten herrsche noch viel Unklarheit über die verschiedenen Arten des Islamismus, so die Teilnehmer. Politikwissenschaftler Prof. Hendrik Hansen sagte: „Natürlich gibt es Unterschiede zwischen einem Islamisten von Al Qaida und einem Islamisten, der in Tunesien gegen die Regierung demonstriert“, so Hansen. Es sei aber der politische Islamismus, der den Westen stärker herausfordere als der dschihadistische.
Abschließend lässt sich sagen, dass zu allen Zeiten sich Philosophen, Journalisten oder Professoren bereitwillig in den Dienst brutaler Machthaber gestellt haben. Das war im Nationalsozialismus sowie auch in der DDR der Fall und ist heute beispielsweise in China oder Russland noch ein Thema.
Warum Intellektuelle als Ideengeber der Gesellschaft sich der Tyrannei beugen, wurde während des 4. Hohenschönhausen-Forums diskutiert. Eine klare Antwort darauf gab es nicht. Klar wurde jedoch, dass der Mensch ein Gesellschaftstier mit gruppengeneigtem Verhalten ist. Die Ereignisse rund um den Fall der Berliner Mauer und die Revolutionen des Arabischen Frühlings zeigen dies deutlich. Gegen den Strom zu schwimmen und eine eigene nicht-massentaugliche Meinung zu haben kann gefährlich sein. Das wissen auch Intellektuelle.
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Politisches Bildungsforum Berlin
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