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Von Chomeini zu Moussawi

Geschichte und Perspektive der Islamischen Republik vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung

In seinem Gedicht „die Sprache von Feuer und Eisen“ appelliert der iranische Dichter Fereydoon Moshiri an Menschlichkeit, Gewaltlosigkeit und ein waches Gewissen. Damit findet er gerade im heutigen Iran viel Gehör. Nur einen Tag nach den letzten Zusammenstößen zwischen den friedlichen Anhängern Moussawis und den iranischen Sicherheitskräften, trug der iranische Pädagoge, Professor Farsin Banki, das von ihm ins Deutsche übertragene Gedicht vor den 80 Teilnehmern des 10. Mülheimer Nahost-Gesprächs der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Katholischen Akademie Die Wolfsburg vor.

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Thema des diesjährigen Nahostgesprächs war „Gottesstaat Iran - 30 Jahre nach der Islamischen Revolution“. Die religiösen Grundlagen und die gesellschaftlichen und politischen Realitäten der Islamischen Republik standen im Mittelpunkt der acht Referate der iranischen und deutschen Experten.

Professor Banki, der in Teheran unterrichtet, berichtete über den aktuellen Stand der politischen Debatten im Iran nach den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni. Zwischen dem Lager des Präsidenten und den Reformkandidaten hat sich nach den Wahlen die Auseinandersetzung noch verstärkt, was Banki am Beispiel der sogenannten „Grünen Bewegung“ deutlich machte. Banki erläuterte, dass das grün der „Grünen Bewegung“ sich auf den Islam beziehe, dessen Farbe ebenfalls grün sei.

Wie stark die aktuellen Entwicklungen auch von iranischen Intellektuellen rezipiert werden, machte Farsin Banki am Beispiel der Aussagen des im Iran hochgeachteten iranischen Philosophen Abdolkarim Sorush deutlich, der heute an der Harvard-Universität lehrt: Der Reformer Sorush schrieb vor wenigen Tagen, während des Ramadan, einen Brief an den Religionsführer Chamenei, in dem er sich positiv über die Ansätze der reformorientierten Kräfte äußerte.

Banki erinnerte an einen weiteren iranischen Intellektuellen, der nach den Wahlen in den inneriranischen Diskussionen deutlich Stellung bezogen hatte. Auch der iranische Philosoph und Theologe Mohammed Shabestari habe sich in jüngster Zeit politisch positioniert, indem er die Robe des Theologen abgelegt habe und nur noch als Philosoph tätig sein wolle.

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Prof. Dr. Farsin Banki berichtete über die aktuelle Situation im Iran.

Auch die islamische Theologin und Leiterin der Islamischen Akademie in Deutschland, Hamideh Mohagheghi, führte in ihrem Referat das Beispiel des bedeutenden iranischen Theologen Großajatollah Hossein Ali Montazeri an, der noch nach der Islamischen Revolution als einziger Großajatollah das Modell der Herrschaft des Rechtsgelehrten, welayat-e faqih, unterstützt hatte.

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Hamideh Mohagheghi führte in die Zwölferschia ein.

Heute sage Montazeri öffentlich, dass er sich für diese Unterstützung der welayat-e faqih schäme, betonte Mohagheghi. Sie zitierte in ihrem Beitrag über die „Zwölferschia und ihre aktuelle Rolle in Politik und Gesellschaft des Iran“ ebenfalls den Philosophen Sorush: „Wo man die Religion mit der Politik verquicke, da entferne man sie von ihrem Zweck, den Menschen auf seinem Weg zu Gott zu leiten.“ Und auch auf den ehemaligen Theologen Shabestari bezog sich Mohagheghi: „Shabestari sieht die Theologen als Berater, die aber keine politische Macht beanspruchen dürften.“

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Dr. Silvia Tellenbach berichtete über die Rechtsentwicklung in der Islamischen Republik.

In ihrem Vortrag „Recht und Gesetz in der Islamischen Republik Iran“ ging Dr. Silvia Tellenbach, Juristin und Islamwissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, auf die verfassungsrechtliche Dimension der Auseinandersetzung um die welayat-e faqih ein: „Im ersten Verfassungsentwurf war die Herrschaft des Rechtsgelehrten noch nicht vorgesehen“, betonte sie. Der aktuelle geistliche Führer, Chamenei, sei 1989, nach dem Tode Chomeinis, zudem „handstreichartig“ in sein Amt gelangt – eigentlich fehlten ihm dazu die notwendigen religiösen Qualifikationen. Erst hinterher sei in der Verfassung festgelegt worden, dass man auch Führer werden könne, ohne die höchsten religiösen Anforderungen zu erfüllen, so Tellenbach.

Die schwierige Lage der Christen und Baha’i im heutigen Iran beschrieb in seinem Vortrag der Iranexperte der European Foundation for Democracy in Brüssel, Dr. Wahied Wahdat-Hagh (Redemanuskript als .pdf). Während die Christen noch als „Besitzer der Schrift“ als rechtmäßige religiöse Minderheit anerkannt seien, so würden die Baha’i gesellschaftlich und politisch diskriminiert, führt er aus. Immer noch seien sieben Personen des Baha’i Führungsgremiums (Yaran) inhaftiert. Allerdings werden auch christliche Missionare verhaftet und Konvertierten vom Islam zum Christentum massiv verfolgt. Laut Wahdat-Hagh hat die Zahl der Konvertiten deutlich zugenommen, obwohl die alten armenischen und assyrischen Gemeinden im Iran weder neue Mitglieder aufnehmen dürften, noch auf persisch predigten dürften, um nicht noch weitere Iraner zum Glaubenswechsel zu ermutigen. Im Vergleich zu den Muslimen sind Nichtmuslime im Iran in vielen rechtlichen Belangen benachteiligt, so beispielsweise im Erbrecht: Ein Muslim kann von einem Christen erben, ein Christ aber nicht von einem Muslim, erläuterte Wahdat-Hagh.

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Die Situation von Christen und Baha'i stellte Dr. Wahdat-Hagh vor.

Die Diskriminierung der Baha’i im Iran nimmt laut Wahdat-Hagh ein noch größeres Ausmaß an. Baha’i werden schon im Schulunterricht diskriminiert oder gar von den Schulen verwiesen, ein Hochschulzugang ist für Baha’i praktisch nicht möglich. Vom Erziehungsministerium eingesetzte „Anti-Baha’i-Gruppen gehen gezielt gegen die Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft vor. Aber auch hier verbreitet die Reformbewegung Hoffnung auf eine mögliche Verbesserung der Lage: Wahdat-Hagh verwies darauf, dass namentlich Großajatollah Montazeri und der reformorientierte Präsidentschaftskandidat Mehdi Karrubi vor einer „Progromstimmung“ gegen die Baha’i gewarnt hatten. Der renommierte iranische Wissenschaftler Abbas Milani hatte zur Baha’i-Frage zuletzt gesagt: „Ohne Anerkennung der Baha’i kann Iran keine Demokratie werden“, zitierte Wahdat-Hagh.

Auch für die alte jüdische Gemeinde im Iran ist das Leben in der Islamischen Republik nicht einfach. Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpour wies in ihrem Vortrag über „Antizionismus als Staatsdoktrin? Das Verhältnis des Iran zu Israel“ beispielhaft auf das Schicksal der im Iran als „Spione“ verurteilten iranischen Juden hin. Die schlimme Lage hat nach der Islamischen Revolution zu einem Massenexodus der Juden geführt, die jüdische Gemeinde im Iran ist innerhalb weniger Jahre auf ein Viertel ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft. Mit heute etwa 25.000 Gemeindemitgliedern seien die iranischen Juden aber im Nahen Osten immer noch die größte jüdische Gemeinschaft außerhalb Israels, so Amirpour. „Die Juden im Iran haben eine iranische Identität, sie leben nicht in der Diaspora“, betonte die Islamwissenschaftlerin.

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Dr. Katajun Amirpour (r.) im Gespräch mit Prof. Farsin Banki.

Ihr Überleben in der Islamischen Republik haben die iranischen Juden durch eine „loyale Haltung“ gegenüber der Islamischen Republik erreicht, die auch der Revolutionsführer Ajatollah Chomeini schon bald nach der Revolution akzeptierte. Sein Ausspruch „Wir sehen einen Unterschied zwischen unseren Juden und den gottlosen Zionisten“, hing nach der Revolution in allen Synagogen. Dies war umso erstaunlicher, als Chomeini in seinem Hauptwerk „Der Islamische Staat“ durchaus einen islamischen Antisemitismus vertreten hatte, wie Amirpour ausführte.

Diese jüdische Loyalität wurde aber heftig erschüttert, als in den vergangenen Jahren durch Mahmud Ahmadinedschad auf bislang nicht für möglich gehaltene Weise der Holocaust geleugnet wurde. Erst am Vortag der Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung hatte er seine Holocaustleugnung anlässlich des von Chomeini eingeführten Al-Qods-(Jerusalem-)Tages wiederholt. Gegen die Holocaustleugnung protestierten die iranischen Juden lautstark, betonte Amirpour: „Mit der Durchführung der Holocaust-Konferenz hat Ahmadinedschad ein No-go area betreten – die iranischen Juden haben hier vor Empörung aufgeschrien – da die Holocaust-Leugnung zuvor nie Teil der iranischen Politik gewesen war“, so Amirpour.

Der Arabist und Historiker Professor Henner Fürtig vom Hamburger Institut für Nahoststudien (GIGA), versuchte eine Deutung dieser Haltung Ahmadinedschads: „Hinter der Holocaustleugnung steckt ein klares Kalkül: Er zieht mit diesem Paukenschlag einen Schlussstrich unter die Außenpolitik seiner Vorgänger. Die außenpolitischen Stellungnahmen Ahmadinedschads sind nicht irrational, es geht ihm um die Führerschaft in der islamischen Welt. Die Palästinenserfrage wird aus dem arabischen Kontext herausgelöst und zu einer gesamtislamischen Aufgabe gemacht“, meinte Fürtig.

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Prof. Henner Fürtig erläuterte die Außenpolitik Irans.

Die politisch instrumentalisierte Holocaustleugnung spielte auch im Vortrag von Oliver Ernst, Referent in der Hauptabteilung Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, über „30 Jahre Islamische Republik Iran im Spiegel der Karikatur“ eine Rolle. So hatte die iranische Zeitung Hamshari im Jahre 2006 zu einem Holocaust-Karikaturenwettbewerb eingeladen, um nach dem Karikaturenstreit um die dänischen Mohammed-Karikaturen „die Toleranz des Westens zu testen“. Mit diesem Karikaturenwettbewerb wurde weiter Öl ins Feuer gegossen und – wie auch durch die vom iranischen Außenministerium organisierte Holocaustkonferenz – zur Verbreitung von Antisemitismus beigetragen. Anders als ursprünglich geplant war der Holocaustkarikaturenwettbewerb nicht wiederholt worden, er hatte dem Ansehen der Islamischen Republik aber weltweit Schaden zugefügt und ihre internationale Isolation verschärft.

In seinem Karikaturen-Vortrag ging Oliver Ernst darauf ein, dass sich die iranischen Karikaturisten vor dem Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzungen und des gewaltsamen Vorgehens staatlicher Kräfte gegen die Reformbewegung um den ehemaligen Ministerpräsidenten und Präsidentschaftskandidaten Mir-Hussein Mussawi mit der Demokratiebewegung solidarisiert und zum Boykott der diesjährigen 9. Karikaturenbiennale in Teheran aufgerufen haben. Weltweit haben sich in den letzten drei Monaten zudem hunderte Karikaturisten mit den Wahlen und den Protesten im Iran auseinander gesetzt und oft auch solidarisch erklärt. Auf oft hohem künstlerischem Niveau behandeln sie die aktuellen Entwicklungen in Karikaturen und politischen Grafiken. So zeigte Ernst Karikaturen des iranischen Künstlers Mana Neyestani, der Ahmadinedschad in seine Zeichnungen als Pinocchio darstellt - nur aufgrund seiner langen Pinocchio-Nase gelangt er auf einer Zeichnung vor seinen Konkurrenten ins Ziel. Für seine Karikaturen wurde Mana Neyestani in das berüchtigte Evin-Gefängnis in Teheran geworfen. Heute zeichnet er für die exiliranische Homepage radiozamaneh.

„Es gibt begründete Hoffnung, dass die Dinge sich ändern“, resümmierte der ehemalige Chefkorrespondent der Deutschen Welle, Peter Philipp, in seinem Abschlussvortrag. Die grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft von US-Präsident Obama mit Iran, teilweise gemeinsame Interessen Irans und des Westens an Stabilität in Irak, Afghanistan und Pakistan, bilden hier eine mögliche Gesprächsbasis.

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Peter Philipp blickte auf die Perspektive der iranisch-amerikanischen Beziehungen.

„Vorsichtige Fortschritte der Verhandlungen im Rahmen der P5+1 würden ein direktes Gespräch von Obama mit Iran begünstigen“, meinte Philipp. Dieser direkte Dialog stehe aber nicht unmittelbar bevor. Werde aber bei den P5+1-Gesprächen nur über die Atomfrage gesprochen, dann könne es vielleicht bei dem einen Gespräch bleiben, da die Iraner wiederholt, so auch in ihrem jüngsten Schreiben an die P5+1, angekündigt hätten, dass die Beendigung der Anreicherung als Verhandlungsthema nicht akzeptiert werde, erläuterte Philipp. Er sieht mit Blick auf die Verhandlungen aber auch grundsätzlichere Probleme: „Ahmadinedschad muss realistischer werden und versuchen, den Westen zu verstehen, damit der Dialog erfolgreich sein kann, so wie auch der Westen sich um Verständnis für den Iran bemühen muss“, betonte der Journalist.

Philipps ebenfalls vorgetragener These, aus der demokratischen Bewegung im Iran sei „die Luft raus“, wurde von dem Teheraner Beobachter der Bewegung, Farsin Banki, widersprochen: Zwar stecke diese Bewegung noch in den Kinderschuhen, sie könne aber durch aktuelle Ereignisse, wie Verhaftungen, die Prozesse und nicht zuletzt die Öffnung der Universitäten am 23. September gestärkt werden.

30 Jahre Islamische Republik Iran: Wird der, auf der Konferenz auch diskutierte, Grundwiderspruch zwischen dem republikanischen Charakter, der die Volkssouveränität betont und dem islamischen Charakter, der die alleinige Souveränität Gottes hervorhebt, die Islamische Republik in eine die Existenz gefährdende Krise stürzen? Oder wird sich Ahmadinedschad, der am republikanischen Pfeiler des Systems zu bohren scheint, wieder stärker auf die republikanische Dimension besinnen und dem von Farsin Banki mit besonderem Nachdruck zitierten Chomeini-Wort folgen: „Islamische Republik“ – nicht ein Wort mehr, nicht ein Wort weniger!“?

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In der Abschlussrunde wurde kontrovers diskutiert,, welche Chancen die Reformbewegung Moussawis hat. (v.l.n.r. Peter Philipp, Dr. Oliver Ernst, Prof. Farsin Banki)

Eine Prognose über die Zukunft der Islamischen Republik wagte keiner der Referenten. Deutlich wurde aber, dass neben die Sorge über die aktuellen Entwicklungen nach den Präsidentschaftswahlen, die Hoffnung tritt, dass die intensiven inneriranischen Auseinandersetzungen den Boden für einen Wandel hin zum Positiven möglich machen werden. Ensha’allah. Denn die Farb e der grünen Bewegung ist nicht nur die Farbe des Islam, sondern grün ist auch die Farbe der Hoffnung.

(alle Bilder © Oliver Ernst)

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