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„Das neue Deutschland faszinierte mich“

KAS-Literaturpreisträger Cees Nooteboom über die Wiedervereinigung und Europa

Heute widmet sich Cees Nooteboom seinen Kakteen auf Menorca und erfreut sich an den selbst gezüchteten Gewächsen. „Es ist ein unglaubliches Ereignis“, wenn sie Blüten tragen, erklärt Nooteboom. Doch nicht nur Kakteen beeindruckten den Schriftsteller, sondern auch die Wiedervereinigung zwischen Ost und West faszinierte den renommierten Schriftsteller, der 1989 das Ereignis selbst in Berlin miterlebte.

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Damals brachte ihn ein DAAD-Stipendium in die Stadt. Seine Erinnerungen daran hielt er in seinem Buch „Berlin 1989/2009“ fest. Mit einer Lesung in der Akademie setzte Nooteboom die diesjährige Reihe „Literatur und Erinnerung“ eindrucksvoll fort. Die Veranstaltung fand mit freundlicher Unterstützung des Königreichs der Niederlande statt.

Nooteboom hat auch als Literaturkritiker und Journalist gearbeitet. Er bewies dabei ein gutes Gespür zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. So berichtete er als Reporter 1956 über den Ungarn-Aufstand, über die Studentenunruhen 1968 in Paris und schrieb Ende der 70er Jahre über den Umsturz im Iran sowie 1989 über den Zusammenbruch der DDR. „Ich versuche Dinge zu sehen, die andere nicht sehen“, sagte Nooteboom. Denn Verlierer würden anders erzählen als die Gewinner. „Ich bin der, der sich unsichtbar macht“, erklärte er.

Als genauer Beobachter schildert er in seinem Buch „1989/2009“ nicht nur die politischen Umwälzungen, sondern berichtet auch von Begegnungen, Spaziergängen, Museumsbesuchen und Zeitungslektüren. Diese Berliner Notizen werden untermalt von Berliner Bildern, fotografiert von seiner Frau Simone Sassen. Kurz nach der Grenzöffnung begab er sich in den Strom der Menschen von Ost nach West, um sich ein Bild von der Situation zu machen. „Ich habe sogar eine Banane bekommen“, berichtete er schmunzelnd. „Das neue Deutschland faszinierte mich.“ Es habe eine neue Generation in Deutschland gegeben, die Heimweh nach einem Abendland hatten, das es vorher nie gegeben habe. Diese Aufbruchsstimmung habe er auf seiner Reise durch die neuen Bundesländer gespürt. Doch er stellte damals die Frage: Kennt sich Deutschland selbst? Weiß es, was es werden will?

Jetzt 25 Jahre später kann er die Frage noch nicht beantworten. Fest stehe, dass sich die damalige Gesellschaft und Politik sich nicht vorstellen konnte wie Europa heute aussehe. Bisher sei Europa nur ein von Wirtschaftsinteressen geleiteter Markt, aber noch keine Gemeinschaft. „Ein Orchester, in dem nur jeder seine eigene Nationalhymne spielt, ergibt nur eine Kakophonie“, kritisierte Nooteboom.

Sein letztes Buch waren Briefe an Poseidon, den griechischen Meeresgott. „Doch jetzt schreibe ich ein Poseidon-Buch ohne Poseidon“, wie er seinem Verleger erklärt habe. Mehr wollte er nicht verraten, aber auch seine Kakteen benötigten intensive Pflege.

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Berlin Deutschland

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