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Event Reports

„Die Trennung war etwas Unnatürliches und musste weg“

Politische Flussschifffahrt mit Wolgang Böhmer

„Das hat die Welt verändert, nicht nur Deutschland“ – vor 25 Jahren wurde Deutschland wiedervereinigt, die DDR aufgelöst. Wolfgang Böhmer von 2002 bis 2011 Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt war dabei und hat politisch mit entschieden wie Deutschland zusammenwächst. Bei einer politischen Flussschifffahrt des Bildungsforums Saarland der Konrad-Adenauer-Stiftung erzählte er von dieser für Deutschland so bedeutenden Zeit.

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Rund 100 Menschen sind an diesem sonnigen Herbstsonntag an die Saar gekommen. Böhmer sitzt an Bord am Tisch gemeinsam mit Werner Schreiber, dem ersten Minister für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalts von 1990 bis 1993. Sie unterhalten sich. Später erklären beide, dass sie persönlich nicht damit gerechnet hätten, die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten noch erleben zu dürfen. Wie wir heute wissen, sie haben sich geirrt: Am dritten Oktober 1990 ist die DDR Deutschland beigetreten. Seitdem haben sich beide Politiker den Herausforderungen, die die Wiedervereinigung mit sich brachte gestellt und daran gearbeitet sie zu meistern.

„Es war alternativlos“

Schreiber gab in seinen einführenden Worten zu, es wurden sicher auch viele Fehler gemacht. „Aber es war alternativlos“. Er würdigte die Arbeit der Gewerkschaften und erklärte, dass es auch heute noch viel zu tun gibt. „Wir sollten solidarisch sein, auch wenn es heute heißt, immer noch das Geld für die neuen Bundesländer. Ich halte das für falsch.“ Für ihn ist mit der Wiedervereinigung die Nachkriegsgeschichte Deutschlands beendet worden.

Applaus von den Zuschauertischen. Viele der Anwesenden können sich sehr genau an all das erinnern. Sie verraten, dass es spannend sei, die Geschichte auch mal aus der Sicht der Entscheider zu hören. „Von hinter den Kulissen“ nennen einige Besucher das.

Nur ein kleines Zeitfenster für die Wiedervereinigung

„Gorbatschow ist bei uns beliebt. Nicht in Russland. Die sind alle sauer auf ihn, weil er zugelassen hat, dass das Weltreich zerschlagen wurde“, so Böhmer in seiner Festrede. Anhand der russischen Dokumente sehe man genau, dass es nur ein ganz kleines zeitliches Fenster gab, in dem die Wiedervereinigung überhaupt möglich war. So habe die DDR wirtschaftlich kurz vor dem Ruin gestanden, das Geld reichte nicht mehr, um die eigenen Beamten zu bezahlen. „Russland wollte nicht helfen“, sagt Böhmer. Also habe die DDR versucht in Bonn einen Kredit zu erhalten und dafür Reiseerleichterungen angeboten, erklärt der frühere Ministerpräsident. Bonn war jedoch nur bereit einzuwilligen, wenn ein Gesetz zur Reiseerleichterung vorliegt. Also sei am 8. November innerhalb von 24 Stunden der Gesetzestext erarbeitet worden und da sei eben von der ständigen Ausreise die Rede gewesen. Über das Wort „ständige“ sei noch diskutiert worden. „Man wollte es streichen und erstmal das Gesetz verabschieden und alles andere dann im Nachhinein mit Richtlinien regeln“, sagt Böhmer. „Dann kam die Sache mit dem Zettel, das kennen Sie aus dem Fernsehen. Das war im Grunde genommen hilfloses Regierungshandeln.“

D-Mark als Inbegriff von Freiheit

Sehr wichtig sei bei der Wiedervereinigung auch die D-Mark gewesen. „Westgeld war für die DDR Bürger der Inbegriff von Freiheit.“ Auch wenn heute oft kritisiert werde, dass die Wiedervereinigung zu schnell ging und man langsamer vieles besser hätte machen können, „die Menschen sind nicht die Labormäuse der Ökonomen“, so Böhmer. „Ich bin der festen Überzeugung, die Einführung der D-Mark war unvermeidbar, um den Wiedervereinigungsprozess steuern zu können.“

So schlecht haben wir das nicht gemacht“

Problematisch sei die Umstellung von Planwirtschaft auf Marktwirtschaft gewesen. „Viele Betriebe sind daran zu Grunde gegangen.“ Die Treuhand habe mit einem Defizit von 270 Milliarden D-Mark abgeschlossen, sagt Böhmer, „weil sie viel Geld ausgeben musste, um das marode System loszuwerden.“

Für viele sei die Trennung unnatürlich gewesen und sie musste weg, sagt der Politiker. „Aber es gab auch viele die in die Teilung hineingeboren wurden, die etwas anderes gar nicht kannten. Für sie war die Teilung Deutschlands normal.“ Für manche von ihnen sei es nicht einfach gewesen, sich an die Veränderungen zu gewöhnen. „Aber ich finde so schlecht haben wir das nicht gemacht.“

Kein Interesse mehr an der Wiedervereinigung

Heute sei die Geschichte der Wiedervereinigung für die jungen Menschen nicht mehr wichtig. Sie hätten andere Probleme, sagt der Mann, der eben diese Geschichte genau miterlebt hat, der versucht hat, ihre Folgen für die Menschen in Sachsen-Anhalt so positiv wie möglich zu gestalten. Er ist nicht verbittert darüber, im Gegenteil, er erklärt: „Ich halte das für völlig normal und das ist auch gut so.“

Die Besucher hier an Bord hören dem ehemaligen Ministerpräsident Böhmer gespannt zu, weil er ihnen wieder in Erinnerung bringt, wie wichtig die Wiedervereinigung für alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland ist.

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erscheinungsort

Saarbrücken Deutschland

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