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"Anschläge wird man nie ausschließen können"

Hundert Tage nach den Anschlägen in Brüssel ist die Lage immer noch angespannt

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Bei den Selbstmordanschlägen am 22. März in der Brüsseler U-Bahn und am Flughafen waren insgesamt 32 Menschen getötet worden. Am 13. November 2015 hatten Terroristen in Paris 130 Menschen umgebracht. Zu beiden Angriffen bekannte sich die Terrormiliz Islamischer Staat. Hundert Tage ist es nun her, als die Anschläge verübt wurden und nun stellt sich die Frage, was ist auf Seiten der Behörden und in der Gesellschaft geschehen. Dr. Stefan Gehrold ist Leiter des Europabüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brüssel und erläutert im Interview die Lage.

Herr Gehrold, vor 100 Tagen geschahen die Anschläge auf Brüssels Metro und Flughafen. Wie erleben Sie jetzt die belgische Hauptstadt?

Nach wie vor ist die Militärpräsenz hoch und die Sicherheitsvorkehrungen sind verstärkt. Das betrifft insbesondere den Zugang zu den europäischen Institutionen und von Botschaften, die im Fokus von Terroristen sind, z. B. die amerikanische. Es ist immer noch eine gewisse Anspannung zu spüren. In vielen Fenstern und auf vielen Balkonen weht die belgische Flagge als Zeichen der Solidarität.

In Belgien gilt weiterhin die zweihöchste Terrorwarnstufe. Wie wirkt sich das Geschehene auf den Alltag oder auf Großveranstaltungen aus?

Die Metrostationen sind wieder alle geöffnet. Das gilt auch für die Station Maelbeek, in der Nähe des Europabüros der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Ziel eines Attentats war. Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren wieder regelmäßig. Am Flughafen wird immer noch das Gepäck bereits vor Betreten des Gebäudes kontrolliert. Das führt zu deutlichen Verzögerungen im Ablauf. Viele Gäste weichen daher beim Rückflug von Brüssel auf den Zug nach Köln aus und fliegen von dort aus weiter. Die Veranstaltungen werden deutlich besser geschützt als vorher. Für uns bedeutet das, dass wir bei politisch schwierigen Veranstaltungen, wie z. B. Maßnahmen zum Thema Israel oder mit jüdischen Organisationen, die Polizei um Schutz bitten und einen bewaffneten Sicherheitsdienst verpflichten, den wir natürlich auch bezahlen müssen.

Kurz nach den Ereignissen - und mit Blick auf die laufende Fußball-EM – wurden Stimmen laut, die ein neues Sicherheitskonzept auf europäischer Ebene forderten. Wie sieht es mit der Weiterentwicklung Europols und gemeinsamer Datenbanken aus?

Es ist richtig, dass es viele Vorschläge gab und gibt, durchaus auch hinsichtlich der besseren Vernetzung und der Weiterentwicklung Europols. Zunächst ist festzuhalten, dass man bei aller Weiterentwicklung Anschläge dieser Natur nicht wird ausschließen können. Aber eine Risikominimierung ist durch verbesserte Systeme möglich.

Europol und die nationalen Sicherheitsdienste arbeiten intensiv an einem besseren Datenabgleich. Im Bereich Europol gibt es sicher Raum für Weiterentwicklung. Allerdings fallen nach dem Lissabonvertrag polizeiliche und auch nachrichtendienstliche Befugnisse im Grundsatz in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Und das hat auch seine Gründe. Es gibt eben auf europäischer Ebene kein FBI und keine NSA, die Informationen und polizeiliche Ermittlung bündeln. Es geht alles nur im Kooperationswege. Und das ist auch von den Mitgliedsstaaten und der Bevölkerung derzeit nicht anders gewollt. Aber bei der Kooperation gibt es durchaus noch Raum, der derzeit ausgelotet und ausgeschöpft wird.

Dr. Stefan Gehrold ist Leiter des Europabüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brüssel.

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