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Länderberichte

Stürzt die Côte d’Ivoire erneut in eine politische Krise?

von David Robert, Anja Berretta

Nach Auflösung der Regierung

Völlig überraschend hat Präsident Laurent Gbagbo die Regierung und die unabhängige Wahlkommission (CEI) aufgelöst. Dies wirft den Zeitplan für die Wahlvorbereitungen in der Elfenbeinküste erneut auf unbestimmte Zeit zurück. Wann die ersten Präsidentschaftswahlen seit neun Jahren, deren letzter Termin für Anfang März 2010 geplant war, nun stattfinden werden, ist wieder völlig offen. Allerdings scheinen die Ivorer, die die bisherigen sechs Wahlverschiebungen mit stoischer Gelassenheit hinnahmen, allmählich die Geduld zu verlieren.

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Als Machtmissbrauch bezeichnete der Zusammenschluss der Zivilgesellschaft (CSCI) das Vorgehen von Gbagbo, der am 12. Februar die Auflösung der Regierung und die der Wahlkommission gleich dazu bekannt gab. Dabei berief er sich auf Artikel 48 der ivorischen Verfassung, die dem Präsidenten in Krisensituationen erweiterte Kompetenzen einräumt. Tatsächlich sind der Präsident und die unabhängige Wahlkommission (CEI) seit einigen Wochen zerstritten und die Wahlvorbereitung ist blockiert.

Identität von 430 000 Personen ist ungeklärt

Hintergrund ist die Aufnahme von 430.000 Personen aus dem Norden der Côte d’Ivoire in das Wählerverzeichnis, die nach Ansicht Gbagbos kein Wahlrecht haben. Für die Wählerregistrierung ist oft kein Geburtsregister vorhanden und die Identität einer Person muss über Zeugen und Familienketten festgestellt werden. Hinzu kommt, dass die Klärung der Staatsbürgerschaft in der Côte d’Ivoire ein sehr sensibles Thema ist, denn die systematische Diskriminierung von Immigranten, bekannt unter dem Konzept der „Ivoirité“, war Hauptauslöser für den ivorischen Bürgerkrieg im Jahr 2002. Für den Ablauf friedlicher Wahlen hat daher die allgemeine Akzeptanz der Wählerlisten oberste Priorität.

Streit zwischen Ggabgo und CEI eskaliert

Offen hatte Gbagbo den Präsident der CEI, Robert Mambé, angegriffen und diesem vorgeworfen, er versuche die Opposition zu bevorzugen. Ein Vorwurf, der nicht so leicht aus der Welt zu schaffen ist, denn im Norden des Landes hat die Regierungspartei FPI traditionell keine Wählerschaft. Zudem stellt die politische Opposition gemäß des Abkommens von Linas-Marcoussis in der CEI die Mehrheit und auch Mambé gehört der Oppositionspartei PDCI an. Das Verfassungsgericht sollte die Streitigkeiten um die Einträge ins Wählerverzeichnis klären, gab aber in der letzten Woche bekannt, die Untersuchung sei vorläufig suspendiert. Bereits vor einigen Monaten hatte Gbagbo in weiser Voraussicht seinen Parteifreund Paul Yao-N’Dré zum Präsidenten des Verfassungsgerichts ernannt.

Auflösung der Regierung ohne haltbaren Grund

Für die Auflösung der Regierung gibt es indes keine haltbaren Gründe. Offiziell nannte Gbagbo als Grund die zunehmenden Differenzen zwischen den politischen Lagern, die gemeinsam eine Regierung der politischen Einheit bilden. Eine neue Regierung soll daher die politische Kontinuität sicherstellen. Mit der Regierungsbildung betraute Gbagbo Premierminster Guillaume Soro. Die neue Regierung soll innerhalb von wenigen Tagen vorgestellt werden, allerdings scheint dieses Versprechen nicht einlösbar. Zweimal wurde in den letzten Tagen die Präsentation der neuen Minister angekündigt, die dann doch wieder auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Opposition ruft zum zivilen Ungehorsam auf

Hinter der Regierungsauflösung ist vielmehr politisches Taktieren des Präsidenten zu vermuten, mit dem Ziel, die Wahlen zu verschieben. Seit längerer Zeit bestehen Zweifel an den Absichten der politischen Klasse, die Wahlen möglichst zeitnah abzuhalten. Diese Vermutung wird durch die jüngsten Ereignisse gefestigt. Im Fokus der Kritik steht Gbagbo, dem mittlerweile unverhohlen vorgeworfen wird, er wolle die Wahlen so lange herauszögern, bis er sich seiner Wiederwahl gewiss sein könne. Und die an der Regierung beteiligten Koalitionsparteien? Diese nahmen die Verzögerungen beim Wahlprozess bisher schweigend in Kauf, nun riefen sie jedoch öffentlich und zum ersten Mal zum zivilen Ungehorsam auf. Von einem „Staatstreich“ war nach der Auflösung der Regierung und der CEI die Rede, außerdem erklärte der Zusammenschluss der wichtigsten Oppositionsparteien, Rassemblement des houphouëtistes pour la démocratie et la paix“ (RHDP), man werde Ggbabo nicht länger als Präsidenten anerkennen. Da die Parteien der RHDP gemäß des Abkommens von Linas-Marcoussis ebenfalls an der Regierung der nationalen Einheit beteiligt werden müssen, verfügen sie über ein nicht zu unterschätzendes Druckpotential und könnten die Regierungsverhandlungen bis auf Weiteres blockieren. Die RHDP verkündete, sie werde erst die Regierungsverhandlungen aufnehmen, wenn über die Neubesetzung der CEI entschieden sei.

Politiker haben sich mit Wahlverschiebung arrangiert

Allerdings ist auch die Opposition seit vier Jahren an der Macht beteiligt, bekleidet Ämter und hat Zugang zu Ressourcen – Privilegien die nach der Wahl schnell wegfallen könnten. Die RHDP ist ein Parteizusammenschluss, welcher sich bisher nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen konnte, die beiden aussichtsreichsten Kandidaten, Henri Konan Bédié von der PDCI und Alassane Ouattara von der RDR, lagen in einer Umfrage zu den Präsidentschaftswahlen, die im letzten Jahr durchgeführt wurde, beide hinter Präsident Gbabgo. Somit spricht einiges dafür, dass der Protest der Oppositionsparteien nur halbherzig ist. Vielmehr erhoffen sich alle Lager, dass durch die Neubesetzung der Regierung und der CEI die Karten neu gemischt werden und jedes Lager wird versuchen, für sich den größtmöglichen Vorteil auszuhandeln, um gestärkt in den Wahlkampf gehen zu können. Aufgrund der entscheidenden Rolle der CEI im Wahlprozess fordert der Zusammenschluss der Zivilgesellschaft (CSCI)seit Langem eine Besetzung des Gremiums durch unabhängige Experten. Dies würde die Wahlvorbereitung entpolitisieren und Vorwürfe der Bevorzugung entkräften. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Parteien diesen Vorschlag umsetzen werden.

Zivilgesellschaft verliert die Geduld

Dass die politische Krise im Land von den Akteuren als Chance genutzt wird, die Wahlvorbereitungen zu beschleunigen und zu verbessern, scheint daher eher unwahrscheinlich und es ist fast so, als ob alle Änderungen darauf abzielen, dass die Lage im Land so bleibt wie sie ist. Hier könnten die politischen Akteure allerdings die Rechnung ohne die Zivilgesellschaft gemacht haben. Vermehrt kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten, die um ihr Wahlrecht fürchten. Bei den Auseinandersetzungen im Norden des Landes gab es bereits ein Todesopfer. Die erneute Wahlverschiebung auf unbestimmte Zeit könnte die Zivilgesellschaft zu Demonstrationen und Protesten animieren, die schnell die fragile Stabilität im Lande bedrohen könnten, wenn man bedenkt, dass die Entmilitarisierung der ehemaligen Rebellentruppen noch immer nicht abgeschlossen ist.

Internationale Gebergemeinschaft wird ungeduldig

Ungewiss ist auch die Haltung der Internationalen Gebergemeinschaft, die in den letzten Jahren den Wahlprozess finanziell unterstützt hat. Die in der Côte d’Ivoire stationierte UN-Mission (UNOCI) zeigt sich nach wie vor optimistisch, dass die Krise bald überstanden ist. Der UN-Gesandte Young-Jin Choi erklärte, er sei zuversichtlich, dass die Ivorer schnell und auf friedliche Weise eine Lösung finden würden. Ob andere Geber diese Meinung teilen, ist jedoch fraglich, denn der Unmut über die nunmehr fünf Jahre andauernde Wahlverzögerung seitens der Geldgeber wächst, Frankreichs Präsident Sarkozy sprach im letzen Jahre bereits öffentlich von einem „trügerischen Versprechen“ welches die ivorische Regierung im Bezug auf die Wahlvorbereitung gegeben hätte und warf Gbagbo vor, er wolle sich möglichst lange an der Macht halten. Sollte die aktuelle politische Krise nicht bald beendet sein, ist damit zu rechnen, dass Internationale Geber ihre Unterstützung für die Wahlvorbereitung einstellen werden.

Hinzu kommt, dass das Land im Jahr 2010 mit einer enormen multilateralen Entschuldungsinitiative des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der regionalen Entwicklungsbanken rechnet, die jedoch an die politische Situation des Landes gekoppelt ist.

Krise könnte sich zuspitzen

Ein Rückzug der Internationalen Geber und die Verschiebung der Entschuldungsinitiative könnten für das Land katastrophale Auswirkungen haben. Ein Rückgang der schwachen Wirtschaftsleistung wäre in diesem Fall voraussehbar, der nicht nur nationale, sondern auch regionale Folgen hätte, da die Côte d’Ivoire als Konjunkturmotor der Region Westafrika gilt. Verschlechtern sich die ökonomischen Lebensbedingungen der Ivorer, könnte dies zu gewaltigen sozialen Spannungen und Ausschreitungen führen, die, gemeinsam mit Resignation und Frust über die immer wieder verschobenen Wahlen, eine schlimme Krise im Land entfachen könnten. Die Abhaltung von freien und fairen Wahlen in absehbarer Zeit ist daher für das Land und die Region von enormer Bedeutung. Zum einen kann nur durch die Wahlen der fragile Frieden im Land gefestigt, und der Bürgerkrieg endlich vergessen gemacht werden. Zum anderen sind die Wahlen auch notwendig, um die wirtschaftliche Entwicklung im Land wieder voranzubringen.

Zukunft von Präsident Gbagbo ungewiss

Welche Rolle dabei Präsident Gbagbo spielen wird, ist unklar. Bisher wurde die politische Klasse kollektiv für die Wahlverschiebung verantwortlich gemacht, auch wenn die Parteien sich gegenseitig die Schuld für die Verzögerungen zuwiesen. Nun wird Gbagbo zum ersten Mal als alleiniger Verantwortlicher wahrgenommen. Seine Rechnung, bei der Besetzung des Verfassungsgerichts, CEI und Regierung möglichst viele Parteifreunde unterzubringen, scheint wieder einmal aufzugehen – diesmal könnte es ihn jedoch teure Wählerstimmen kosten.

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