Armenien zwischen Fatalismus und Aufruhr
Nach dem Drehbuch der „Samtenen Revolution“ von 2018 rast Armenien auf eine innenpolitische Krise zu
Auf den ersten Blick scheinen die Menschen in Armeniens Hauptstadt Yerevan im Februar 2021 einer erstaunlich idyllischen Geschäftigkeit zu frönen, zumindest von Montag bis Freitag. Diesen Eindruck könnte man gewinnen beim Spaziergang über den „Platz der Republik“ im Herzen Yerevans. In Corona-Zeiten besonders auffallend sind die vielen Gäste in den zahlreichen einfachen, rustikalen, aber auch in den teuren und schicken Restaurants rund um den Platz. Abends ist es schwierig, überhaupt einen freien Tisch zu bekommen. Es wird kolportiert, dass die Armenier über die sozialen Medien regelmäßig dazu aufgerufen werden, in diesen Zeiten gleichsam mit patriotischem Engagement das Leben zu genießen: Essen und Trinken fürs’ Vaterland lautet die Devise! Auf den zweiten Blick fallen kleine Stände und Kioske auf, aus denen aus Bergkarabach geflohene Armenier die dort typischen Brotsorten verkaufen. 80.000 Flüchtlinge sollen es derzeit sein, die sich so oder ähnlich ihren Alltag organisieren. Keiner weiß derzeit, ob sie zurückkehren (können) oder für immer bleiben werden. Aber es brodelt unter dieser Oberfläche. Demonstrationen an den Wochenenden werden zum Dauerzustand und sind die Kehrseite des ansonsten idyllischen Bildes. Dass die Regierung nicht einfach weitermachen kann, steht für die Opposition fest. Angesichts dieser Kritik sprach heute der Premierminister schon von „Putschversuch“.