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Die Entstehung des Grundgesetzes

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Parlamentarischer RatWestbindungSoziale MarktwirtschaftBilaterale BeziehungenEuropapolitikWiedervereinigung

Die Verfassungsväter und -mütter waren sich der Defizite der Weimarer Verfassung und der Verbrechen des Nationalsozialismus deutlich bewusst und fühlten sich als Sachwalter der Deutschen, die in der SBZ keine demokratische Vertretung hatten. Überparteilich bestand – von den Kommunisten abgesehen – Konsens, eine freiheitliche, parlamentarische Demokratie aufzubauen. Die Ausgestaltung dieser Staatsform, etwa in der Frage, wie stark föderalistisch das neue Deutschland strukturiert sein sollte, war durchaus auch innerhalb der Union umstritten. Überhaupt lässt sich feststellen, dass die gemeinsame Arbeit im Parlamentarischen Rat wesentlich dazu beitrug, die politischen Positionen innerhalb der Union zu konsolidieren und ein Zusammenwachsen ihrer verschiedenen Zonenverbände zu fördern. Außerdem wurde durch die Arbeit im Parlamentarischen Rat die Arbeitsverteilung innerhalb der CDU präjudiziert: Adenauer erlangte als Präsident eine Führungsrolle, die ihm nicht mehr streitig gemacht werden konnte. Andere Kandidaten für ein Spitzenamt wie Karl Arnold waren entweder keine Mitglieder des Parlamentarischen Rates oder sie spielten - wie Jakob Kaiser - eine eher nachgeordnete Rolle. Teilweise profilierten sich die Mitglieder der Unionsfraktion mit Themen, die sie bis zum Ende ihrer politischen Karriere beibehalten sollten, so z.B. Helene Weber mit Frauenfragen. Freilich gab es natürlich auch in der Union etliche Abgeordnete, die eher im Hintergrund an den Beratungen mitwirkten.

Konsensfähig von Anfang an war zwischen den Parteien eine gegenüber der Weimarer Verfassung völlig veränderte Stellung der Grundrechte. Die Erkenntnis, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus nur durch eine Abkehr von grundlegenden Menschheitsrechten möglich gemacht wurden, führte zu einer entsprechend herausgehobenen Wertigkeit der Grundrechte. In der Präambel nimmt das Grundgesetz deshalb Bezug auf Gott und macht die Wahrung der jedem Menschen eigenen Rechte zum Prüfstein für die Geltung der Verfassung. Die Entscheidung, die Begründung der Menschenrechte bewusst dem metaphysischen Bereich zuzuschreiben und sie deshalb nicht der Änderung durch parlamentarische Mehrheiten zu unterwerfen, ist der verfassungsrechtliche Kern des Grundgesetzes: Bewusst wird hier eine Gegenposition zu volkssouveränen Verfassungen wie der DDR-Verfassung von 1949 umgesetzt, bei denen letztlich auch Menschenrechte von Mehrheiten abhängig sind.

In seinen Bestimmungen ist das Grundgesetz durchweg eine Verfassung mit Kompromisscharakter, bei der sich weder das christlich-liberale Lager noch die damals durchaus noch in der Wirtschaftspolitik planwirtschaftlich-sozialistisch argumentierende SPD völlig durchgesetzt hat. Das Eigentum wird geschützt, Enteignungen sind aber prinzipiell gegen Entschädigungen möglich, und eine Sozialbindung wird festgeschrieben. Gleiches gilt für die anderen großen Streitfragen in der deutschen Politik, u. a. die Schulpolitik: Hier wurde ein Nebeneinander staatlicher und privater Schulen festgelegt, damals auch noch teilweise mit konfessionell gebundenen Schulen in staatlicher Trägerschaft. Andere Bereiche wie etwa die Sicherheitspolitik wurden nur gestreift, weil seit dem Besatzungsstatut vom 12. April 1949 auch die zukünftigen Beschränkungen der Souveränität des westdeutschen Staates feststanden.

Im Ganzen wird man sicherlich festhalten können, dass besonders die Union in vielen Punkten dabei ihren Vorstellungen nahegekommen ist. Mitverantwortlich dafür war zum einen die Übereinstimmung mit den anderen demokratischen Parteien in etlichen Politikfeldern, aber auch die Fehleinschätzung der SPD, die im Grundgesetz nur ein sehr kurzfristiges Provisorium sah. Das Grundgesetz ist deshalb im Kern eine bürgerlich-liberale Verfassung mit deutlichem metaphysischem Bezug, aber auch ausgeprägten Sozialstaatscharakter. Gerade dieser Kompromisscharakter ist aber wohl eine wesentliche Vorraussetzung für seinen Erfolg gewesen.

In der Praxis hat sich das Grundgesetz während der bislang sechs Jahrzehnte währenden Geschichte der Bundesrepublik bewährt, die damit nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches die mit Abstand erfolgreichste Staatsgründung in der neueren deutschen Geschichte ist. Alle Krisen wie der Wirtschaftsabschwung der siebziger Jahre oder die Herausforderung durch den Terrorismus der RAF, aber auch potentielle verfassungsrechtliche Krisen wie die zweimalige vorzeitige Auflösung des Bundestages sind im Rahmen des Grundgesetzes zu lösen gewesen. Eine besondere Bewährungsprobe bildete nach der friedlichen Revolution in der DDR 1989/90 der Weg zur deutschen Einheit. Es zeigte sich, dass die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland ihre Leistungsfähigkeit so überzeugend unter Beweis gestellt hatte, dass die Einberufung einer neuen verfassunggebenden Versammlung überflüssig war und stattdessen die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beitrat.

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