Einzeltitel
Der Konrad-Adenauer-Stiftung war er seit den 1990er Jahren verbunden: als gefragter Referent auf Lehrertagungen, als Kritiker bei der Autorenwerkstatt in Cadenabbia, als Autor der Zeitschrift „Die Politische Meinung“. Seine 1998 unter dem treffsicheren Titel „Im Wechsel der Zeiten“ erschienene Autobiographie gibt ein Porträt des Literaturwissenschaftlers als gewandter Erzähler. Geboren in der Nähe von Bremen, kam Walter Hinck früh nach Berlin und legte 1940 an der Albrecht-Dürer-Schule, die auch der vier Jahre jüngere Günter de Bruyn (Literaturpreisträger der Konrad-Adenauer-Stiftung 1996) besuchte, sein Abitur ab. „Falscher Kompaß“ und „Kleine Papageien in Uniform“ heißen die Kapitel über seine Zeit als Soldat und Offizier im nationalsozialistischen Deutschland. Wie heftig sein Jahrgang „umworben, angeworben und missbraucht vom Gewaltsystem“ war, daran lässt Hinck keinen Zweifel. Beim Kriegsende geriet er in jugoslawische Kriegsgefangenschaft. Er verweigerte eine Mitarbeit bei Titos Geheimdienst. Zur Strafe wurde er zum „Kriegsverbrecher“ abgestempelt, mit einem erpressten „Geständnis“ wurde ihm ein demütigender Schauprozess gemacht, es folgte Straßenbauarbeit im Internierungslager.
Nach der Heimkehr 1950 nahm Walter Hinck in Göttingen das Studium auf und schloss es 1956, noch bevor die Brecht-Renaissance begann, mit einer Doktorarbeit über die „Dramaturgie des späten Brecht“ ab. Seine akademischen Stationen waren zunächst Kiel, dann die längste Zeit (1964-1987) Köln. Jürgen Flimm zählt zu seinen Schülern, auch Ulla Hahn. Legendär sind die Literaturbegegnungen in seinem Rösrather Haus. Heinrich Böll zog sich hinter den großen Wohnzimmerkamin zurück, um dort ungestört gegen das ärztliche Verbot zu rauchen. Walter Hinck gebührt das Verdienst, erstmalig die Literaturkritik an die Universität geholt zu haben. 1973 lud er – unterstützt von seinem Kölner Kollegen Werner Keller – Marcel Reich-Ranicki zu literaturkritischen Übungen an die Alma Mater. Der Andrang der Studenten war enorm. Für Reich-Ranickis Frankfurter Anthologie, deren Preis er 2003 erhielt, hat Walter Hinck einige seiner schönsten Kommentare geschrieben, für die FAZ etwa neunhundert Rezensionen, vor allem über Romane und Lyrik der Gegenwart. Seine Überzeugung war dabei immer, im Sinne Goethes und Heines: „Der Kritiker muß – lesend – dem Schriftsteller auf die Spur kommen“.