Am Samstag, 6. Dezember, traf Bundeskanzler Friedrich Merz zum Antrittsbesuch in Israel ein. Er hatte zuvor den König Jordaniens, Abdullah II., zum persönlichen Gespräch getroffen und telefonisch mit Mahmoud Abbas, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, gesprochen. In beiden Gesprächen betonte Merz die Notwendigkeit einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung, der zügigen Entwaffnung der Hamas und Deutschlands Unterstützung für den Gaza-Friedensplan von US-Präsident Trump.
Diese Themen waren Schwerpunkte im folgenden Staatsbesuch in Israel. Bei seiner Ankunft am Flughafen Ben-Gurion wurde Merz am Samstagabend vom israelischen Außenminister Gideon Sa’ar empfangen, ehe er in Jerusalem Staatspräsident Isaac Herzog traf. Präsident Herzog erinnerte an den 60. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen und deren Bedeutung für Israel. Merz wiederum verwies auf die historische Verantwortung Deutschlands und verband diese mit einem Blick auf die Zukunft der Region: Langfristiger Waffenstillstand und eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung. Gerade dieser historische Bezug – insbesondere im Lichte der späteren Kranzniederlegung in Yad Vashem – fand in der FAZ breiten Widerhall. Dort wurde Merz’ Umgang mit deutscher „Schuld“ betont und zugleich vermerkt, dass er den Begriff „Staatsräson“ nicht verwendet habe.[1] Israelische Medien dagegen legten den Schwerpunkt weniger auf diese symbolträchtigen Gesten und stärker auf sicherheitspolitische Aspekte des Besuches.
Am Sonntag, dem 7. Dezember, besuchte Merz die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Deutsche Medien ordneten diesen Moment überwiegend in die Tradition deutscher Regierungsbesuche ein; die FAZ betonte dabei die Kontinuität erinnerungspolitischer Signale, während die Jüdische Allgemeine den Besuch später als Teil eines insgesamt „zarten Neuanfangs“ zwischen beiden Regierungen beschrieb.[2]
Im Anschluss kam der Bundeskanzler mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zusammen. Dieses Treffen und die anschließende Pressekonferenz bildeten den politischen Höhepunkt des Antrittsbesuches des Bundeskanzlers. Bei der Pressekonferenz betonte Merz, dass sich Deutschland nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 „fest an die Seite Israels gestellt“[3] habe. Allerdings sei Deutschland während des Krieges in ein „Dilemma“ geraten:
„Deutschland muss für Israels Sicherheit einstehen, und Deutschland muss für Menschenwürde und Recht einstehen, die den Kern unserer Verfassung, gerade nach Shoa und Weltkrieg, ausmachen. Als Land im Krieg, als demokratischer Rechtsstaat, musste sich Israel in seinem militärischen Vorgehen eben auch am Völkerrecht messen lassen. Dabei dürfen wir zugleich nie vergessen, von wem die Aggression ausging: von der militanten Hamas, die sich eben nicht um Menschenleben und Völkerrecht schert. Angesichts des schweren Leids, das die Zivilbevölkerung Gazas erfahren hat, mussten wir hier auch Zeichen setzen.“[4]
Die deutschen Medien griffen genau diesen Spagat breit auf. Die Tagesschau[5] hob das Spannungsverhältnis aus historischer Verantwortung und völkerrechtlicher Erwartung hervor, während die Süddeutsche Zeitung[6] insbesondere die offene Uneinigkeit zwischen Merz und Netanjahu hinsichtlich einer Zwei-Staaten-Lösung betonte. Im Anschluss dankte Bundeskanzler Merz dem US-Präsidenten für dessen Friedensinitiative und betonte, Deutschland werde diese unterstützen. Die Hamas dürfe in der Zukunft Gazas keine Rolle mehr spielen. Eine neue Ordnung müsse entstehen, in der Israelis und Palästinenser im Frieden leben können.
Premierminister Netanjahu dankte Bundeskanzler Merz für seine Offenheit. Er hob die verschiedenen Bereiche hervor, in denen Deutschland und Israel gemeinsame Fortschritte erzielen können, wenn sie zusammenarbeiten, darunter technologische Innovation und Sicherheit, zudem wies auf den wachsenden Antisemitismus in der Welt. Allerdings widersprach Netanjahu dem Bundeskanzler mit Blick auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Diese lehnte Premierminister Netanjahu offen und deutlich ab. Diese Differenz wurde in deutschen Medien betont, in israelischen spielte sie jedoch keine große Rolle. Diese rückten einen anderen Moment der Pressekonferenz in den Vordergrund: Ein Journalist fragte lautstark ohne Mikrofon am Ende der Pressekonferenz, ob Netanjahu in den Ruhestand treten würde, wenn Präsident Herzog ihn dafür begnadigte. Netanjahu antwortete knapp mit „No.“[7] Viele israelische Medien machten diese Szene zum Kern ihrer Berichterstattung – ein Indiz dafür, wie stark innenpolitisch getönte Bruchstellen die Wahrnehmung des Besuchs prägten.
Parallel betonten israelische Medien wie die Jerusalem Post[8] die sicherheitspolitische Partnerschaft mit Deutschland, insbesondere mit Blick auf das in Brandenburg stationierte Arrow-3-Abwehrsystem. Dies wurde als strategischer Wendepunkt bewertet, der Israels Beitrag zur europäischen Sicherheit unterstreiche. Die Times of Israel[9] wiederum fokussierte sich auf Netanjahus Aussagen zu Phase zwei des von Präsident Trump vorgeschlagenen Friedensplans und dessen Einfluss auf die Zukunft des Gazastreifens. Auch hier zeigte sich die Wandlung der Perspektive: Während deutsche Berichte sich vor allem auf Merz’ Positionen konzentrierten, stellten israelische Medien die Einordnung Netanjahus in den internationalen diplomatischen Prozess heraus.
Bundeskanzler Friedrich Merz gelang ein Antrittsbesuch, bei dem er die Erinnerung an die historische Schuld mit der aktuellen Partnerschaft zwischen beiden Ländern, 60 Jahre nach Beginn der diplomatischen Beziehungen, verband. Obwohl Differenzen deutlich wurden, machte Merz am Morgen des 7. Dezembers in Yad Vashem klar:
„In Yad Vashem, an diesem Ort, ist mit Händen zu greifen, welche bleibende historische Verantwortung Deutschland trägt. Deutschland wird deshalb immer für die Existenz und die Sicherheit Israels einstehen. Das gehört zum unveränderlichen Wesenskern unserer Beziehungen. Das gilt für heute, das gilt für morgen, und das gilt für immer.“[10]
[1] FAZ, Das Wort Staatsräson fällt nicht, 7 Dezember 2025
[2] Jüdische Allgemeine, Ein neuer Sound?, 7 Dezember 2025
[3] Bundesregierung, „Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel ist kostbar“, 7 Dezember 2025
[4] Bundesregierung, „Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel ist kostbar“, 7 Dezember 2025
[5] Tagesschau, Vereint und doch uneins, 7 Dezember 2025
[6] SZ, Eine halbe Stunde Qual, 7 Dezember 2025
[7] Zum Beispiel hier: Israel Hayom, Netanjahu: Will not retire from politics in exchange for pardon, 7 Dezember 2025, zudem bei Haaretz und bei Maariv
[8] Jerusalem Post, Merz visit highlights new strategic, and strained, Germany-Israel bond – analysis, 7 Dezember 2025
[9] Times of Israel, Netanjahu says phase one of Gaza truce ‘almost’ complete, alongside Germany’s Merz, 7 Dezember 2025
[10] Bundesregierung, „Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel ist kostbar“, 7 Dezember 2025