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Kriegslage begünstigt kurdische Unabhängigkeit

Kurden lehnen Einheitsregierung unter Al-Maliki ab

Die Kurden im Irak werden nach Einschätzung des Nahost-Experten Otmar Oehring eine Einheitsregierung unter Führung des jetzigen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki nicht mittragen.

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Spätestens der Vormarsch der Truppen der Terrorgruppe ISIS hat vielen Menschen klar gemacht, dass im Irak ein Bürgerkrieg droht, den viele nicht zu Unrecht eher als Konfessionskrieg bezeichnen möchten. Allerdings, die Sunniten und die Schiiten sind es nicht alleine, von denen abhängt, ob es in Zukunft irgendwann einen friedlichen Irak in seinen jetzigen Grenzen geben kann. Es gibt noch eine dritte Bevölkerungsgruppe, auf die man da achten muss, die Kurden nämlich.

Otmar Oehring, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman in Jordanien, war in Erbil unterwegs, der Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan im Norden des Iraks. Er sprach mit Dieter Kassel vom Deutschlandradio.

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Wie sieht man denn in diesem Teil des Iraks, in dem sie gerade waren, die Bedrohung durch die ISIS?

Also, die Bedrohung durch ISIS wird natürlich gesehen, allerdings scheint es so zu sein, dass die Kurden davon ausgehen, dass sie nicht unmittelbar bedroht sind, sondern eigentlich nur der Rest des Iraks.

Wenn Sie mit Menschen dort gesprochen haben in Erbil - waren das Menschen, die sich selber überhaupt als Iraker sehen, oder sehen die sich nur als Kurden?

Das sind alles Menschen, die einen irakischen Pass haben, die sich aber in erster Linie als Kurden sehen.

Haben die a) noch Interesse daran, auch in Zukunft Teil eines Einheitsstaats Irak zu sein und b) sehen Sie das noch als Möglichkeit?

Auffallend war bei den Gesprächen mit den Vertretern der wesentlichen Regierungspartei, der Demokratischen Partei Kurdistans, auch mit einem Abgeordneten dieser Partei, dass eigentlich alle diese Gesprächspartner davon ausgehen, dass es auf die Unabhängigkeit Kurdistans hinauslaufen wird. Soweit, diese Einschränkung wird immerhin gemacht, soweit Maliki nicht zurücktritt respektive eine neue Regierung gebildet wird, die auch die Kurden und die Sunniten im Land in angemessenem Maße einbindet.

Aber es hängt am Rücktritt von al-Maliki, wenn er, was auch unwahrscheinlich ist, das gebe ich schon zu, aber wenn er selber die Regierung umbilden und gerechter verteilen würde, das wäre nicht genug?

Ich war gestern erstaunt über das, was der amerikanische Außenminister Kerry gesagt hat, der ja wohl davon ausgeht, dass es auch eine neue Regierung unter der Führung von Herrn Maliki geben könnte. Nach den Gesprächen, die ich in Erbil geführt habe, zu schließen, würde ich davon ausgehen, dass das den Kurden insgesamt nicht genügt.

Sind denn die Kurden zurzeit der Meinung, sie brauchen einen eigenen Staat, weil sie nicht die Chance haben, Teil des Iraks zu sein, oder sind sie regelrecht froh darüber, dass das jetzt eben die Chance ist, das zu kriegen, was sie immer wollten, nämlich den eigenen Staat?

Fakten gesetzt

Ja, das kann man natürlich so und so sehen. Ich hatte schon den Eindruck, dass es eine gewisse Euphorie angesichts der aktuellen Situation gibt, man tatsächlich auch durchaus drüber nachdenkt, wie man, wie soll man sagen, diese Situation für sich am besten nutzen kann. Man hat ja tatsächlich auch die Stadt Kirkuk eingenommen, und das war ja mit eines der großen Themen für die Kurden seit vielen Jahren. Eigentlich hätte es ja nach der Verfassung ein Referendum über die Zugehörigkeit Kirkuks zum Rest-Irak respektive zu Kurdistan geben sollen. Das ist aber immer wieder vertagt worden, und jetzt haben eben die Kurden praktisch Fakten gesetzt.

Sie haben gerade gesagt, Herr Oehring, ein eigener Staat, vor allem auch, wenn al-Maliki an der Regierung bleibt, das klang nach Optionen, falls er tatsächlich sein Amt aufgibt, was wären denn dann die Forderungen der Kurden, um im Irak bleiben zu können?

Die wesentliche Forderung wäre natürlich, dass die Kurden angemessen vertreten sind in der Regierung, aber natürlich auch in allen anderen Staatsämtern. Und das Zweite wäre natürlich, dass der irakische Zentralstaat Kurdistan auch in der eigentlich vereinbarten Art und Weise finanziell beteiligen würde. Eigentlich stehen den Kurden 17 Prozent der Erdöleinnahmen zu, faktisch ist es aber so, dass Kurdistan schon seit geraumer Zeit nichts mehr bekommt aus Bagdad.

Kurdistan liegt aber natürlich streng genommen nicht nur im Irak. Was haben Sie festgestellt jetzt in den letzten Tagen bei Ihren Gesprächen? Was würde denn ein selbstständiges Kurdistan für die Nachbarländer bedeuten. Wir wissen alle, wie beunruhigt da zum Beispiel die Türkei ist.

Langfristiger Erdölliefervertrag

Das ist die Frage, die ich auch wiederholt gestellt habe, und da ist mir zu meiner Überraschung gesagt worden, das sei mittlerweile kein Problem mehr, denn man habe ja mit der Türkei einen langfristigen Erdölliefervertrag geschlossen, und das würde für die Türkei eigentlich ausreichen, um der Loslösung Kurdistans aus dem irakischen Staatsverband zuzustimmen.

Mit anderen Worten, Sie hatten nicht den Eindruck bei Ihren Gesprächen, dass es da auch Ansprüche gibt auf einen kurdischen Staat, der größer ist als das jetzige kurdische Gebiet im Irak?

Davon war nicht die Rede. Die Frage habe ich natürlich gestellt, weil das ja immer die Diskussion auch war auf der türkischen Seite, aber das ist also praktisch in Abrede gestellt worden, dass das jetzt ein Problem sein könnte. Auch entsprechende Befürchtungen des Iran sind mehr oder weniger in Abrede gestellt worden, also man geht einfach davon aus, dass die Nachbarn das dann schon akzeptieren werden, weil es auch für ihren Nutzen ist.

Sagt Otmar Oehring - er ist der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman und Jordanien und gestern aus Erbil im kurdischen Teil des Nordiraks zurückgekehrt. Herr Oehring, danke für das Gespräch!

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Dr. Annette Ranko

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