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Nationale Interessen und internationale Verpflichtungen

von Peter Hartmann

aus: Eichholzbrief (Zeitschrift zur politischen Bildung) 4/1995

Außenpolitische Perspektiven für die Bundesrepublik Deutschland unter unsicheren weltpolitischen Rahmenbedingungen.

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Der Begriff "nationales Interesse" hatte in Deutschland lange Zeit einen schlechten Klang. Er gilt als Rückfall in das Denken des 19. Jahrhunderts, das Außenpolitik vor allem in Kategorien wie Nation, Macht und Gleichgewicht umschrieb. Heute scheinen wir Zeuge einer Renaissance des Begriffs zu sein. Vor allem unsere Nachbarn fragen nach unseren Interessen und Absichten. Sie wollen wissen, welche Rolle Deutschland nach der Herstellung der Einheit zu spielen gedenkt.

Die Erwartungen an uns sind widersprüchlich. Einige rufen Deutschland auf, sein gewachsenes Gewicht zur Übernahme von mehr internationaler Verantwortung zu nutzen; andere hegen Mißtrauen gegenüber einem angeblichen deutschen Streben nach Vormachtstellung in Europa. Die Beschäftigung mit den deutschen Interessen ist daher nicht nur legitim, sondern notwendig. Ihre Formulierung schafft Berechenbarkeit und somit Vertrauen in unsere Außenpolitik.

Die Berufung auf Interessen - erst recht auf nationale Interessen - muß sich zunächst gegen Mißverständnisse abgrenzen. Da ist zum einen die Gleichsetzung von Interessen- und Machtpolitik. Es ist nicht zu leugnen, daß bedenkenlose Machtpolitik sich häufig auf nationales Interesse beruft. Tatsächlich besteht aber rationale Interessenpolitik darin, daß sie mit den Interessen anderer Staaten vereinbar ist.

Das zweite Mißverständnis liegt in dem angeblichen Gegensatz von Interessen- und Verantwortungspolitik, wobei letztere in den Augen vieler Menschen für bessere, sprich moralisch konsequente Politik steht. Bereits Max Weber hat in seinem Aufsatz über Verantwortungs- und Gesinnungsethik dieses Mißverständnis geklärt: Die Verantwortung eines Staates besteht geradezu darin, seine Interessen zu vertreten.

Wer - von vermeintlich höherer moralischer Warte aus - beim Begriff "nationales Interesse" zusammenzuckt, sollte bedenken, daß wir in unserer Innenpolitik selbstverständlich von jedem Abgeordneten erwarten, daß er die Interessen seines Wahlkreises wahrnimmt, ebenso wie eine Gewerkschaft selbstverständlich die Interessen ihrer Mitglieder vertritt.

In der Tat kann Verantwortung nur übernehmen, wer die Macht hat, zu gestalten. Umgekehrt fällt dem, der die Macht hat, auch Verantwortung zu. Er muß sich der moralischen Bewertung seines Handelns stellen.

Verflochtene Interessen

Verantwortliche deutsche Außenpolitik besteht folglich darin, deutsche Interessen - im europäischen und darüber hinaus im weltweiten Rahmen - zu fördern, hierbei aber zugleich - entsprechend dem Auftrag unseres Grundgesetzes - dem Frieden zu dienen. Insofern ist deutsche Außenpolitik nicht wertfrei, sondern dem Interessenausgleich und der Solidarität verpflichtet. Im übrigen erzwingen die Bedingungen einer immer stärker verflochtenen "Einen Welt" sozusagen aus sich heraus eine Politik, die in diese Richtung geht.

Wirtschaftliche Interdependenz, globale Umweltrisiken und transnationale Sicherheitsbedrohungen machen die internationale Staatengemeinschaft zu einer Interessengemeinschaft; kein Staat kann es sich innerhalb dieses Systems ernsthaft leisten, konsequent eigene Interessen auf Kosten der anderen zu verfolgen, ohne schließlich selbst darunter zu leiden. Für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland gibt es angesichts unserer wirtschaftlichen, politischen und sicherheitspolitischen Verflechtungen keine Alternative zu einer "Globalisierung" unserer Außenpolitik (Bundespräsident Roman Herzog). Deutsche Interessen sind "verflochtene Interessen".

Vor allem die Bedingungen unseres Wohlstandes und unserer Sicherheit machen dies unmißverständlich deutlich. Deutschland lebt als Industriestaat ohne nennenswerte eigene Bodenschätze und Energiequellen vom freien Austausch von Waren und Dienstleistungen. Der Export unserer Wirtschaft pro Kopf der Bevölkerung liegt mehr als viermal so hoch wie in den USA, fast dreimal so hoch wie in Japan. Unser Land kann seine Sicherheit nicht allein garantieren. Es hat darüber hinaus freiwillig und dauerhaft auf Massenvernichtungswaffen verzichtet. Über lange Jahre hat die NATO unsere Sicherheit gewährleistet. Nicht zuletzt deshalb nehmen wir so intensiven Anteil an den neuen Herausforderungen, vor denen das Bündnis steht.

Unser außenpolitischer Handlungsspielraum hängt aber nicht nur von den internationalen Rahmenbedingungen ab, sondern auch von der Innenpolitik. Die Haltung unserer Bürger zu Grundfragen, wie dem Einsatz der Bundeswehr bei friedenserhaltenden Maßnahmen, der Übertragung von Souveränität an die Europäische Union oder des Transfers von Wohlstand an Länder der Dritten Welt, bleibt bestimmend für die Durchsetzbarkeit, wobei es unser Bestreben sein muß, hierüber einen möglichst breiten Konsens zu erzielen.

Die wichtigste Lehre, die Deutschland aus seiner Geschichte und seiner Lage mitten in Europa zieht, darf daher nach den Veränderungen dieses Jahrzehnts nicht zur Disposition gestellt werden: Deutschland kann seine Interessen nur durch Integration und Zusammenarbeit wahren. Hieraus ergeben sich drei außenpolitische Kernaufgaben: Ausbau der Europäischen Union, Errichtung der europäischen Sicherheitsarchitektur und realistischer Multilateralismus.

Die Europäische Union als Stabilitätsanker

Nur 14 Prozent der Deutschen haben von der 1996 beginnenden Regierungskonferenz gehört. Dabei steht dort die für Deutschland wichtigste Frage auf der Tagesordnung: der weitere Ausbau des europäischen Einigungswerkes. Für uns geht es vor allem darum, die Europäische Union in die Lage zu versetzen, die neuen Herausforderungen - wo nötig - gemeinsam anzupacken. Zugleich muß die EU sich strukturell auf die Aufnahme neuer Mitglieder vorbereiten.Die deutschen Prioritäten für die Regierungskonferenz 1996 seien im folgenden kurz erläutert:

Die Regelung europäischer Angelegenheiten erfordert mehr Bürgernähe und Transparenz. Das heißt zunächst: konsequente Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips. In Brüssel soll nur geregelt werden, was auf der Ebene der Mitgliedstaaten oder auf regionaler Ebene nicht angemessen gelöst werden kann (wobei eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten in einer künftigen europäischen Verfassung hier für noch größere Klarheit sorgen könnte). Und dann, wenn in Brüssel entschieden wird, ist es unabdingbar, diese Entscheidungen für den Bürger nachvollziehbar und verständlicher zu machen. Die Beteiligungsverfahren des Europäischen Parlaments müssen schließlich vereinfacht werden, sein Recht zur Mitentscheidung ist generell zu erweitern.

Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) muß mehr von Gemeinsamkeit geprägt sein als bisher. Nur wenn die EU in den interna-tionalen Beziehungen als Einheit auftritt und mit einer Stimme spricht, wird sie mehr bewirken, als die einzelnen Mitgliedstaaten für sich genommen.

Wenn die Europäische Union in außen- und sicherheitspolitischen Fragen mehr Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit haben soll, darf in der GASP auch die Anwendung von Mehrheitsentscheidungen kein Tabu mehr sein. Die Erfahrung zeigt, daß die ständige Suche nach dem Konsens - so wichtig sie ist - im Ergebnis zum kleinsten gemeinsamen Nenner oder gar zur Selbstblockade führt. So wird Europa seine Interessen auf Dauer nicht wirkungsvoll vertreten können. Isolierte Positionen einzelner Mit-gliedstaaten sollten in Zukunft gemeinsames Handeln der EU nicht länger verhindern können, wenn eine große Mehrheit dafür ist.

Dies bedeutet nicht, daß alle außenpolitischen Entscheidungen generell mit Mehrheit beschlossen werden sollten. Kein Mitgliedstaat und kein Parlament wird auf das Recht verzichten, über den Einsatz seiner Streit-kräfte - z.B. bei friedenserhaltenden Maßnahmen - selbst zu entscheiden. In anderen, klar definierten Teilbereichen der Außenpolitik aber sollte künftig eine qualifizierte Mehrheit Entscheidungen treffen können.

Institutionelle Verknüpfung

Wenn Europa in Krisenfällen ernstgenommen werden will, muß es auch militärisch handeln können. Die Westeuropäische Union (WEU) sollte deshalb zum verteidigungs- und sicherheitspolitischen Arm der Europäischen Union ausgebaut werden. Über eine operative und institutionelle Verknüpfung muß langfristig eine Integration der WEU in die EU erreicht werden.

Auch in der Justiz- und Innenpolitik sind wir in einer veränderten Welt nur gemeinsam erfolgreich. Organisierte Kriminalität, Drogenhandel und Waffenschieberei können mit nationalen Mitteln allein nicht mehr bekämpft werden. Wir brauchen auch hier mehr gemeinschaftliches Vorgehen. Die Kommission sollte ein umfassendes Initiativrecht in diesen Fragen erhalten, um die Entwicklung voranzutreiben.

Schließlich steht für die EU auch ihre Organisation und ihre Arbeitsweise auf dem Prüfstand, nicht zuletzt mit Blick auf die bevorstehende Erweiterung. Stimmgewichtung im Rat, Zusammensetzung und Arbeitsteilung der Kommission, das Zusammenwirken der Gremien und Organe der Union müssen überdacht werden. Wenn die EU mit künftig 20 und mehr Mit-gliedern handlungsfähig bleiben will, ist es mit bloßer Fortschreibung des Bisherigen nicht getan.

Entscheidend für die Zukunft Europas bleibt die Wirtschafts- und Währungsunion. Nur sie bringt die Vorteile des Binnenmarkts voll zur Geltung und hilft Europa, sich im internationalen Wirtschafts- und Finanzgefüge zu behaupten. Als größter Exporteur Europas hat Deutschland ein beson-deres Interesse an einer stabilen europäischen Währung.

Wir halten an dem Terminfahrplan ebenso fest, wie an den vertraglich vereinbarten Stabilitätskriterien. Nur das Datum und die Kriterien erhalten den notwendigen Druck auf die Mitgliedstaaten aufrecht, sich um Konvergenz zu bemühen. Große Fortschritte wurden bereits gemacht. Über die Erfüllung der Kriterien durch die einzelnen Mitgliedstaaten wird erst 1997 entschieden werden können. Entgegen anderslautender Darstellungen in der Presse gelang es bei dem informellen Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der EU in Valencia Ende September 1995, die Unumkehrbarkeit des WWU-Prozesses zu bekräftigen, Zweifeln in bezug auf den vertraglich festgelegten Zeitplan wirksam entgegenzutreten und die WWU-Vorbereitungsdiskussion substantiell weiter voranzutreiben. Wirtschafts- und Währungsunion sowie Politische Union sind zwei Seiten derselben Medaille. Deutschland hat seine Zustimmung zur Schaffung einer gemeinsamen europäischen Währung, wie sie im Maastrichter Vertrag vorgesehen ist, mit der Erwartung verknüpft, daß es auch zu spürbaren Fortschritten bei der Politischen Union Europas kommt. Denn den Wert einer Währung bestimmt auch das Vertrauen in die sie garantierende politische Organisation.

Aus deutscher Sicht ist die Europäische Gemeinschaft und heute die Europäische Union immer mehr gewesen als eine wirtschaftliche Zweckgemeinschaft. Als Politische Union ist sie unsere gemeinsame Antwort auf eine verfehlte nationalistische Machtpolitik, die zu zwei Weltkriegen geführt hat. Es muß daher erklärte deutsche Politik bleiben, diesen Prozeß des europäischen Zusammenschlusses unumkehrbar zu machen.

Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation erwächst Deutschland darüber hinaus aus seiner geschichtlichen und geographischen Lage heraus die Aufgabe, mitzuhelfen, daß Demokratie und Marktwirtschaft auch in Mittel- und Osteuropa dauerhaft verankert werden. Der Schlüssel dazu liegt in der Heranführung der Reformstaaten an die Europäische Union. Mit den Europaabkommen hat die Europäische Union Polen, Ungarn, der Tschechischen und Slowakischen Republik, Bulgarien und Rumänien und seit kurzem auch den baltischen Staaten die Perspektive des Beitritts eröffnet. Auch Slowenien soll diesen Status erhalten.

Die wichtigsten Instrumente unserer Heranführungsstrategie für die MOE-Staaten sind die Öffnung unserer Märkte, Anreize für Privatinvestitionen und die Angleichung von Rechtsvorschriften insbesondere an die Binnenmarktregeln. Mit regelmäßigen Treffen auf allen Ebenen werden die künftigen Mitglieder bereits jetzt auch in den außenpolitischen Meinungsbildungsprozeß der Europäischen Union eingebunden. Entscheidend für den Erfolg dieses Prozesses aber bleiben die Eigenanstrengungen dieser Länder bei den politischen und wirtschaftlichen Reformen.

Die Europäische Sicherheitsarchitektur

Deutschland hat unter der Teilung Europas mehr als andere Staaten gelitten, von der Überwindung dieser Teilung mehr als andere profitiert. Es hat deshalb ein besonderes Interesse an der Errichtung einer "dauerhaften und gerechten Friedensordnung in Europa", wie das schon der Harmel-Bericht von 1967 forderte.

Die Erweiterungen von EU und NATO stehen in einem inneren Zusammenhang. Wünschenswert ist eine möglichst weitgehende geographische Kongruenz beider Erweiterungen und - so weit wie möglich - auch deren zeitliche Parallelität. Dieses Ziel kongruenter Mitgliedschaften EU/WEU/NATO entspricht den Überlegungen der informellen Außenministertreffen in Usedom und Carcassonne.

Das anhaltende Engagement der USA in Europa bleibt lebenswichtig. Die von Außenminister Klaus Kinkel vorgeschlagene transatlantische Agenda umfaßt neben der Sicherheitspolitik auch die Wirtschafts- und Handelspolitik sowie die großen Zukunftsfragen der Menschheit, die global issues. Die gemeinsame Aufgabe des Aufbaus der europäischen Friedensordnung geht über den Zuständigkeitsbereich der NATO hinaus. Außenminister Kinkel hat deswegen die Einrichtung einer "Transatlantischen Politischen Zusammenarbeit" (TAPC) und einer "Transatlantischen Freihandelszone" (TAFTA) in die Diskussion eingeführt.

Eine Friedensordnung für ganz Europa wird sich nur mit und nicht gegen Rußland verwirklichen lassen. Rußland ist auch heute noch die größte militärische Macht auf dem Kontinent. Es liegt im europäischen Interesse, daß Rußland kooperiert und nicht blockiert. Rußland ist ein riesiges Land, das seine endgültige Identität innen- und außenpolitisch noch nicht gefunden hat. Unsere Politik gegenüber Rußland verfolgt daher einen doppelten Ansatz: einerseits das Angebot zur Zusammenarbeit auf allen Gebieten, andererseits Festigkeit und Klarheit im Hinblick auf Rußlands Verhalten nicht nur gegenüber seinen Nachbarn und im eigenen Land, sondern auch in kritischen Regionen wie dem Balkan.

Die Addition euro-atlantischer Organisationen allein ergibt noch keine gesamteuropäische Architektur. Das Ganze muß mehr sein als die Summe der Teile. Die einzige gesamteuropäische Organisation, die die Teile harmonisch verbinden kann, ist die OSZE. Es wäre ein Fehler, wenn wir die Rolle dieser Organisation für die Weiterentwicklung einer europäischen Sicherheitsarchitektur vernachlässigen würden. Die OSZE bietet in ihrem Beitrag zur europäischen Sicherheit gegenüber EU und NATO langfristig gewichtige komparative Vorteile: Sie hat die bisher größten Fortschritte bei der Entwicklung von Instrumenten der Prävention aufzuweisen, sie bietet de n Rahmen für kooperative Sicherheit und Rüstungskontrolle, sie bietet den normativen Rahmen (Charta von Paris) für umfassende Friedensregelungen. Sie ist der zentrale Ort für die Diskussion eines "europäischen Sicherheitsmodells". Zur Erfüllung ihrer Aufgaben muß die OSZE sowohl in ihrer Funktion als "regionale Abmachung" als auch in ihren operativen Fähigkeiten gestärkt werden. Hier sind zwischen dem Konsensprinzip einerseits und dem Vorschlag eines OSZE-Sicherheitsrats viele Modelle denkbar. Der Abschluß eines OSZE-Gründungsvertrags mit völkerrechtlichem Status schließlich diente nicht nur der Stärkung der OSZE selbst, sondern auch der gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur insgesamt.

Realistischer Multilateralismus

Die Wahrung des Friedens und die Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Welt sind den Vereinten Nationen anvertraut. Die notwendigen Entscheidungen bei einer Bedrohung des Friedens trifft der Sicherheitsrat der VN. Es liegt im deutschen Interesse, in diesem Gremium gleichberechtigt vertreten zu sein - nicht nur, weil wir drittgrößter Beitragszahler sind. Wir sind bereit, uns für die globale Sicher-heit verstärkt zu engagieren. Das bedeutet auch eine verstärkte Teilnahme an den Entscheidungsstrukturen der VN.

Allerdings ist nicht zu übersehen, daß die VN an ihrem 50. Geburtstag auch Krisensymptome aufweist. Das Finanzwesen, der Wirtschafts- und Sozialbereich und der Sicherheitsrat brauchen eine Reform. Die VN müssen entlastet werden. "Regionale Abmachungen" (nach Kapitel VIII der VN-Charta) müssen einen Teil der Aufgaben übernehmen, vor allem im Bereich der Konfliktprävention. Die Antwort auf die Schwächen des Multilateralismus ist nicht Renationalisierung, sondern Regionalisierung.

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 über Auslandseinsätze der Bundeswehr hat die Bundesregierung neuen Handlungsspielraum gewonnen. Sie wird ihn verantwortungsvoll nutzen. Dies gebieten nicht nur unsere eigenen außenpolitischen Interessen, sondern dies fordert auch die Solidarität mit unseren Verbündeten. Sie sind in der Nachkriegszeit für Deutschlands Sicherheit eingetreten. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs und nach der Wiedervereinigung erwarten sie mit Recht, daß Deutschland seinen Beitrag zum Schutz der internationalen Ordnung und des Rechts, vor allem in Europa, leistet.

Unsere Interessen gebieten uns auch, Solidarität im globalen Maßstab zu üben. Die Probleme von Armut, Umweltzerstörung, Überbevölkerung und Migration können nicht auf regionaler oder nationaler Ebene alleine gelöst werden, sondern nur in weltweiter Zusammenarbeit. Unsere Außenpolitik muß sich nicht zuletzt daran messen lassen, wie weit es uns zusammen mit den anderen freiheitlichen Demokratien gelingt, den Menschenrechten international - auch da, wo andere gesellschaftliche Bedingungen herrschen als bei uns - Geltung zu verschaffen.

Das Ende des Ost-West-Konflikts brachte weder das "Ende der Geschichte" noch die "Neue Weltordnung". Es bewahrheitet sich vielmehr die klassische griechische Weisheit, daß der Wechsel das einzig Beständige ist. Gültig bleibt aber der zweifache Auftrag des Grundgesetzes an alle politischen Verantwortlichen, das Wohl des deutschen Volkes zu fördern und dem Frieden in der Welt zu dienen.

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