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Sippenhaft und Folter im Iran

Frau des prominenten Menschenrechtlers Abdolfatah Soltani im Evin-Gefängnis eingesperrt

Die Frau des Menschenrechtsanwalts Abdolfattah Soltani, Masoumeh Dehghan, wird seit dem 5. Juli ohne Haftbefehl im Teheraner Evin-Gefängnis gefangen gehalten. Gründe für die Haft wurden ihrem Ehemann, der sie zugleich in seiner anwaltlichen Funktion begleitet hatte, nicht mitgeteilt.

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Masoumeh Dehghan (r.), hier mit der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, wird im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran festgehalten. (Foto: Dr. Oliver Ernst)

Entgegen den gesetzlichen Regelungen durfte Soltani seiner Frau auch nicht bei ihrer mehrstündigen Anhörung vor der 2. Ermittlungskammer des Islamischen Revolutionsgericht im Evin-Gefängnis zur Seite stehen. Am 2. Juli hatte sie die Vorladung zu der Anhörung erhalten. Auch in der schriftlichen Vorladung der Staatsanwaltschaft wurden keine Gründe für ein Verfahren gegen Frau Dehgan genannt.

Im Gegensatz zu Abdolfattah Soltani, der für sein großes menschenrechtliches Engagement im Jahr 2009 in Nürnberg mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet worden war, ist die ehemalige Lehrerin Masoumeh Dehgan politisch nicht aktiv.

Ihre in Deutschland lebende Tochter befürchtet daher, dass man Frau Dehgan verhaftet hat, um ihren Mann unter Druck zu setzen: „Die harte Vorgehensweise gegen meinen Vater und andere Mitarbeiter des Zentrums der Verteidiger der Menschenrechte in Teheran ist ein Zeichen, dass das Regime gegen Menschenrechtsaktivisten vorgeht und vor der Verhaftung deren Familien nicht zurückschreckt.

Die Weltorganisation gegen Folter (OMCT) ruft daher auf ihrer Homepage ausdrücklich zum Protest gegen die Behandlung der Menschenrechtsverteidiger und ihrer Familien auf.

Die Stadt Nürnberg hat bereits scharf gegen die Verhaftung protestiert und die sofortige Freilassung von Masoumeh Dehgan verlangt. Der Nürnberger Bürgermeister schrieb einen Brief an den iranischen Botschafter Sheikh Attar.

Über die damalige Verleihung des Menschenrechtspreises an Abdolfatah Soltani hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung berichtet. Dehghani, die den Preis für ihren Mann damals stellvertretend entgegen genommen hatte, da er von den iranischen Behörden an der Ausreise nach Deutschland gehindert worden war, hatte in ihrem bewegenden Wort des Dankes gesagt: „Ich bedauere, dass in einem Staat, der sich als Gottesstaat bezeichnet, Taten ausgeübt werden, die mit Gott nichts zu tun haben.“

Folter gegen politische Gefangene

Zwei Jahre später hat sich die menschenrechtliche Situation im Iran offensichtlich immer noch nicht zum Besseren gewandelt. Im Gegenteil: Schon nach den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni 2009 hatte der reformorientierte Kandidat und schiitische Geistliche Mehdi Karoubi offen Folter und Vergewaltigung in den iranischen Haftanstalten beklagt, denen auch inhaftierte Protestierer gegen die mutmaßlichen Wahlfälschungen zum Opfer gefallen sein sollen. Karoubi war deswegen von Stellen des Regimes massiv bedroht und unter Hausarrest gestellt worden.

Nun sind im Iran Briefe veröffentlicht worden, die die Vergewaltigungen und Folterfälle laut anprangern: Auf der Webseite Kaleme, vom Oppositionsführer und Haupt der „grünen Bewegung“, Mir Hossein Mousawi, wurde ein aus dem Rajajeshahr-Gefängnis geschmuggelter Brief des dort nach den Wahlprotesten 2009 inhaftierten Mitgliedes der reformorientierten Partei „Iranische Beteiligungsfront“, Mehdi Mahmoudian, veröffentlicht. Mahmoudian schreibt: „In verschiedenen Zellen des Gefängnisses ist Vergewaltigung eine übliche und akzeptierte Praxis.“ Mahmoudian, der nach der Veröffentlichung seines Briefes in Einzelhaft genommen wurde, beschreibt beispielhaft den grausamen Fall eines jungen Häftlings, der in einer Nacht siebenmal vergewaltigt worden sein soll.

Inzwischen haben sich 26, nach den Wahlprotesten ebenfalls inhaftierte politische Akteure, unter ihnen der ehemalige stellvertretende Außenminister Mohsen Mirdamadi, in einem Brief an die Gefängnisaufsichtsbehörde gewandt und die sexuellen Übergriffe in den Gefängnissen durch Wach- und Verhörpersonal beklagt.

Auch die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International hat zahlreiche Fälle von Vergewaltigungen von Männern und Frauen durch die iranischen Sicherheitskräfte dokumentiert. Nach Aussagen von AI wurden viele der nach den Wahlprotesten Verhafteten gefoltert und erhielten keine fairen Prozesse. „Bis heute bestrafen und verfolgen die iranischen Behörden auch diejenigen Bürger, die sich friedlich gegen das Regime stellen“, so AI.

Der arabische Frühling und die iranische Reformperspektive

Der arabische Frühling wird auch im Iran als „Revolution für die Würde des Menschen“ gesehen, doch noch versucht das Regime den iranischen Bürgern mit Gewalt diese Würde, in Form der elementarsten Menschenrechte, vorzuenthalten. Dass dieser doppelte Standard von den Iranern noch lange hingenommen werden wird, erscheint angesichts der Dynamik des Wandels im Nahen Osten mehr als fraglich. Die Parlamentswahlen im Jahr 2012 und die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2013 bieten daher die Hoffnung auf einen friedlichen Wechsel zu demokratischen und rechtsstaatlichen Reformen im Iran, sollte das Regime die Wahlbeteiligung von Reformkräften nicht massiv behindern, wie dies in der Vergangenheit regelmäßig durch den Wächterrat geschehen ist.

Doch diese Reformen sind für den Iran das einzige Mittel, um den anhaltenden und seit 2009 verstärkten und teilweise sogar von Teilen des Regimes bewusst forcierten, politisch bedingten Exodus wichtiger Vertreter der geistigen, politischen und wirtschaftlichen Elite zu stoppen.

Der persische Dichter und Mystiker Abdur Rahman Dschami hat den passenden Vers für diese Lage und diese Zeit bereits im 15. Jahrhundert in seinem Diwan geschmiedet:

„Hier ist Geselle Kummer, Bruder Gram, Genosse Schmerz;

Wo bist du denn? Beisammen sind alle deine Freunde, Herz.“

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Berlin Deutschland