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III. Die Überwindung der europäischen Krise und der Teilung Europas
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Als die Europäische Integration bis zum Beginn der 1980er Jahre kaum noch Fortschritte erzielte und in eine tiefe Krise geraten war, sprach man von der Europamüdigkeit als einer „Eurosklerose”. Erst das Zusammentreffen von Politikern mit ausgeprägter europäischer Gesinnung in den 1980er Jahren führte wieder zu einer Vertiefung der Zusammenarbeit. Dazu zählte, dass der Franzose Jacques Delors den Vorsitz der Europäischen Kommission übernahm; neue Impulse kamen aber vor allem auch durch Helmut Kohl, der 1982 deutscher Bundeskanzler wurde und mit dem französischen Präsidenten François Mitterrand den deutsch-französischen Motor wieder in Gang brachte. Der Europäer Kohl verkörperte die Ziele der Europapartei CDU, die z.B. in ihrem Aufruf zur zweiten Direktwahl des Europäischen Parlaments 1984 die Umwandlung der EG in einen Bundessstaat, die Verabschiedung einer Europäischen Verfassung, die Schaffung einer einheitlichen europäischen Außenpolitik, die Abschaffung der Grenzkontrollen innerhalb der EG, die Harmonisierung von Steuern oder die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion als ihre ehrgeizigen euroapolitischen Ziele benannte. Erst in ihrem 1994 verabschiedeten Grundsatzprogramm „Freiheit in Verantwortung” verabschiedete sich die CDU vom Ziel eines europäischen Bundesstaates. Dennoch strebt die Partei die Vollendung einer Politischen Union an. Diese hochgesteckten Ziele verfolgte Kohl in seiner Regierungspolitik mit großem europapolitischen Einsatz, für den er schließlich von den Staats- und Regierungschefs der EU im Jahr 1998mit dem – nach Jean Monnet erst zum zweiten mal verliehenen – Titel des „Ehrenbürgers Europas” geehrt wurde. Kohl schaffte es insbesondere, die deutsch-französische Freundschaft nicht nur auszubauen, sondern auch als Grundlage und Motor der europäischen Einigung zu revitalisieren.
Obwohl die deutsch-italienische Genscher-Colombo-Initiative 1982 und der Entwurf für eine Europäische Verfassung, den das Europäische Parlament 1984 verabschiedete, noch nicht von Erfolg gekrönt waren, zeugten sie doch von einem neuen europäischen Aufbruch. 1986 wurde mit der „Einheitlichen Europäischen Akte” schließlich der Durchbruch erzielt, als sich die Mitgliedstaaten der EG auf eine Revision der Gemeinschaftsverträge einigten. Kommissionspräsident Delors wurde zu einem weiteren Motor, der mit dem „Delors-Paket” eine Reform des Finanzierungssystems, der Gemeinsamen Agrarpolitik und eine Aufstockung des Strukturfonds initiierte sowie darüber hinaus einen Drei-Stufen-Plan zur Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion vorlegte.
In diesen Aufschwung der europäischen Integration hinein fiel die friedliche Revolution in Mittel- und Osteuropa, die den Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen mit sich brachte. Als sich im Zuge dessen auch die Möglichkeit einer Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands abzeichnete, verhielten sich einige europäische Partner zunächst reserviert oder gar ablehnend. Die Angst, das wiedervereinigte Deutschland könne sich von der europäischen Integration abwenden, erwies sich allerdings als unberechtigt. Nicht nur Kohl wusste um die Bedeutung der kontinentalen Einigung für Deutschland als „Zentralmacht Europas”. Die Bundesrepublik hatte nicht nur in der Zeit des Kalten Kriegs durch Stabilität, Sicherheit und Frieden, sondern auch durch wirtschaftliche Prosperität von der Integration profitiert. Die deutsche Politik nach 1989 hat aber rasch herausgestellt, dass dieses Interesse Deutschlands an einer europäischen Einigung dauerhaft ist. Nicht zuletzt profitiert Deutschland auch heute politisch und wirtschaftlich enorm von der Verflechtung mit seinen europäischen Partnern, insbesondere auch mit den neu hinzugekommenen EU-Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa. Kohl stellte mit dem Schlagwort der „zwei Seiten derselben Medaille” von Anfang an die gegenseitige Bedingung von deutscher Einheit und europäischer Einigung heraus. In seinem Zehn-Punkte-Programm vom Dezember 1989 führte Kohl vor dem Deutsche Bundestag aus: „Den Prozess der Wiedergewinnung der deutschen Einheit verstehen wir immer auch als europäisches Anliegen. Er muss deshalb auch im Zusammenhang mit der europäischen Integration gesehen werden. (...) Die Verknüpfung der deutschen Frage mit der gesamteuropäischen Entwicklung und den West-Ost-Beziehungen (...) ermöglicht eine organische Entwicklung, die den Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt und - dies ist unser Ziel – einer friedlichen und freiheitlichen Entwicklung in Europa den Weg bahnt.” Die Maxime des Zusammenhangs von deutscher Einheit und der weiteren Integration beherzigte Kohl auch in der nachfolgenden Regierungskonferenz, so dass die deutsche Einheit im Zuge der wieder in Schwung gekommenen Integration Europas als zusätzlicher Katalysator wirkte, der zu den großen Einigungsfortschritten des Maastrichter Vertrages beitrug.
- Der Maastrichter Vertrag vom 7. Februar 1992
Sowohl die Gründung der EU als auch die Wirtschafts- und Währungsunion waren nicht nur Meilensteine, sondern geradezu ein Quantensprung in der Entwicklung der Europäischen Integration. So enorm dieser lang ersehnte Schritt des Maastrichter Vertrages auch war, genauso umstritten blieb er: In Dänemark scheiterte die Ratifikation des Vertrages zunächst in einer Volksabstimmung; erst nachdem man den Dänen das Recht eingeräumt hatte, an verschiedenen Schritten wie der Währungsunion nicht teilnehmen zu müssen, stimmte das Land in einem zweiten Referendum zu. Auch in Deutschland kam es zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, so dass sich das Inkrafttreten des Vertrages vom geplanten Datum des Jahresbeginns 1993 auf den 1. November 1993 verzögerte. Gleichzeitig wurde im Maastrichter Vertrag aber auch festgelegt, in wenigen Jahren den Reformbedarf der EU neu zu prüfen. Maastricht wurde so zum Ausgangspunkt eines Reformmarathons an den Europäischen Verträgen in den 1990er Jahren.
- Über Amsterdam (1997) nach Nizza (2000)