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Eine Heilige Union

von Benno Müchler

Die DR Kongo vor neuen Mehrheitsverhältnissen

Nach zwei Jahren des Versuchs einer Koalition zwischen dem neuen und alten Präsidenten ist das Projekt vorbei. Präsident Tshisekedi steht davor, die Mehrheitsverhältnisse zu seinen Gunsten zu ändern. Ob der Kongo damit tatsächlich in eine tiefere Phase der Transition einsteigt, muss sich erst noch zeigen.

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Er war einer der ersten in der Reihe der politischen Schwergewichte des Ancien Régime, der Joseph Kabila 2019 den Rücken kehrte. Jetzt, eineinhalb Jahre später, steht der frühere Wirtschaftsminister Modeste Bahati Lukwebo wieder im Mittelpunkt der politischen Geschehnisse in der Demokratischen Republik Kongo und ist beauftragt, eine neue Parlamentsmehrheit zu finden. Modeste Bahati Lukwebo ist Senator und Parteivorsitzender der Allianz der Demokratischen Kräfte des Kongo (AFDC) – die zweitstärkste Kraft der Parteienallianz um den früheren Staatspräsidenten Kabila. Er hatte mit Kabila 2019 gebrochen, weil er Senatspräsident hatte werden wollen. Doch Kabila überging ihn und setzte einen anderen Kandidaten durch, Alexis Thambwe Mwamba.

Staatspräsident der DR Kongo wurde 2019 bekanntlich Félix Antoine Tshisekedi, Kandidat der oppositionellen, sozialdemokratischen Einheit für Demokratie und Sozialen Fortschritt (UDPS). Kabila trat auf Druck der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft nicht mehr als Präsidentschaftskandidat an, hielt aber als Vorsitzender der Parteienallianz Gemeinsame Front für den Kongo (FCC) weiter die Fäden in der Hand und gewann mit der FCC bei den insgesamt stark umstrittenen nationalen Wahlen die absolute Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Ohne Mehrheit im Parlament war der neu gewählte Präsident Tshisekedi gezwungen, mit der Mehrheitsfraktion seines Vorgängers Kabila eine Koalition einzugehen.

Das Koalitionsarrangement, dessen Inhalt der Öffentlichkeit bis heute nicht bekannt ist, ließ Tshisekedi jedoch äußerst wenig Spielraum. Er versuchte, durch das Auswechseln führender Köpfe im Sicherheitsapparat und in anderen Institutionen, an Einfluss zu gewinnen. Während er an der wichtigsten Neubesetzung scheiterte – dem Präsidenten der nationalen Wahlkommission – konnte er geschickt drei neue Richter am Verfassungsgericht ernennen und damit den Einfluss Kabilas an dieser neunköpfigen Institution mindern.

Kabila und der FCC betrachteten die Richterernennung jedoch als Verletzung sowohl der Verfassung als auch des Koalitionsvertrages. Tshisekedi hatte die Richter per Anordnung durchgesetzt, ohne den Koalitionspartner vorher zu konsultieren. Die Ernennung der Richter unterschrieb ferner nicht der Premierminister – ein Anhänger Kabilas –, weil er zu diesem Zeitpunkt verhindert war, sondern der stellvertretende Premierminister – ein Anhänger Tshisekedis. Demonstrativ blieben, bis auf vier, alle der 338 Abgeordneten des FCC der Vereidigungszeremonie der Richter fern. In dieser Lage, als die Fronten extrem verhärtet schienen, trat Tshisekedi am 23. Oktober 2020 überraschend vor die Fernsehkameras und verkündete das Ende der Koalition und die Suche nach einer neuen, einer „Heiligen Union“ (union sacrée). Mehrere Wochen führte er Konsultationen, um Unterstützer zu finden, mit Erfolg. Kurz vor der parlamentarischen Weihnachtspause enthob eine Mehrheit der Abgeordneten die Präsidentin der Nationalversammlung, Jeanine Mabunda, ihres Amtes. Sie gilt als enge Kabila-Vertraute. Ein Paukenschlag.

Als nächstes beauftragte Tshisekedi den zuvor als Senatspräsidenten übergangenen Kandidaten Senator Modeste Bahati Lukwebo mit der Bildung einer neuen Parlamentsmehrheit. Dass die sich an diesem politischen Machtspiel beteiligenden früheren Kabila-Anhänger für ihren Seitenwechsel Posten erwarten, gilt als ausgemacht. Unter den Unterstützern sind auch der frühere Präsidentschaftskandidat Jean-Pierre Bemba und Moise Katumbi, ehemals Gouverneur der Provinz Katanga, der 2018 selbst als Präsidentschaftskandidat hatte antreten wollen, jedoch von Kabila nicht zugelassen wurde. Oppositionsvertreter Martin Fayulu, der Angaben von Wahlbeobachtern zufolge, als eigentlicher Gewinner der Präsidentschaftswahl 2018 gilt, lehnte jegliche Unterstützung der „Heiligen Union“ ab.

Fraglich ist, ob die neue Einheit von Dauer ist und ihre selbstbewussten Mitglieder eigene Interessen hinter die des Landes zurückstellen werden. Die jüngere Vergangenheit der schnelllebigen kongolesischen Politik steht bislang für das Gegenteil.

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Benno Müchler

Benno Müchler

Leiter des Auslandsbüros Äthiopien / Afrikanische Union

benno.muechler@kas.de

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