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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Länderberichte mal anders

Zugang von Menschen mit Behinderungen zum Bildungswesen in der Türkei

von Arzu Yüzgeç

Inklusion weltweit – aktueller Stand aus der Türkei

Diese Kurzusammenfassung wurde unter Verwendung der uns verfügbaren Literatur und Berichte erstellt, um eine allgemeinen Eindruck des Zugangs von Menschen mit Behinderungen zum Bildungswesen in der Türkei zu geben.

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Konzeptioneller Rahmen

Es ist wichtig, eine allgemeine Definition der grundlegenden Begriffe zu geben, die in dieser erläuternden Zusammenfassung verwendet werden, um die Klarheit und Genauigkeit des Gesagten zu gewährleisten. An dieser Stelle bedeutet der Ausdruck "Einzelperson/Kind mit einer Behinderung" gemäß dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen eine oder mehrere langfristige körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen einer Person/eines Kindes mit einer Behinderung. "Einzelperson/Kind mit besonderen Bedürfnissen" schließt Einzelpersonen/Kinder mit Behinderungen ein. Dieser Begriff schließt neben Lernschwierigkeiten u.a. auch unsichtbare Behinderungsgruppen und begabte Personen ein. Die Bildung von Kindern mit Behinderungen wird in der Türkei im Rahmen der Sonderpädagogik behandelt. Die Gesetzgebung und die Praxis werden durch den Begriff "Personen mit sonderpädagogischem Förderbedarf" definiert. Daher wird in diesem Papier, wenn von sonderpädagogischen Diensten im Kontext des türkischen Bildungssystems die Rede ist, der umfassendere Ausdruck "Individuum/Kind mit besonderen Bedürfnissen" verwendet.


Allgemeine Informationen

Das Recht auf Bildung ist ein Grundrecht, das allen Menschen zusteht und durch nationale und internationale Rechtsvorschriften garantiert wird. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948), dass Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1989), die Europäische Sozialcharta der Vereinten Nationen (1961; 1996) und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2006) betonen die Notwendigkeit, das Recht auf Bildung für alle Kinder unabhängig von Geschlecht, Sprache, Religion und Rasse sicherzustellen. Trotz all dieser bestehenden gesetzlichen Regelungen ist jedoch bekannt, dass Kinder mit Behinderungen, insbesondere solche unter 18 Jahren, nicht in vollem Umfang von ihrem Recht auf Bildung profitieren können und Probleme beim Zugang zu hochwertiger Bildung haben.

In der Türkei ist zwar die notwendige gesetzliche Infrastruktur vorhanden, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu garantieren. Dennoch ist die volle und effektive Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben nicht gewährleistet und hat nicht das gewünschte Niveau erreicht. Wie bereits erwähnt, wird diese Situation deutlich, wenn man die Bildungsrechte von Kindern mit Behinderungen und ihren Zugang zu Bildungsstatistiken betrachtet. Der Mangel an aufgeschlüsselten und aktuellen Daten über die behinderte Bevölkerung in der Türkei ist ein grundlegendes Problem.


Aktuelle Statistiken in der Türkei besagen folgendes:

  • nach den Ergebnissen der Bevölkerungs- und Wohnraumerhebung liegt der Anteil der Bevölkerung mit min. einer Behinderung (ab 3 Jahren) bei 6,9% (4.876.000 Personen: Männer 5,9%, Frauen 7,9%). Es ist zu beobachten, dass der Anteil der Bevölkerung mit min. einer Behinderung mit zunehmender Altersgruppe tendenziell steigt.
  • ab der Altersgruppe 35-39 Jahre ist der Anteil der Frauen mit min. einer Behinderung höher als der der Männer.
  • von den 90.131 behinderten Personen, die in der Türkei beschäftigt sind, arbeiten 12.223 im öffentlichen Sektor und 77.908 im privaten Sektor.

Die politischen Maßnahmen, die die Türkei insbesondere in den letzten zehn Jahren ergriffen hat, um Menschen mit Behinderungen eine umfassende und wirksame Teilhabe am Bildungsleben zu ermöglichen, wurden in einem umfassenden Rahmen berücksichtigt, aber es ist angebracht, an dieser Stelle zu sagen, dass sie nicht vollständig umgesetzt worden sind. Im Rahmen der Gesetzgebung zur Sonderpädagogik wurden zwar Standards festgelegt, wenn man jedoch die Anwendungen betrachtet, sieht man immer noch Probleme auf diesem Gebiet. Dies deutet darauf hin, dass die Standards in Zusammenarbeit mit Experten, Praktikern, Familien und Nichtregierungsorganisationen intensiver strukturiert werden sollten.

 

Zur rechtlichen Dimension und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Türkei

In vielen internationalen Übereinkommen, denen die Türkei beigetreten ist, wird die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen verboten und das Recht auf Bildung für Kinder mit Behinderungen garantiert. Menschen/Kinder mit Behinderungen in integrierter Umgebung müssen unterrichtet werden, um ihr Recht auf Bildung wahrnehmen zu können. Es wurde festgestellt, dass Bildung in getrennten Umgebungen nur unter Berücksichtigung des Nutzens für den Einzelnen/das Kind beantragt werden kann. Die internationale Gesetzgebung verpflichtet die Staaten, den Unterricht sowohl in integrierter als auch in segregierter Umgebung mit einem inklusiven Ansatz zu organisieren, um den Bedürfnissen von Kindern mit Behinderungen gerecht zu werden. Die Türkei unterzeichnete im Jahr 2000 den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und ratifizierte ihn im Jahr 2003. Darüber hinaus hat die Türkei 1989 die Europäische Sozialcharta und 2007 die revidierte Europäische Sozialcharta ratifiziert.

Was die nationale Gesetzgebung betrifft, so kann festgestellt werden, dass sie umfassende Bestimmungen über das Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderungen enthält. Zunächst einmal gibt die Verfassung einen Rahmen vor, der das Recht auf Bildung für alle Menschen garantiert. Gemäß Artikel 42 der Verfassung darf niemandem das Recht auf Bildung und Ausbildung vorenthalten werden, und der Grundschulunterricht ist für alle Bürgerinnen und Bürger obligatorisch und in öffentlichen Schulen kostenlos. Ebenso besagt Artikel 4 des Grundgesetzes für das nationale Bildungswesen, dass die Bildungseinrichtungen allen Menschen offenstehen, unabhängig von Geschlecht, Sprache, Religion, Behinderung oder Rasse. Die Aufnahme des Begriffs "Behinderung" in dem genannten Artikel von 2014 kann als positive Entwicklung betrachtet werden.

Das 2005 verabschiedete Behindertengesetz Nr. 5378 ist das wichtigste Gesetz in der nationalen Gesetzgebung der Türkei, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Detail garantiert. Nach diesem Gesetz dürfen Menschen mit Behinderungen nicht aus irgendeinem Grund am Zugang zu Bildung gehindert werden. Sie haben die Möglichkeit, ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Gleichberechtigung in einem Umfeld, das in ihr Lebensumfeld integriert ist, unter Berücksichtigung ihrer besonderen Situation und ihrer Unterschiede, lebenslange Bildung zu erhalten. In Übereinstimmung mit diesem Gesetz sollte der Staat Pläne aufstellen, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen des allgemeinen Bildungssystems unterrichtet werden; er sollte die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um Menschen mit Behinderungen, die aus verschiedenen Gründen erst spät mit dem formalen Bildungsprogramm begonnen haben, zu integrieren. Das Ministerium für nationale Bildung (MEB) trägt die Verantwortung für die Bereitstellung von Materialien wie Gebärdensprachensystemen, Blindenschrift und Hörbüchern, die die Menschen mit Behinderungen möglicherweise benötigen.

Nach dem türkischen Zivilgesetzbuch Nr. 4721 sind die Eltern für die Erziehung ihrer Kinder sowie für die körperliche, geistige, seelische und soziale Entwicklung derer verantwortlich. Eltern von Kindern mit Behinderungen sollten ihren Kindern "eine ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechende allgemeine und berufliche Bildung" bieten. Nach diesem Artikel ist es den Eltern untersagt, Kinder mit Behinderungen daran zu hindern, ihr Recht auf Bildung in Anspruch zu nehmen.

Artikel 52 des Grundschul-und Bildungsgesetzes Nr. 222 verpflichtet Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder im Rahmen der Schulpflicht Bildungseinrichtungen besuchen. Mit dem 1997 verabschiedeten Gesetzesdekret Nr. 573 über die Sonderpädagogik wurde die Bildung durch Mainstreaming in der nationalen Gesetzgebung umfassend geregelt. Mit der 2006 verabschiedeten und 2012 aktualisierten Verordnung über sonderpädagogische Dienste wurden die Grundsätze des frühzeitigen Beginns der Bildung von Kindern mit Behinderungen und des Vorrangs der integrativen Bildung bekräftigt.

Das 2005 in Kraft getretene Behindertengesetz ist ein wichtiger rechtlicher Schritt zur Sicherung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Destotrotz sind die vorhandenen Gesetze und Verordnungen, die die Erziehungsmethoden für Kinder mit Behinderungen in der Türkei bestimmen, im Lichte der internationalen Dokumente, entwicklungsfähig. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass der Ansatz, der in der nationalen Gesetzgebung den Schwerpunkt auf die Integration legt und wie auch in internationalen Dokumenten definiert ist, zu einer inklusiven und integrativen Bildung wird.

 

Die gesamte Publikation können Sie als pdf herunterladen.

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