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Länderberichte

"Es wird nichts geben, was nicht im öffentlichen Interesse ist"

von Dr. Kristin Wesemann

Der Geschäftsmann Horacio Cartes, Paraguays neuer Präsident, führt die Colorados zurück an die Macht

Mehr als sechs Jahrzehnte hatte die Colorado-Partei Paraguay beherrscht. Dann war sie fünf Jahre weg von der Macht. Jetzt kehrt sie zurück in den Präsidentenpalast – mit einem Mann, der nie Politiker werden wollte. Der Geschäftsmann Horacio Cartes ist der eindeutige Sieger der Präsidentschaftswahl vom 21. April. Er hat große Pläne und verspricht dem Land einen transparenten Regierungsstil. Doch Cartes fehlt es genauso an politischem Stallgeruch wie seinem Vorgänger Fernando Lugo – und der bezahlte dafür am Ende einen hohen Preis: Er wurde abgesetzt.

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Südamerika, der Kontinent, der unendlich reich zu sein scheint an besonderen Politikertypen, hat nun auch noch einen Tabakunternehmer im Präsidentenamt. Horacio Cartes hat am 21. April die Wahl in Paraguay gewonnen und wird im August Hausherr des Palacio de los López werden. Auf seine Besonderheit hatte er schon im Wahlkampf hingewiesen: Er habe noch nie gewählt und sich auch nie für Politik interessiert. Mit Cartes kehrt die Colorado-Partei nach fünf Jahren an die Macht zurück. Bis 2008 hatte sie Paraguay sechs Jahrzehnte regiert. Allein 35 Jahre herrschte der Diktator Alfredo Stroessner.

Wenn in einem südamerikanischen Land ein neues Staatsoberhaupt gewählt wird, ist der Ausnahmezustand die Regel. Es wird kollektiv die Luft angehalten – und das Ausland schaut noch immer ein bisschen besorgt, wenngleich die Zeit für Alleinherrscher erst einmal vorbei ist. Und so war auch das Interesse an der Wahl in Paraguay gewaltig: 1200 Vertreter einheimischer Organisationen und 400 aus Europa und den Vereinigten Staaten hatten sich angekündigt, um Stimmabgaben und Auszählungen zu beobachten. Trotzdem gab es Klagen über Diskriminierung. So beschwerten sich linksgerichtete Parteien, sie würden von konservativen und liberalen Medien nicht beachtet. Ihre Kandidaten fehlten bei den landesweiten Fernsehdebatten – „aus Platzgründen“, wie es offiziell hieß. Immer wieder war auch von heimlichen Parteibündnissen und Stimmenkauf die Rede. Und dann gab noch der Tod des Kandidaten Lino Oviedo Rätsel auf: Der umstrittene Ex-General starb in der Nacht zum 2. Februar bei einem Hubschrauberabsturz. Seine Anhänger vermuten ein politisches Attentat.

Dennoch: Die Beobachtermission der Europäischen Union sprach von einem normalen Wahlverlauf und „totaler Transparenz“.

Jeder der fünf Kandidaten war mindestens mit grauer Weste angetreten, über alle waren Gerüchte im Umlauf: Der Rivale des einen reist angeblich gern auf Kosten eines Energiekonzerns, der Rivale des anderen macht angeblich in Drogenhandel, Schmuggel und Geldwäsche, und der Rivale des einen wie des anderen hat angeblich beste Kontakte zur Mafia. Es lässt sich nicht ansatzweise klären, was An-Dichtung und was Wahrheit ist. Klar ist freilich: In einem Land wie Paraguay taugt ein Anforderungsprofil für Politiker nur bedingt

Erdrutschsieg der konservativen Roten

Der neue starke Mann, Horacio Cartes, bringt nicht nur die Colorados wieder ins wichtigste Staatsamt. Er hat die Partei auch zu einem eindeutigen Sieg in den weiteren Wahlen geführt. Denn am 21. April standen auch der Vizepräsident, 45 Senatoren,

18 Mercosur-Abgeordnete, 80 Abgeordnete, 17 Gouverneure und 17 Provinzversammlungen zur Wahl. Die Wahlbeteiligung lag bei 68 Prozent. Die „Roten“, wie die Colorados auch genannt werden, erreichten einen Erdrutschsieg. Während die Ergebnisse der Provinzen noch nicht feststehen, war die neue politische Farbwahl auf nationaler Ebene schon um 20 Uhr bekannt. Im neuen Senat gehören den Colorados 19 der 45 Sitze, im Abgeordnetenhaus sogar 47 von 80.

Doch ohne die Liberalen, Paraguays „Blaue“ wird es nicht gehen – vor allem im oft eigensinnigen Senat. Dort sind die Colorados zwar die stärkste Kraft, könnten aber von den zwölf Liberalen ausgebremst werden, wenn diese sich mit den Kollegen der kleineren Parteien einig sind. Zusammen hätten sie dann die Mehrheit. Wohl auch deshalb hat Cartes bereits sehr versöhnliche Töne in Richtung Opposition angeschlagen.

Die einst so hoffnungsvolle Partei Patria Querida hatte das Nachsehen. Nicht einmal einen Sitz im Senat wird sie besetzen. Ihr Präsidentschaftskandidat Miguel Carrizosa erhielt nur 1,13 Prozent der Stimmen. Patria Querida hatte sich erst 2002 als Kraft der Mitte gegründet und war angetreten, die Werte des christlichen Humanismus in der Politik zu verankern. Schon ein Jahr später erreichte ihr Präsidentschaftskandidat mehr als 21 Prozent. Nun blieb man noch einmal unter den mageren

2,37 Prozent von 2008. Parteichef Sebastián Acha gab sich selbstkritisch. Man müsse nun „absolut alles“ in der Partei neu „entwerfen“ und von vorn beginnen.

Wahlergebnisse

Die Colorados sind nicht nur zahlenmäßig zurück an der Macht. Cartes hat die Partei geeint und ihren jahrzehntelang gut funktionierenden, zuletzt aber eingerosteten Maschinenraum wieder flottgemacht. Er ließ gewissermaßen alles neu anstreichen, um die Schäden der Vergangenheit zu verdecken.

So versprach er den Wählern, die neuen Colorados hätten nichts mehr mit der alten Staatspartei gemein: Korruption und Klientelismus habe man abgeschafft. Allerdings: Noch heute gehört fast jeder zweite erwachsene Paraguayer dieser Partei an. Damit ist die Zahl der Mitglieder verglichen mit den Zeiten der Diktatur (75 Prozent) zwar erheblich geschrumpft, aber nach wie vor sehr beachtlich. Allein in der Hauptstadt Asunción sollen acht von zehn Mitarbeitern im öffentlichen Dienst das Parteibuch der Colorados haben.

Die Absetzung des „roten Bischofs“

Die Vorgeschichte der Rückkehr zur Macht dauerte nur fünf Jahre und endete mit der Absetzung des Mannes, der den politischen Wechsel hatte verkörpern wollen. Kritiker sprechen vom „perfekten Putsch“ , der Präsident Fernando Lugo das Amt gekostet habe. Befürworter erklären die Absetzung als legitim und verfassungskonform. Und auch Lugo selbst stimmte letztlich zu: „im Namen des Friedens.“ Paraguay, umschlossen von Brasilien, Argentinien und Bolivien, ist ein Ort gewaltiger Ungleichheit. Ein Prozent der 6,5 Millionen Paraguayer besitzt 77 Prozent des Bodens. Lugo war 2008 angetreten, das zu ändern. Die Bilanz des „roten Bischofs“ und „Kämpfers für die landlosen Bauern“ ist freilich dürftig. Keine bedeutende Reform hat er angepackt. Fehlten dem Mann, der wie der neue Präsident Cartes nie Politiker hatte werden wollen, die Jahre im Stahlbad? Angetreten war er 2008 als Kandidat eines ebenso breiten wie zerbrechlichen Zweckbündnisses aus Oppositionsparteien und Gewerkschaften. Die Patriotische Allianz für den Wechsel (Alianza Patriótica para el Cambio – APC) beendete vorerst die Regierung der Colorados.

Lugo übernahm ein Land, das Konfliktforscher als eine Krisenregion beschreiben, in der mindestens eine Partei gelegentlich Gewalt anwende, um sich durchzusetzen und an der Macht zu bleiben. Von dem Politikneuling erwartete das Land Großes: eine umfassende Agrarreform und die versprochenen Umverteilungen, den Umbau des Energiesektors und mehr Geld für Bildung. Er selbst hatte ja von „skandalösen Umständen“ gesprochen und der Armut den Kampf angesagt. Doch Lugo fehlte die Macht, um sich durchzusetzen. Er hatte keine eigene Parteibasis, und sein Bündnis war gegenüber den noch immer starken Colorados zu schwach. Es bröckelte schon kurz nach der Wahl.

Der Liberale Fernando Franco (Partido Liberal Radical Auténtico – PRLT) war auf Lugos Ticket Vizepräsident geworden – und distanzierte sich schnell von Plänen des „Kämpfers für die landlosen Bauern“. Doch Lugo, der als Bischof oft moralisch argumentiert hatte, verlor auch seine Glaubwürdigkeit. Zweimal in drei Jahren musste er eine Vaterschaft zugeben. Als er sich 2010 wegen seiner Krebserkrankung einer Chemotherapie unterzog, drängten Kritiker auf einen Rücktritt. Lugo blieb zwar zunächst im Amt, aber nur noch als schwacher Präsident, der keine Umverteilungserfolge nachweisen konnte und in Umfragen 60 Prozent seines Volkes gegen sich hatte.

Und es rächte sich, dass er keine Hausmacht hatte. So waren es ausgerechnet unzufriedene Bauern, die seinen Sturz einleiteten, als sie das riesige Landgut eines Unternehmers und ehemaligen Anhängers des Stroessner-Regimes besetzten. Als die Polizei zur Räumung angerückt sei, hätten sie sofort geschossen, hieß es später. 17 Landbesetzer und Polizisten starben. Das Parlament gab dem Präsidenten die Schuld, weil er die Probleme des Landes nicht gelöst habe. Der Senat stimmte nur fünf Tage nach den Vorfällen mit 39 zu vier Stimmen für die Absetzung wegen schlechter Amtsführung.

Lugo bekam nur 24 Stunden, wurde vom Votum überrascht und war bei der Verkündung nicht einmal anwesend. Noch am selben Abend wurde sein Vizepräsident Franco vor dem Parlament vereidigt. Nach 1524 Tagen endete seine Amtszeit am 22. Juli 2012. Politisch ist der ewige Nichtpolitiker übrigens nach wie vor aktiv. Bei der Wahl am 21. April gewann er für die Frente Guasu (Große Front) einen Sitz im Senat.

Bei den Nachbarn war der Aufschrei gewaltig. „Nicht hinnehmbar“ sei dieser „Staatsstreich“, sagte Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner. Evo Morales, ihr Kollege in Bolivien, sprach von einem „parlamentarischen Putsch“. Ecuadors Präsident Rafael Correa und Venezuelas Präsident Hugo Chávez verkündeten, sie würden keinen anderen Staatschef anerkennen. Die Vorgänge seien „illegitim“. Man rief also empört „Skandal“, um gleich ein neuen Skandal zu bringen, über den sich auch wieder empört wurde. Paraguay wurde am 29. Juni 2012 als Mercosur-Mitglied suspendiert. Damit fehlte dem „Markt des Südens“ nun die Stimme, die sich stets vehement gegen die Aufnahme Venezuelas gesperrt hatte – begründet mit Zweifeln an der Qualität der venezolanischen Demokratie.

Mercosur: Weg frei für Venezuela

Nur einen Monat später trafen sich die Staatsoberhäupter Argentiniens, Brasiliens und Uruguays zu einem Sondergipfel in Brasilia, um Venezuela im Schnellverfahren aufzunehmen. Unumstritten war das Ölreich aus dem Norden auch in höchsten Kreisen nicht. So sprach Uruguays Vizepräsident von einer „schwere institutionellen Wunde“ für den Mercosur, wurde aber sogleich von seinem Chef Jóse Mujica scharf kritisiert. Staatschef Hugo Chávez hatte seinen Triumph und bejubelte eine Niederlage des „Yankee-Imperiums“. Paraguays Ex-Präsident Lugo hatte sich zwar für Venezuela eingesetzt, war aber an den Colorados gescheitert. „Franco hat in drei Tagen geschafft, was mir in fast vier Jahren nicht gelungen ist“, sagte er.

Die erste Woche nach dem Wahlsieg

Nach der Präsidentschaftswahl dürfte der Wiederaufnahme Paraguays in den Mercosur offiziell nichts im Wege stehen. Konflikte sind jedoch vorprogrammiert. Denn der neue erste Mann im Staate hat kaum Sympathien für Venezuela. Seine Vorbilder sind Chile (zwei Chilenen, ein Kampagnenmanager und ein Ökonom, sind seit dem Wahlkampf seine wichtigsten Berater), Kolumbien und Brasilien. Seine Vorbilder sind ausdrücklich nicht: Venezuela, Bolivien und Argentinien.

Schon im Wahlkampf war über Cartes’ Vorleben außerhalb der Politik reichlich spekuliert worden – selbst seriöse Zeitungen beteiligten sich am Gemunkel über den Mann mit dem Unehrentitel „Tabakbaron“. Die Neue Zürcher Zeitung nennt den neuen Präsidenten „eine schillernde Figur“. Bekannt und belegt ist: Cartes hat als Zigarettenfabrikant sein Geschäftsmodell begonnen und aus einer Wechselstube heraus die Amambay Bank gegründet. Überdies gehören der Grupo Cartes mehrere Landwirtschaftsunternehmen.

Cartes setzt, wie das in Südamerika üblich ist, auf die Verbindung von Fußball und Politik und ist seit 2001 Präsident von Club Libertad. Der Hauptstadtverein gewinnt zwar regelmäßig die paraguayische Meisterschaft, ist aber international eher eine kleine Nummer. Der größte Erfolg war 2006 der Halbfinaleinzug in der Copa Libertadores, der südamerikanischen Champions League.

Wird Cartes auf unsaubere Geschäftspraktiken angesprochen, antwortet er eher defensiv. Zum einen, sagte er im Wahlkampf, sei er trotz zahlreicher Verfahren nie verurteilt worden, zum anderen würde er „wohl nicht versuchen Präsident zu werden, wenn er Verbindungen zu Drogenhändlern hätte“. Auch sein politisches Wirken ist umstritten. Zwar räumen auch seine Kritiker ein, dass er die einst allmächtige Colorado-Partei in wenigen Jahren rehabilitiert habe – aber eben nicht grundlegend verändert.

Zwar führt seit September 2008 Lilian Samaniego die Partei, eine Frau, die als integer und anpackend zugleich beschrieben wird. Doch Cartes hat sich in den drei Jahren seines Aufstiegs auch mit vielen früheren Mächtigen der Partei umgeben, deren Hilfe er brauchte, um als Politikneuling Artikel 110 des Parteistatuts zu ändern.

Der schrieb vor, dass für die Colorados nur als Präsident kandidieren dürfe, wer mindestens zehn Jahre Parteimitglied gewesen sei und auch Funktionen ausgeübt habe. Cartes war jedoch erst am 23. September 2009 formal ein Colorado geworden – und hatte ein Jahr später und eher heimlich eine eigene Machtbasis in der Partei gegründet: die Bewegung Honor Colorado (Bewegung Ehre der Colorados). Er umgab sich vor allem mit neugewählten Senatoren und Gouverneuren.

Nach ihrer Abwahl 2008 war es der Partei zunehmend schwer gefallen, Einigkeit und Entschlossenheit zu demonstrieren. Plötzlich gab es keine Regierungsämter mehr, um innerparteiliche Gefechte zu befrieden und Krieger einzufangen. Cartes’ Leute warfen „einigen Mitgliedern“ Sektiererei und Egoismus vor. Um dem ein Ende zu machen und aus der Partei wieder eine Einheit zu formen, habe sich die Bewegung Honor Colorado gegründet, heißt es in der Selbstbeschreibung. Schon zwei Jahre später hatte sie zwei wichtige Erfolge errungen: Zunächst war gegen erbitterten Widerstand der „Jungen Colorados“ und der traditionellen Parteiführer um Ex-Präsident Nicanor Duarte Frutos das Statut geändert worden. Anschließend wechselten die kritischsten Köpfe – Nicanor Duarte ebenso wie die Parteivorsitzende Samaniego – die Seiten und schlossen sich Cartes an.

Späte Treueschwüre des Kandidaten

Er, der Neuling, krempelte Schritt für Schritt die Partei um, verlangte ihr, zumindest den Worten nach, erst Demokratie, Modernität und Regierungsfähigkeit ab, besiegte in den Vorwahlen die Gegner, ließ sich als ihr Präsidentschaftskandidat aufstellen und schwor der Partei erst dann deutlich die Treue. Die versammelte sich hinter ihm und übertrug auch der Honor Colorado die Federführung im Wahlkampf.

Juan Afara, Gouverneur der Süd-Provinz Itapua nahe der argentinischen Grenze, hatte von Anfang an der neuen Bewegung angehört. Im Februar 2012 bot ihm Cartes die Vizepräsidentschaft im Falle eines Wahlsieges an. Parteichefin Samaniego war aus dem Spiel und musste erkennen, dass sie ihre Position nur behalten würde, wenn sie den Kandidaten unterstützen würde.

Von Dauer muss die Loyalität nicht sein. Cartes war, ist und bleibt bis auf Weiteres ein Fremdkörper der Colorados. Wie allen Politikanfängern und Seiteneinsteigern fehlt ihm das, woran Traditionalisten, Altgediente und selbst einfache, aber langjährige Mitglieder einander in der Partei erkennen: der Stallgeruch. Cartes bleibt der Emporkömmling, der nach Zigaretten riecht. Absprachen und große Treueschwüre haben in solchen politischen Beziehungen oft ein kurzes Haltbarkeitsdatum, einerseits. Andererseits hat Cartes die Wahl mit 46 Prozent triumphal ge wonnen und alle, die mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen rechneten, erst einmal verstummen lassen. Sein stärkster Konkurrent, der Liberale Efraín Alegre, lag am Ende neun Prozentpunkte zurück. Cartes braucht die Partei – aber die Partei braucht ihn noch mehr, zumindest so lange er weiter strahlt. Freilich: Auch Lugo hatte als gefeierter Held begonnen.

Sportliche Kabinettsbildung

Dass er darum weiß, zeigt sich jetzt, kurz nach der Wahl. Er macht feurige Liebeserklärungen und nennt die Partei „die schönste und großartigste der Welt“. Und er macht seinen Erfolg zu ihrem. Man habe nicht einfach nur die Wahl gewonnen, sagte er seinen Anhängern gleich bei der Ankunft in der Parteizentrale, vielmehr seien die Colorados – wenn auch „verbindlich erneuert“ – zurückgekehrt. Nun dürfe es keinen „Fanatismus“ und keine „Sektiererei“ mehr geben – eine Warnung an die früheren Parteieliten, die zu Soldaten geworden sind.

Cartes scheint vorzubauen, auch, weil er ein riskantes Spiel spielt. Er hat die Nominierung einer „Nationalmannschaft“ angekündigt, um sich auf die Regierungsübernahme am 15. August 2013 vorzubereiten. Zur Verwunderung der Parteifreunde hat er dafür bislang weder Abgeordnete noch Senatoren der Colorados vorgesehen. Und er versucht nicht einmal, seine Entscheidung zu begründen, er wirbt nicht um Verständnis bei den Enttäuschten, er verkündet bloß: „Der Abgeordnete bleibt Abgeordneter; der Senator Senator.“

Im Wahlkampf hatte Cartes immer wieder betont, dass er nicht des Geldes wegen in die Politik gehe, davon habe er genug. Nun hat er

angekündigt, es dem uruguayischen Präsidenten José Mujica gleichzutun und sein Gehalt wohltätigen Zwecken zu spenden. Außerdem sei Transparenz das oberste Gebot der neuen Regierung. Tatsächlich könnte Cartes der richtige Mann zur richtigen Zeit sein. Denn die politische, soziale und die wirtschaftliche Entwicklung Paraguays ist in den vergangenen Jahren entgegengesetzt verlaufen. Das Land gehört zu den schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Lateinamerika, allein 13 Prozent sollen es in diesem Jahr sein. Doch es wachsen vor allem die Exporte von Soja und Mais, das Geld gelangt traditionell in wenige Taschen, und in der zum großen Teil technisierten Landwirtschaft gibt es ohnehin wenige Arbeitsplätze. Bei den Sozialausgaben sind die Regierungen – auch mangels solider Steuereinnahmen – noch nie spendabel gewesen. Erst seit diesem Jahr gibt es überhaupt eine Einkommenssteuer: Zehn Prozent für alle, aber jede Menge Schlupflöcher und sonstige Ausnahmen. Nur 18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes machen alle eingenommen Steuern zusammen aus, weniger als im Kongo oder im Tschad. Dennoch sind die Voraussetzungen recht gut. Im Januar hat die Zentralbank 500 Millionen Dollar eingenommen, so gut verkauften sich die herausgegebenen Staatsanleihen auf den internationalen Kapitalmärkten. Für Paraguay, das in der Vergangenheit keinen leichten Zugang zu Geldgebern gefunden hat, ist dies ein wichtiger Schritt, der im Ausland Vertrauen schaffen sollte. Auch Inflation und Arbeitslosigkeit sind mit zwei und sechs Prozent verschwindend gering. Und trotz aller Ungleichheit: Die Armutsrate sinkt weiter: von 44 Prozent (2003) auf mittlerweile 32 (2011). Seit 2005 erhalten Familien in extremer Armut Bargeld, wenngleich die Summen lächerlich sind im Vergleich zu den staatlichen Armutsbekämpfungs- und Sozialtransferprogrammen der Nachbarländer Argentinien, Bolivien und Brasilien.

Der neue starke Mann des Landes hat sich vorgenommen, das Land aufzubauen und alle – „todos y todas“ – daran teilhaben zu lassen. „In unserer Regierung wird es nichts geben, was nicht im öffentlichen Interesse ist“, versprach Cartes. Und fügte, als gehöre dies zum guten Ton, hinzu: „Und keiner meiner Verwandten wird in der öffentlichen Verwaltung arbeiten.“

Mitarbeit: Marten Neelsen, Praktikant im KAS-Auslandsbüro Argentinien

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Leiter des Auslandsbüros Chile

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