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"So weit weg von Gott, und so nah an den USA"

von Prof. Dr. Stefan Jost

Politisches Erdbeben nach Trump-Besuch in Mexiko

Der Besuch von Donald Trump in Mexiko auf Einladung der Regierung hat zu einem politischen Erdbeben geführt: Staatspräsident Peña Nieto verliert seinen engsten Kabinettsverbündeten und das Ansehen der Regierung ist auf einem historischen Tiefpunkt. Die Aussichten für die letzten beiden Amtsjahre der PRI-Regierung sind düster.

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Der republikanische Kandidat für die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November, Donald Trump, hat aus seiner Meinung über die mexikanischen Nachbarn nie ein Hehl gemacht. „Drogenhändler“ und „Vergewaltiger“ nannte er sie in seiner bekannt differenzierten und diplomatischen Art. Eine Mauer werde er als Präsident bauen, und die Mexikaner müssten diese finanzieren.

Ausgerechnet diesen Donald Trump lud nun die mexikanische Regierung zu einem Besuch nach Mexiko ein. Und Trump kam. Die Folge war ein politisches Erdbeben, dessen unmittelbare Auswirkungen nicht lange auf sich warten ließen und dessen Nachbeben die Regierung noch lange beschäftigen wird.

Ob so gedacht oder nicht, die Nachricht schlug wie eine Bombe ein: Die mexikanische Regierung hatte Trump zu einem Besuch nach Mexiko eingeladen. Dass die Einladung auch an die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, ging, wurde in diesem Kontext kaum wahrgenommen.

Ob nun erwartet, erhofft oder befürchtet: Trump kam. Und damit nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Zur Vorgeschichte

Die Äußerungen Trumps bereits zu Zeiten, als er noch nicht nominierter Kandidat der Republikaner war, hatten in Mexiko zu harten Reaktionen geführt. Der Staatspräsident entließ sogar den mexikanischen Botschafter in Washington sowie einen Staatssekretär im Außenministerium, da sie sich nicht entschieden genug gegen die Trump-Äußerungen zur Wehr gesetzt hätten.

Bereits damals war die Reaktion in der Öffentlichkeit, vor allem den außenpolitischen Fachleuten in Mexiko nahezu einhellig. Man hielt dieses Vorgehen für einen Fehler, da die mexikanische Regierung Trump einen Stellenwert einräume, der ihm nicht zukomme, statt ihn offiziell zu ignorieren. Auch die spätere Entgegnung der Regierung, Mexiko würde die Mauer nicht bezahlen, hielt die Mehrheit der Experten für nicht angemessen.

Die Lesart der Analysten

Die Auguren rätseln noch immer, was die mexikanische Regierung zu dieser Einladung bewogen hat und wie bei der Durchführung alles derart aus dem Ruder laufen konnte.

Die entscheidende Motivation des diese Einladung pushenden Finanzministers Videgarray lag wohl in der Besorgnis, dass die Finanzmärkte angesichts der Trump-Äußerungen zu Mexiko nervös werden könnten und deshalb eine Annäherung geboten sei. Eine sicherlich berechtigte Überlegung, deren Operationalisierung dann aber wohl nicht alle denkbaren Konsequenzen durchdacht hatte.

So wurde alles auf der Ebene des Finanzministers vorbereitet, nach jetzigen Erkenntnissen mit Zustimmung des Staatspräsidenten. Das Außenministerium blieb außen vor. Die Außenministerin, selbst Anwärterin auf die Nachfolge Peña Nietos, wollte zurücktreten, konnte aber wohl davon abgehalten werden. Sollte mit diesem Vorgehen auch ein innerparteiliches Manöver mit verbunden gewesen sein, so ist auch dies zum Nachteil des Kandidaten Videgarray ausgegangen.

Aber nicht nur die Einladung als solche war das Problem. Der Ablauf des Besuches war das Entscheidende.

Trump bestimmte offensichtlich das Datum, und keiner merkte oder maß dem Bedeutung bei, dass der Besuch kurz vor dem jährlichen öffentlichen Rechenschaftsbericht des Staatspräsidenten lag. Trump wurde zudem in einem Rahmen empfangen, der dem eines Staatsbesuches gleichkam. Das wäre vielleicht alles noch irgendwie zu vermitteln gewesen, wenn der Besuch anders verlaufen wäre. Was die mexikanische Volksseele allerdings zum Kochen brachte, war die Pressekonferenz der beiden Politiker. Trump erklärte, man habe über die Finanzierung der Mauer nicht gesprochen…und Peña Nieto schwieg. Erst nach der Pressekonferenz erklärte er, er habe sehr wohl das Thema angesprochen und deutlich gemacht, dass Mexiko die Mauer nicht bezahlen würde.

Und dass Trump, auch wenn er in Mexiko sagte, er würde sich von Freunden verabschieden, bei seiner wenige Stunden später in Arizona gehaltenen Grundsatzrede zur Migrationsfrage unmissverständlich klar machte, welches Freundschaftsverständnis er hat, war dann der Tropfen, wenn einer gefehlt hätte, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Trump wurde zum einzigen Nutznießer. So wurde aus einer „mediatischen Bombe“ ein politischer Rohrkrepierer.

Am 16. September, dem Nationalfeiertag, wird sich zeigen, wie der öffentliche Auftritt des Staatspräsidenten auf dem Zócalo, dem historischen Zentrum der Hauptstadt verlaufen wird, auf dem er traditionsgemäß den „grito de la independencia“, (Schrei der Unabhängigkeit) anstimmen wird. Auf die Reaktion der Bevölkerung darf man gespannt sein.

Außenpolitik und Wahlkampf

Mexiko verfolgt immer noch beeinflusst durch die Estrada-Doktrin eine strikte Politik der internationalen Nicht-Einmischung. Die damit einhergehende Zurückhaltung bis Abwesenheit Mexikos in manchen Bereichen internationaler Politik wird angesichts des wirtschaftlichen und politischen Gewichts dieses 115 Millionen-Volkes zunehmend kritisch gesehen, und auch eine Reihe von Politikern und unisono die mexikanischen außenpolitischen Experten fordern eine Umkehr und stärkere Einbindung Mexikos in internationale Angelegenheiten.

Wie in vielen anderen lateinamerikanischen Staaten auch ist in Mexiko Außenpolitik die Prärogative der Exekutive, d.h. der Regierung, sprich des Staatspräsidenten. Der Kongress hat wenige Mitwirkungsmöglichkeiten, große außenpolitische Debatten finden im Kongress nicht statt. Auch in der Bevölkerung spielt Außenpolitik keine Rolle, und schon gar keine wahlbeeinflussende oder gar -entscheidende.

Was einige engagierte Politiker und zahlreiche hervorragend qualifizierte außenpolitische Experten über Jahre nicht erreicht haben, Außenpolitik zu einem Thema in Mexiko zu machen, hat die mexikanische Regierung nun in Rekordzeit von wenigen Tagen geschafft. Es gibt in diesen Tagen kein Treffen, kein Gespräch, keinen Ort, an dem nicht die Frage stellt wird: „Was hältst Du denn davon“? Und die Antwort ist eindeutig.

Für die Mexikaner stellt sich die Frage, ob die nationale Ebene regierungsfähig ist.

Die Regierung, in den letzten beiden Jahren von einer Reihe von Skandalen betroffen, bis hin zu den jüngsten Plagiatsvorwürfen gegen den Staatspräsidenten in seiner universitären Abschlussarbeit, trifft in Umfragen nur noch auf eine deutlich unter 30% liegende Zustimmung. Das ist, so die Experten, der schlechteste Wert einer Regierung, seit es in Mexiko Umfragen gibt.

Die Regierung hat sich ohne Not mit dieser Einladung eine weitere innenpolitische Ablehnungsfront eröffnet.

Auch die internationale Reaktion ist eindeutig. Noch im Februar 2014 betitelte das Time Magazin den Staatspräsidenten als Retter Mexikos. CNNespañol titelte nun: „Der Zirkus und die Zwerge Peña Nietos“.

Hillary Clinton hat inzwischen die Einladung der mexikanischen Regierung abgelehnt und den Besuch Trump als „beschämendes Ereignis“ bezeichnet.

Die Opposition wittert Morgenluft

Die Opposition, allen voran die größte Oppositionspartei PAN wittert nun Morgenluft. In der Tat kann sie sich nach den äußerst erfolgreichen Landtagswahlen vom Juni 2016 in ihrem Kurs bestätigt sehen, auch wenn ihre aktuelle Stärke sicherlich zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auf die Schwäche der PRI und nur begrenzt auf eigene Leistungen zurückzuführen ist.

Die Opposition sollte sich jedoch nicht zu sicher fühlen. Die Landtagswahlen vom Juni 2015 haben gezeigt, dass die Wähler durchaus auch zu anderen Alternativen, beispielsweise unabhängigen Kandidaturen greifen, wenn sie keines der traditionellen Parteiangebote überzeugt. Die Aussichten der PAN werden daher wesentlich auch davon abhängen, wie sie sich in den von ihnen geführten Landesregierungen und Kommunen darstellt.

Harte Zeiten

Staatspräsident Peña Nieto stehen harte Zeiten bevor. Die Phase der parteiübergreifenden und reformorientierten Zusammenarbeit, die die ersten beiden, durchaus erfolgreichen Jahre seiner Regierung prägten, sind bereits seit 2014 vorbei. Seit dieser Zeit stagniert der Reformprozess, wichtige neue Impulse blieben aus.

Eine erste bittere Quittung erhielt die Regierung in den Landtagswahlen im Juni 2016. Sie verlor zahlreiche, teils seit 80 Jahren regierte Bundesstaaten und immer mehr an Glaubwürdigkeit bei den mexikanischen Wählern. Der als aussichtsreichster Anwärter für die PRI-Präsidentschaftskandidatur gehandelte PRI-Vorsitzende, Manila Fabio Beltrones, musste zurücktreten. Nun verliert Peña Nieto mit seinem Finanzminister einen weiteren engen Vertrauten, ebenfalls Anwärter auf die Präsidentschaftskandidaten. Einen geborenen, unumstrittenen Nachfolgekandidaten für Peña Nieto gab es in der PRI nicht, nun gehen der PRI sogar langsam die Kandidaten aus. Damit verschärft sich die innerparteiliche Situation der PRI mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2018.

Damit werden die Landtagswahlen im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Mexiko im kommenden Juni zur entscheidenden Bewährungsprobe. Dieser Bundesstaat zählt zu den Staaten, die noch nie eine „alternancia“, d.h. einen Machtwechsel erlebt haben. Selbst dies scheint nach den überraschenden Ergebnissen der Landtagswahlen im Juni 2016 und dem jetzigen politischen Erdbeben nicht mehr ausgeschlossen. Aber selbst ein knapper Machterhalt bei starken Stimmenverlusten würde definitiv das Ende der Machtoptionen der PRI für 2018 einläuten. Eine weitere Polarisierung der politischen Auseinandersetzungen in Mexiko ist daher zu erwarten.

“So weit weg von Gott, und so nah an den USA“, so lautet ein altes Sprichwort in Mexiko. Mit der Einladung Trumps hat sich die Regierung Peña Nieto die USA so nah in die mexikanische Innenpolitik geholt wie nie zuvor. Und außenpolitisch, wer auch immer im November in den USA gewählt werden sollte, hat die Regierung keinen Stich gemacht.

Dieses Kapitel mexikanischer Diplomatie-Geschichte wird mit Sicherheit Eingang in künftige Lehrgänge in der Ausbildung der Nachwuchsdiplomaten einfließen, wenngleich kaum im Kapitel der „best practices“-Beispiele.

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Ing. Hans-Hartwig Blomeier

Hans Blomeier

Leiter des Auslandsbüros Mexiko

hans.blomeier@kas.de +52 55 55664599
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13. Juni 2016
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