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Länderberichte

Der Europäische Rat von Nizza im Spiegel der Medien

von Dr. Helmut Wittelsbürger
In zahlreichen Kommentaren der wichtigsten spanischen Tageszeitungen wird der Gipfel im Hinblick auf Osterweiterung und Reform der europäischen Institutionen bewertet. Gemeinsam - und unabhängig vom politischen Standort der Zeitung - ist eine positive Darstellung der erzielten Beschlüsse.

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Deutschland wird überwiegend als Gewinne der Beratungen definiert. Die Rolle des deutschen Bundeskanzlers wird als die eines ehrlichen Maklers beschrieben. Gerhard Schröder habe geschickt die Konfrontation mit Frankreich vermieden und habe die Interessen der kleineren Länder mit unterstützt, und die deutsche Bundesregierung habe ihre Ziele auf dem Gipfel voll erreicht. Durch die neue Stimmenverteilung im Rat und das Verfahren der dreifachen Mehrheit sei Deutschland in Europa so stark wie nie zuvor. Gleiches gelte für das Europäische Parlament. Hier habe die Bundesrepublik als einziges Land die Anzahl ihrer Europaparlamentarier nicht verringern müssen. Dass Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer auch die Regierungskonferenz und damit den "post-Nizza-Prozeß" zur Klärung der Kompetenzverteilung in Europa durchgesetzt haben, wird als Nachweis des überwältigenden Erfolges der deutschen Verhandlungsführung auf dem Gipfel herangezogen.

Im Gegensatz zur Berichterstattung in den deutschen Medien finden sich kaum kritische Anmerkungen zur französischen Präsidentschaft. Auch wird die mangelnde Vorbereitung der Regierungskonferenz nicht kritisiert. Gleiches gilt für die Bewertung, dass kaum Fortschritte bei der Abschaffung des Vetos erzielt wurden. Der Grundtenor der spanischen Berichterstattung ist eine positive Bewertung des Gipfels als tragfähiger Kompromiss bei Institutionenreform und Osterweiterung.

Breiten Raum nimmt die Beurteilung der Rolle Spaniens auf dem Gipfel ein. Übereinstimmung besteht in der Bewertung der erfolgreichen Verhandlungsführung durch José María Aznar. Spanien habe seine Stimmen im Rat um den Faktor 3,37 erhöht, während "die 4 Grossen" lediglich um den Faktor 2,9 zugenommen und die restlichen Staaten ihr Gewicht nur um 2,4 vergrößert hätten.

Dass es Spanien gelungen sei, die Einstimmigkeit bei der Verhandlung und Entscheidung über den europäischen Finanzrahmen 2007 - 2013 durchzusetzen, wird von allen Medien als großer Erfolg der spanischen Regierung dargestellt.

Kaum Erwähnung findet die Kritik der kleinen Länder - allen voran Portugal - an den während der Beratungen präsentierten französischen Kompromisspapieren. Dass Antonio Guterres scharfe Attacken insbesondere gegen das Nachbarland Spanien formulierte und damit wieder deutlich wurde, wie schwierig nach wie vor das Verhältnis der beiden iberischen Länder zueinander ist, findet sich nur zwischen den Zeilen in der spanischen Presse.

Völlig fehlt eine kritische Auseinandersetzung mit den auf dem Gipfel vorherrschenden national-egoistischen Verhaltensmustern aller Beteiligten. Dass Europa komplizierter wird und letztlich am wenigsten von den Beschlüssen profitiert, sowie keiner der Staats- und Regierungschefs das Gesamtkonzept für Freiheit, Frieden und Sicherheit weiterentwickeln konnte, findet sich als Beurteilungsmaßstab in der Presseberichterstattung nicht wieder.

Mit Verweis auf die Regierungskonferenz 2004, mit der die Architektur und das Haus Europas vollendet werden soll, wird das Problem der Finalität der Europäischen Integration auf die Zukunft verschoben. Auch wird in den Medien nicht bedauert, dass die europäische Grundrechtscharta als Vorstufe für eine mögliche Verfassung, die am ersten Tag des Gipfels feierlich proklamiert wurde, kein Bestandteil der europäischen Verträge werden soll. Die kritische Haltung des Europaparlaments wird kaum gewürdigt.

Erste Stellungnahmen aus der Parlamentsfraktion der Regierungspartei decken sich mit der insgesamt positiven Gesamtbewertung durch die spanischen Medien. Auch die PSOE-Opposition hält sich mit deutlicher Kritik am Gipfel zurück

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Wilhelm.Hofmeister@kas.de

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