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Der kolumbianische Friedensprozess nach der Übereinkunft von Los Pozos

von Ulrich Laute

Wenig Aussichten auf rasche Fortschritte

Mehr als einen Monat nach der Übereinkunft von Loz Pozos, in der die kolumbianische Regierung und die Guerrillabewegung FARC die Wiederaufnahme der seit November unterbrochenen Friedensgespräche vereinbarten, ist der damalige Optimismus weitgehend verflogen. Wenig deutet darauf hin, dass kurzfristig nennenswerte Fortschritte bei der angestrebten Humanisierung des bewaffneten Konflikts erreicht werden können.

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Gleichzeitig wirft der bevorstehende Wahlkampf für die im Mai 2002 stattfindenden Präsidentschaftswahlen seine Schatten voraus und setzt die Regierung unter zusätzlichen Zeitdruck, möglichst rasch greifbare Ergebnisse präsentieren zu können.

Die Übereinkunft von Los Pozos

Die 1998 aufgenommenen Friedensgespräche zwischen Regierung und FARC waren Anfang Februar in ihre bisher schwerste Krise geraten, nachdem die Bemühungen der Regierung um eine Wiederaufnahme der von der Guerrilla einseitig unterbrochenen Gespräche ergebnislos verlaufen waren. Die Regierung sah sich mit dem Dilemma konfrontiert, entweder mit der Verlängerung der für die Friedensgespräche entmilitarisierten Zone im Süden Kolumbiens ein weiteres einseitiges Zugeständnis an die Guerrilla zu machen oder den Friedensprozess mit den FARC zu beenden - mit der Gefahr einer unkontrollierbaren Eskalation des Konflikts.

In einer allgemein als Ultimatum verstandenen Erklärung machte Staatspräsident Pastrana eine weitere Verlängerung des Rückzugsgebiets von einem persönlichen Treffen mit Guerrillaführer Marulanda abhängig, das am 8./9. Februar in Los Pozos in der entmilitarisierten Zone stattfand. Kernpunkt der zwischen Regierung und FARC erzielten Übereinkunft bildete die Wiederaufnahme der Friedensgespräche, wobei als eines der zentralen Themen ein möglicher Waffenstillstand genannt wurde. Im Gegenzug verlängerte die Regierung die entmilitarisierte Zone um weitere acht Monate.

Darüber hinaus einigten sich beide Seiten auf wesentliche Elemente für den künftigen Verhandlungsmechanismus. Als Fortschritte können dabei unter anderem die geplante Einbeziehung der internationalen Gemeinschaft sowie die Schaffung einer Kommission unabhängiger Persönlichkeiten gewertet werden, die Vorschläge für die Bekämpfung der paramilitärischen Gruppen, aber auch für eine Humanisierung des Konflikts erarbeiten soll. Zudem erklärten die FARC, sich der Bekämpfung des Drogenanbaus nicht grundsätzlich widersetzen zu wollen, sofern dabei auf die Interessen der betroffenen Bevölkerung Rücksicht genommen und auf großflächige Besprühungen verzichtet werde.

Die Übereinkunft von Los Pozos fand in der Öffentlichkeit ein durchweg positives Echo. Dieses war insofern berechtigt, als es dem Präsidenten gelungen war, ein drohendes Scheitern des Friedensprozesses abzuwenden, ohne der Guerrilla durch weitere einseitige Zugeständnisse entgegenzukommen. Nach allgemeinem Eindruck konnte Pastrana auf diese Weise die Glaubwürdigkeit des Friedensprozesses zumindest teilweise wiederherstellen, was sich auch in deutlich verbesserten Werten der Regierung in den Meinungsumfragen niederschlug.

Als bei weitem überzogen erwiesen sich dagegen Hoffnungen, der Friedensprozess habe mit dem Treffen von Los Pozos eine neue Qualität gewonnen, die baldige Fortschritte in inhaltlichen Fragen – etwa eine Einigung über die Einhaltung des Humanitären Völkerrechts – ermöglichen werde. Solche, in den Medien vielfach vertretene Einschätzungen hatten durch Erklärungen des militärischen Führers der FARC, Jorge Briceño (alias "Mono Jojoy") Auftrieb erhalten, die Guerrilla werde prüfen, ob künftig auf die Verwendung von Gaszylindern gegen die Zivilbevölkerung sowie auf die Rekrutierung von Kindern unter 15 Jahren verzichtet werden könne. Nachdem die FARC inzwischen bei neuerlichen Überfällen wiederholt Gaszylinder einsetzten, erscheinen diese Ankündigungen allerdings wenig glaubwürdig. Es ist nicht erkennbar, dass die FARC derzeit zu grundsätzlichen Zugeständnissen in humanitären Fragen bereit wären.

Die Einbeziehung der internationalen Gemeinschaft

Die in Los Pozos erzielten Fortschritte betreffen fast ausschließlich prozedurale Aspekte. Dabei ist die beabsichtigte Einbeziehung der internationalen Gemeinschaft von besonderer Bedeutung, da ausländische Bobachter von den FARC lange Zeit kompromisslos abgelehnt worden war.

Am 8. März fand ein erstes Treffen in der entmilitarisierten Zone statt, bei dem Diplomaten aus 25 Staaten Gelegenheit erhielten, sich im direkten Gespräch mit der Verhandlungskommission über den Stand der Friedensgespräche zu informieren. Nicht anwesend waren Vertreter der USA, die Kontakte mit der Guerrilla unter Verweis auf die bisher nicht aufgeklärte Ermordung von drei amerikanischen Ethnologen durch ein Kommando der FARC grundsätzlich ablehnen.

Abgesehen von einem Kommuniqué, in dem die Fortsetzung des Friedensprozesses nachdrücklich unterstützt wird, wurde die Bildung einer permanenten internationalen Kommission vereinbart, die aus Vertretern der Länder Schweden, Norwegen, Frankreich, Spanien, Mexiko, Kanada, Kuba und Venezuela bestehen soll. Aufgabe dieser Kommission ist es, die Gespräche zu begleiten und den Diskussionsprozess zu bestimmten Themenbereichen zu fördern. Inzwischen wurde vereinbart, in den kommenden Monaten zwei internationale Foren zur Substituierung des Drogenanbaus sowie zum Humanitären Völkerrecht durchzuführen.

Die Zustimmung der FARC zu einem Mechanismus, der die Einbeziehung ausländischer Beobachter in den Friedensprozess ermöglicht, kann als Erfolg gewertet werden. Zwar ist nicht zu erwarten, dass sich die Guerrilla in absehbarer Zeit mit einer internationalen Verifikation des Friedensprozesses oder gar der von ihr dominierten entmilitarisierten Zone einverstanden erklären wird. Möglicherweise kann der politische Druck der internationalen Gemeinschaft aber dazu beitragen, die FARC zu Zugeständnissen etwa bei der Beachtung des Humanitären Völkerrechts zu bewegen.

Der "humanitäre Gefangenenaustausch"

Ein weiterer Punkt der Vereinbarung von Loz Pozos bezieht sich auf die Verhandlungen über einen "humanitären Gefangenenaustausch", mit dem inhaftierte Guerrilleros gegen Angehörige von Militär und Polizei ausgetauscht werden sollen, die sich in der Gewalt der FARC befinden.

Seit Beginn der Friedensgespräche gehörte der "Gefangenenaustausch" zu den wichtigsten Forderungen der FARC, die sich hiervon zum einen eine völkerrechtliche Anerkennung als "kriegführende Partei" sowie zum anderen eine beträchtliche Stärkung ihrer militärischen Kapazität versprachen. Die Guerrilla verlangte zunächst einen gesetzlich geregelten, permanenten "Gefangenenaustausch" – eine Forderung, auf die die Regierung aus naheliegenden rechtlichen wie politischen Gründen nicht eingehen konnte.

Der nun diskutierte "Gefangenenaustausch" soll sich daher ausschließlich auf schwer erkrankte Personen beschränken und im Einklang mit den Bestimmungen des Humanitären Völkerrechts durchgeführt werden. Eine Anerkennung der FARC als "kriegführende Partei" im Sinne des Völkerrechts soll dabei ausdrücklich vermieden werden. Für den Fall einer Realisierung des "Gefangenenaustauschs" haben die FARC als Geste des guten Willens die zusätzliche Freilassung einer noch unbestimmten Zahl von Soldaten und Polizisten in Aussicht gestellt, die sich derzeit in ihrer Gewalt befinden.

In der öffentlichen Diskussion werden gewichtige Einwände gegen jede Form des "Gefangenenaustauschs" geltend gemacht. In Presseberichten wurden Namen von Guerrilleros veröffentlicht, deren Freilassung die FARC gefordert haben sollen. Mit wenigen Ausnahmen handele es sich dabei um Personen, die nicht unter schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden und somit nach ihrer Freilassung der militärischen Organisation der Guerrilla wieder zur Verfügung stünden. Es besteht daher die Sorge, ein "humanitärer Gefangenenaustausch" könne zu einer beträchtlichen militärischen Stärkung der FARC beitragen, zu deren Hauptproblemen derzeit der Mangel an kriegserfahrenen Führern gehört.

In einem offenen Brief hat Guerrillaführer Marulanda der Regierung inzwischen vorgeworfen, den "humanitären Gefangenenaustausch" an zusätzliche Bedingungen knüpfen zu wollen, die seine Organisation in keinem Fall akzeptieren könne. Ob der "Gefangenenaustausch" wie geplant in Kürze realisiert werden kann, erscheint daher weiterhin offen.

Wahlkampf und Friedensprozess

Die Bedingungen für substantielle Fortschritte im Friedensprozess werden sich in den kommenden Monaten kaum verbessern. In dem Maße, wie sich die Amtszeit von Präsident Pastrana ihrem Ende nähert, vermindert sich der politische Handlungsspielraum der Regierung. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die FARC ihrerseits versuchen, den bevorstehenden Wahlkampf zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Deutlich wurde dies bereits in einer öffentlichen Erklärung von Guerrillaführer Marulanda, in der dieser den Präsidentschaftskandidaten und früheren Gouverneur von Antioquia, Alvaro Uribe Vélez, als "Kandidaten der Paramilitärs" bezeichnete, dessen Wahl das sofortige Ende des Friedensprozesses zur Folge haben werde. Zugleich forderte Marulanda die Präsidentschaftskandidaten auf, ihr politisches Programm den FARC zu präsentieren. Zu Recht haben alle politischen Kräfte diese Stellungnahmen als unakzeptable Einflussnahme auf den demokratischen Entscheidungsprozess gewertet.

Es ist davon auszugehen, dass die FARC – ebenso wie ELN und paramilitärische Gruppen - ihr militärisches Potential dazu nutzen werden, die Wahlentscheidung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Angesichts der Kontrolle, die diese Gruppen inzwischen in großen Teilen des Landes ausüben, stellt dies eine erhebliche Gefahr für die Freiheit der demokratischen Willensbildung dar.

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Dr. Hubert Gehring

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