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Länderberichte

Die politische Krise hält an

von Reinhard Willig

die wirtschaftliche Situation verbessert sich leicht

Obwohl sich die wirtschaftliche Situation – trotz noch immer fehlender wirtschaftspolitischer Gesamtstrategie - im ersten Halbjahr 2003 leicht verbessert hat, scheint die politische Krise angesichts der Wahl von neun Richtern des Obersten Gerichtshofes durch das Parlament weiter anzuhalten. Während Präsident Bolaños diese aus einer Vorschlags--liste der Zivilgesellschaft bestimmen wollte und Verhandlungen mit den Parteien ablehnte, einigten sich die von Alemán dominierte PLC und die Sandinisten im Zuge einer Neuauflage des politischen Paktes darauf, die frei gewordenen Richterplätze unter sich auszumachen. Die Ernennungskompetenz liegt beim Parlament.

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Bemühungen um eine dritte politische Kraft

Nur langsam gewann die Absicht des Präsidenten, angesichts des Misserfolges bei den Demokratisierungsversuchen der von Ex-Präsident Alemán beherrschten PLC (PartidoLiberal Constitucionalista), eine Sammelbewegung der politischen Mitte zu bilden, Konturen. Es überraschte die Kohäsionskraft der PLC unter der Führung ihrer unter Hausarrest stehenden Führungsfigur und des anhaltenden Widerstandes wichtiger politischer Vertreter in der Regierung, die Gründung der Sammelbewegung zu unterstützen. Der populäre Wirtschaftsminister Eduardo Montealegre sowie Vizepräsident José Rizo setzen offensichtlich auf eine „erneuerte“ PLC ohne Ex-Präsident Alemán , während Präsident Bolaños nicht müde wird, die Notwendigkeit einer neuen liberalen Partei zu propagieren.

Offensichtlich sind seine Sorgen, wer ihn bei den Wahlen 2006 ablösen wird, um seine Projekt der „Nueva Era“ fortzuführen. Bei seinem Vorhaben wird er vor allem von INIFOM-Präsident Alejandro Fiallos, Innenminister Eduardo Urcuyo und Gesundheitsminister Juan José Alvarado unterstützt.

Nach rd. einjähriger Vorbereitung fand am 15. Juni fand die Gründungsversammlung des Bloque de Unidad Liberal (Block der Liberalen Einheit), der neuen Sammelbewegung von zunächst sieben liberalen Splittergruppen vor rd. 3.000 Teilnehmern (darunter das gesamte Kabinett mit Präsident Enrique Bolaños an der Spitze) statt. Im wesentlichen handelt es sich um:

  • Partido Liberal (PALI – 1985 gegründet, Mitte-Rechts, Vertreter Adolfo Esquivel)
  • Comité Ejecutivo Nacional del 23 de Junio 2002 (Movimiento 23 de Junio – Gegenstruktur von Anhängern von Präsident Bolaños in der PLC-Alemán)
  • Partido Liberal Democrático
  • Partido Liberal Independiente (PLI-1980 gegeründet, Mitte-Rechts, programmatisch ausgerichtet,Vertreter Ex-Vize-Präsident Virgilio Godoy)
  • Partido Liberal Nacionalista (PLN-1968 von Somoza Debayle gegründet, rechts)
Zum Präsidenten der Unidad Liberal (UL) wurde Adolfo Esquivel gewählt und zum Vize-Präsidenten Miguel Baldizón. Präsident Enrique Bolaños ist Ehrenvorsitzender der neuen Gruppierung. Man hatte sich für eine liberale Namensgebung entschieden, um zunächst die Einigung im liberalen Lager herbeizuführen.

Ende Juni soll die Allianz mit weiteren politischen Gruppierungen des politischen Zentrums mit Blick auf die im nächsten November anstehenden Kommunalwahlen gesucht werden sowie mit dem Ziel des Aufbaus einer Gesamtpartei der politischen Mitte begonnen werden, Parteistrukturen aufzubauen.

Die PLC unter Ex-Präsident Alemán gib der neuen Gruppierung keine Chance. Sie wird als Partei öffentliche Angestellter charakterisiert und die PLC-Leitung lehnt jegliche politische Verhandlung ab. Zudem sieht die Partei in der Unterstützung der Unidad Liberal eine unzulässige politische Aktivität des Präsidenten und ein Wiederaufleben des Konzeptes der Staatspartei, wie es bereits unter Somoza, den Sandinisten und Alemán praktiziert wurde.

Andere Kritiker glauben, dass die Unidad Liberal einen geringen Vorrat an programmatischen Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen teilnehmenden Parteien hat und damit einen taktischen Fehler bereits in der Gründung begangen hat. Die Gründung der Unidad Liberal würde die Gräben innerhalb der liberalen Mehrheitsbewegung weiter vertiefen und den Sandinisten den Erfolg bereits bei den Wahlen im kommenden Jahr bescheren.

Neuformierung im christlich-demokratischen Lager

Interessant ist, dass sich auch eine der beiden vom Wahlgerichtshof anerkannten christlich-demokratischen Parteien für eine solche Allianz der politischen Mitte bereit erklärt. Während die UDC sich bereits seit dem 08. Mai 2003 auf gemeinsame Wahllisten mit den Sandinisten im Rahmen festgelegt hat, versucht die PSC (Partido Social Cristiano Nicaragüense) nach dem Scheitern des von ODCA, INCEP und der KAS unterstützten Versuchs, alle diejenigen christlich-demokratischen Sektoren unter ihrem Dach zu vereinigen, die nicht mit dieser Entscheidung übereinstimmen und Verhandlungen mit dem neuen Sammelbecken zentristischer Kräfte aufzunehmen. Dazu soll auf einer Arbeitssitzung am 22. Juni 2003 eine Strategie sowie ein entsprechender Arbeits- und Finanzplan aufgestellt werden Für den 29. Juni 2003 ist dann eine Parteiversammlung der PSC zur Verabschiedung vorgesehen.

Positive Entwicklung der Wirtschaftsindikatoren

Die von Präsident Bolaños seit seinem Amtsantritt betriebene Sparpolitik bezüglich der öffentlichen Haushalte (allein in 2002 schrumpften die öffentlichen Ausgaben um rd. 14 %) führte bislang dazu, dass die Wachstumsraten moderat ausfielen und nicht für ein reales Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens ausreichten. Außerdem konnte bislang von der Regierung noch kein Abkommen mit dem Weltwährungsfonds unter Dach und Fach gebracht werden. Wird die Austeritätspolitik sowie die entsprechende Geldpolitik beibehalten, so kann das Land in absehbarer Zeit seine wirtschaftlichen Gleichgewichte wieder erlangen.

Allerdings muss zu dem bisher Erreichten noch ein Beschäftigungswachstum von mehr als 2,6% pro Jahr hinzu kommen. In dieser Höhe drängen jedes Jahr Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt des Landes.

Im zurückliegenden Monat standen – wohl auch unter dem öffentlichen Druck, wirtschaftspolitische Erfolge vorzuweisen - die Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Landes auf dem Prüfstand und mit ihnen die entsprechenden Wirtschaftsindikatoren. Von der Zentralbank wurde herausgefunden, dass speziell die Devisenrechnungen reformbedürftig sind. Demnach scheint das Bruttoinlandsprodukt Nicaraguas insgesamt um rd. 70% unterbewertet. In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass der durchschnittliche Nicaraguaner statt über 500 US-Dollar nun 800 US-Dollar pro Jahr verfügt. Das Handelsbilanzdefizit reduzierte sich durch die Reformierung des Zahlenwerks von 38% auf knapp 24% und die Auslandsschulden sinken von rd. 274% des Bruttosozialprodukts auf 168%. Aber auch der Anteil der Steuern am Sozialprodukt fällt von 25% auf 15%.

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Kontakt

Dr. Werner Böhler

Dr

Leiter des Auslandsbüros in Costa Rica und Panama

werner.boehler@kas.de +506 2296 6676

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