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Ecuador – Land der unbegrenzten (Investitions-) Möglichkeiten?

von Dominik Reinertz, Winfried Weck

Nachbetrachtung zum Staatsbesuch von Präsident Raffael Correa in Deutschland

Ecuador als eines der aufstrebenden Länder in Lateinamerika zu präsentieren, war wohl Rafael Correas größtes Anliegen bei seinem ersten Staatsbesuch in Deutschland, bei dem er unter anderem mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck und Außenminister Guido Westerwelle zusammen kam.

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Die Ankunft des ecuadorianischen Staatspräsidenten am Montag, den 15. April 2013, in der Hauptstadt Berlin war zugleich der Beginn seines einwöchigen Aufenthaltes in Europa, bei dem neben zahlreichen Terminen in Deutschland auch Besuche in Spanien und Italien auf dem Programm standen.

Im Zentrum des Staatsbesuches standen zunächst Verhandlungen über die bilaterale Kooperation zwischen Deutschland und Ecuador, unter anderem in den Bereichen Technologie, erneuerbare Energien, Umwelt- und Klimaschutz. Die Ratifizierung eines Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union wurde ebenfalls thematisiert. Doch Correa dürfte bei seinem Besuch vor allem eine Absicht verfolgt haben: Für deutsche Investitionen in Ecuador zu werben.

Rafael Correa und der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“

Rafael Correa, der 2006 erstmals zum Staatsoberhaupt des Andenstaates gewählt und 2009 nach einer umfasenden Verfassungsreform in seinem Amt bestätigt worden war, gewann im Februar diesen Jahres erneut die Präsidentschaftswahlen in Ecuador, diesmal bereits im ersten Wahlgang mit einer absoluten Mehrheit.

Correa sprach sich bei seinem Aufenthalt in Deutschland erneut klar gegen eine neoliberale Wirtschaftspolitik aus und bekräftige seine Stellung zur bilateralen Kooperation. Man verfolge in Ecuador ein „modernes“ und „nationales Projekt der Linken“, welches sowohl die Rolle des Staates als auch die Wichtigkeit der Privatwirtschaft für die nachhaltige Entwicklung des Landes unterstrich. Wirtschaftliche Zusammenarbeit dürfe keine Asymmetrien wie in der Vergangenheit erzeugen und müsse sich auch für sein eigenes Land lohnen, betonte Correa.

Als erster Staatspräsident der bolivarianischen Allianz für Amerika, der Alianza Bolivariana para los pueblos de Nuesta America (ALBA), trat Rafael Correa einen Staatsbesuch in Deutschland an. Andere Präsidenten des “bloque bolivariano”, wie Hugo Chavez aus Venezuela zu seiner Zeit, Daniel Ortega aus Nicaragua oder Evo Morales aus Bolivien, blieb ein offizielles Treffen mit Vertretern der Bundesrepublik derweilen verwehrt. Das linksgerichtete Staatenbündnis lateinamerikanischer Länder spricht sich für eine regionale Kooperation aus und versteht sich als eine Allianz gegen die hegemonialen Ansprüche der USA in Lateinamerika. Zugleich verdeutlicht es den verlorenen Einfluss europäischer Staaten in Teilen Lateinamerikas.

Ecuadorianischen Medien zufolge war es Angela Merkel, welche die Initiative ergriff, ein Treffen mit dem ecuadorianischen Staatspräsidenten zu arrangieren, um in Verhandlungen über einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu treten. Ein Versuch den verlorenen Einfluss zurück zu gewinnen? Eine Zusammenkunft beider Regierungschefs müsste im beidseitigen Interesse gelegen haben. Der Staatsbesuch in Deutschland konnte Correa die Möglichkeit geben, das Image seines Landes in Europa zu verbessern und für zukünftige Investitionen deutscher Firmen in Ecuador zu werben, welche sich seit 2008 im Rückgang befinden.

Zum Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit

Am Dienstag, den 16. April 2013, trat Correa als einer der Hauptredner bei der 13. Lateinamerika-Konferenz der Deutschen Wirtschaft (LAK) in Berlin auf, was auch zunächst den Hauptgrund seines Besuches in der Bundesrepublik darstellte. Im Rahmen der Eröffnungsrede nutzte Correa die Chance, um auf die wirtschaftliche Entwicklung Ecuadors und die Errungenschaften seiner Regierungsarbeit aufmerksam zu machen und im Zuge dessen das Interesse deutscher Firmen an Investitionen in Ecuador zu wecken.

Bei der Zusammenkunft mit Bundeskanzlerin Merkel bekräftigte Correa Ecuadors Interesse an einer Kooperation und einem Ausbau der Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union. Man sei grundsätzlich daran interessiert, dem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union mit Peru und Kolumbien beizutreten, erklärte Correa, der zeitgleich jedoch auch seine Bedenken bekundete. Der Handel müsse für beide Partner von Vorteil sein. Da Ecuador seit der Dollarisierung im Jahr 2002 nicht über eine eigene Währung verfüge, müsse man wirtschaftspolitische Maßnahmen mit Vorsicht und Bedacht ergreifen. Fakt ist, dass Correas Regierung sich bisher jeglicher Annäherungen zu einem Freihandelsabkommen mit der EU verweigert und zugleich eine protektionistische Wirtschaftspolitik verfolgt hat, die es allen potenziellen ausländischen Investoren leicht macht, sich für die Nachbarländer Kolumbien oder Peru als Investitionsstandorte zu entscheiden.

Ein Ausbau der Handelsbeziehungen wäre natürlich im Interesse aller Beteiligten: der Europäischen Union, Deutschlands und Ecuadors. Von Correas Bereitschaft, die Gespräche über ein Freihandelskommen voranzutreiben, zeigte sich die Bundeskanzlerin daher sehr erfreut. Es liegt nun an Correa, seinen Berliner Lippenbekenntnissen Taten folgen zu lassen.

Wege aus der Armut: Fortschritt und soziale Gleichheit statt Rezession und Sparpolitik

Im Zuge einer Konferenz an der Technischen Universität Berlin warnte der unter anderem in Belgien und den USA ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler Correa die europäische Staatengemeinschaft davor, dieselben Fehler wie Ecuador in den 1980er Jahren zu begeben, um der europäischen Finanzkrise zu begegnen.

Ecuador sei auf einem guten Weg und diene auch der Europäischen Union als Beispiel für eine erfolgreiche Krisenbewältigung, so der Präsident in seiner Ansprache mit dem Titel „Ecuador – Wege aus der Krise“. Er forderte Europa dazu auf, nicht auf die Forderungen des Internationalen Währungsfonds einzugehen und eine restriktive Sparpolitik zu verfolgen. Sein Land habe unter seiner Regierungsführung die Fehler aus der Vergangenheit wieder gut gemacht und weise eine hohe Dynamik auf. Seit seinem Amtsantritt 2007 gelte Ecuador als politisch stabil und erziele erstaunliche Wachstumsraten. Politische Stabilität, so wie man sie in Ecuador vorfinde, sei ein entscheidender Faktor für die Schaffung eines günstigen Investitionsklimas. Darüber hinaus konnte Ecuador in den letzten Jahren bei der Reduzierung der Armut, Verschuldung und Arbeitslosigkeit beträchtliche Erfolge erzielen. Gerade im Bezug auf Bildung setzt der Andenstaat auf die Zusammenarbeit mit Deutschland.

Bei der Umstrukturierung des Bildungs- und Hochschulsystems greift Ecuador auf die Hilfe deutscher Experten zurück. Sehr erfreut zeigte sich Correa dementsprechend über die Unterzeichung des Ausbildungsabkommens für technische und technologische Zusammenarbeit mit den deutschen Außenhandelskammern, welche neben der Einbindung deutscher Experten auch die Ausstattung industrieller Mechanik und Elektronik vorsieht.

Neben einer Vereinbarung mit der TU Berlin über die Vergabe von Stipendien an ecuadorianische Studenten und eine engere Zusammenarbeit u.a. im Bereich Forschung, wurde ein Abkommen zwischen der Universität Rottenburg und der neu zu gründenden Regionalen Amazonas Universität Ecuadors, spezialisiert in Biodiversität und Umweltwissenschaften, unterzeichnet.

Was Präsident Correa allerdings nicht thematisierte, ist der Preis, den vor allem die regierungskritischen Medien und die oppositionellen Kräfte in Ecuador für die politische Stabilität des Landes zahlen müssen: Meinungsfreiheit ist im heutigen Ecuador stark eingeschränkt; regierungskritische Medienberichterstattung sieht sich zunehmender Repressalien ausgesetzt; von einer demokratischen Gewaltenteilung kann heute keine Rede mehr sein.

Die Wogen der Vergangenheit glätten

Die vor allem im kulturellen Bereich engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Ecuador und Deutschland wurden in der Vergangenheit des Öfteren auf die Probe gestellt. So wurden 2010 kritische Stimmen aus Deutschland laut, als der bilaterale Vertrag über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Tratado Bilateral de Protección de Inversiones TBI) als verfassungswidrig erklärt und somit beendet worden war. „Die gegenwärtigen Investitionsabkommen stehen im Widerspruch zur neuen Konstitution unseres Landes“ erklärte Correa daher folgerichtig während des Treffens mit der Bundeskanzlerin. Trotzdem sei man an neuen Investitionsabkommen mit der gesamten Europäischen Union interessiert. Ecuador garantiere in der neuen Verfassung Rechtssicherheit und Privateigentum und schaffe auf Grundlage einer neuen Produktionsgesetzgebung Anreize für ausländische Investitionen, bekräftige der Präsident. Die Bundeskanzlerin begrüßte eine zeitnahe Einigung über rechtliche Rahmenbedingungen in Form eines Investitionsschutzabkommens.

2011 sorgte die sogenannte ITT-Yasuní-Initiative Präsident Correas für Unstimmigkeiten zwischen beiden Ländern. Die anfängliche Zusage von jährlich 40 Millionen Euro für die ITT-Intiative, welche die finanzielle Entschädigung in Form von konditionsfreien Ausgleichszahlungen für den Verzicht auf Ölförderung im Nationalpark Yasuní, einem der artenreichsten Naturschutzgebiete der Welt, vorsieht, wurde kurz vor Beginn der Zahlungen u.a. aufgrund des Einspruchs des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unter Minister Dirk Niebel zurückgezogen und durch eine zweckgebundene Finanzleistung in nahezu gleicher Höhe ersetzt.

Es ist zwar bemerkenswert, dass das offizielle Besuchsprogramm kein Treffen zwischen Dirk Niebel und Rafael Correa vorsah, obwohl die Bundesrepublik zu einem der größten bilateralen Geber in der Entwicklungszusammenarbeit mit Ecuador zählt. Der deutsche Bundesminister nutzte jedoch seine Anwesenheit bei der Lateinamerikakonferenz der Deutschen Wirtschaft, um sich vor Correa kritisch über die sich lokal abschottenden Wirtschaften in Lateinamerika zu äußern. Der Handel müsse frei und fair sein und dürfe „nicht auf staat¬lichen Inter¬ven¬tio¬nis¬mus und Pro¬tek¬tio¬nis¬mus setzen“, unterstrich der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Im Zuge dessen zeigte er sich besorgt über die demokratischen Entwicklungen in den lateinamerikanischen Partnerländern und betonte, dass man sich für mehr Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte einsetzen müsse.

Letztendlich bleibt abzuwarten, welche Folgewirkungen der Staatsbesuch Rafael Correas in Deutschland auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder zeitigt. Eins scheint jedoch nach Correas Aufenthalts klar zu sein: Ecuador sieht sich als Paradebeispiel für eine erfolgreiche politische und wirtschaftliche Entwicklung und stellt selbstbewusst klare Bedingungen bei den kommenden Verhandlungen über eine zukünftige Kooperation. Während Europa nach neuen Märkten sucht, geht der Aufschwung in Lateinamerika, so wie in Ecuador, weiter und Deutschland zeigt sich als interessierter Partner.

Den kompletten Länderbericht mit allen Quellangaben lesen Sie bitte als PDF-Download (oben).

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20. Februar 2013
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Merkel, Correa

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