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Länderberichte

Hilflos gegen das Verbrechen?

von Frank Priess

Mexiko reagiert mit Krisengipfel

Steigende Kriminalitätsraten und die Brutalität der Straftaten setzen Mexikos Politik unter Druck: Die Bürger fordern endlich Taten. Jetzt wurden bei einem nationalen Krisengipfel 75 Maßnahmen verabschiedet, die das Problem unter Kontrolle bringen sollen. Skepsis ist angebracht.

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Mit einem „Sicherheitsgipfel“ hat Mexiko jetzt versucht, Zeichen gegen das organisierte Verbrechen zu setzen. 2700 Morde allein mit Drogenhintergrund im laufenden Jahr und ein Anstieg der gemeldeten Entführungsfälle um 40 Prozent innerhalb von nur drei Jahren scheinen zum Handeln zu zwingen. Der Minister für öffentliche Sicherheit, Genaro García Luna räumt einen Anstieg der Verbrechensrate von 8,6 Prozent in 2007 im Vergleich zum Vorjahr ein. Die verbreitete Straflosigkeit der Täter sei ein großer Anreiz. „Das Verbrechen“, so der Minister, „hat die Macht der Einschüchterung, der Kooptation und sucht die soziale und territoriale Kontrolle mittels Korruption.“

Am 21. August trafen sich im hauptstädtischen Nationalpalast alle relevanten Vertreter der Exekutive – Bund, Länder und Gemeinden - der Legislative und der Gerichtsbarkeit, um konkrete Maßnahmen zu beschließen. Auch Unternehmerverbände, Organisationen der Zivilgesellschaft und Repräsentanten der Massenmedien haben sich diesem „Pakt gegen das Verbrechen“ angeschlossen. Gerade auf staatlicher Ebene soll so der Zuständigkeitswirrwarr beendet werden, der einer wirksamen Strafverfolgung allzu oft im Wege steht. Allein die zahllosen unterschiedlichen Polizeieinheiten – 1660 insgesamt - auf allen Ebenen mindern ihre Schlagkraft.

Hoffnung auf 75 Maßnahmen

Zu den konkreten und insgesamt 75 Einzelmaßnahmen, die vorangetrieben werden sollen, gehört eine Reform des Justizsystems mit konsequenterer Strafumsetzung speziell für Entführer und Geiselnehmer, die Installation neuer Hochsicherheitsgefängnisse, die Ernennung von auf Entführungsfälle spezialisierter Richter und ein nationales Register, in dem der Gesprächsverkehr von Mobiltelefonen nachvollzogen werden kann, die gerade bei tatsächlichen und virtuellen Entführungen sowie Erpressungen eine zentrale Rolle spielen. Auch in die Polizeiausbildung soll mehr investiert werden, zudem soll es weitere Spezialeinheiten geben.

Ferner will man die Geldwäsche wirkungsvoller bekämpfen und durch ein finanzielles Anreizsystem Hinweise aus der Bevölkerung auf Straftaten und –täter stimulieren. Unter einen landeseinheitlichen Rufnummer sollen anonymisierte Verbrechensanzeigen erleichtert werden. Verabschieden will man ein Gesetz, dass verurteilte Entführer und andere Gewaltverbrecher künftig von der Möglichkeit ausnimmt, in den Genuss verzeitiger Haftentlassung zu kommen. Innerhalb von drei Jahren soll ein monitoring aus der Zivilgesellschaft aufgebaut werden, dass die Maßnahmen begleitet und auf ihre Wirksamkeit überprüft. Begleiten will man die Maßnahmen auch mit umfangreichen Präventionskampagnen, die eine „Kultur der Legalität“ fördern sollen.

Ein Blick auf das Maßnahmenpaket zeigt allerdings auch, dass viele der angekündigten Vorhaben keineswegs neu sind. Das macht es vielen Bürgern auch schwer, den Politikern ihr „Diesmal aber halten wir uns an unseren eigenen Beschlüsse“ so ohne weitere abzunehmen. So stand eine Säuberung der Polizeikräfte schon auf der Tagesordnung der Vorgängerregierung von Vicente Fox. Das Erziehungsministerium hatte sich vorgenommen, bis Jahresende 16.446 Standorte in ein Projekt „sichere Schule“ einzubeziehen, der nationale Pakt reduziert dieses Vorhaben mit weiterem Zeitfenster auf 13.500, obwohl darin nun auch die Privatschulen eingeschlossen sein sollen. Auch das Versprechen, mehr Geld in die Drogenberatung und die Betreuung von Drogenabhängigen zu investieren, wurde schon mehrfach gegeben – mit zweifelhaftem follow up.

Prominentenfall als Auslöser

Steigende Verbrechenszahlen und die Brutalität der Straftaten halten Mexiko seit vielen Monaten in Atem, gerade Entführungsfälle und Morde erregen fast täglich Aufsehen. Der Tropfen, der das Fass der öffentlichen Geduld mit ihren Behörden jetzt zum Überlaufen brachte, war der eines besonders prominenten Opfers: Der 14jährige Fernando Martí, der trotz Lösegeldzahlung von seinen Kidnappern schließlich ermordet wurde, entstammt einer einflussreichen Unternehmerfamilie der mexikanischen Hauptstadt. Bereits beim Überfall war auch der Chauffeur der Familie ums Leben gekommen, ein Leibwächter wurde schwer verletzt. Die Kondolenzbekundungen von Privatpersonen, Firmen, Verbänden und Organisationen füllten viele Seiten der nationalen Presse, am Trauergottesdienst nahm Präsident Calderón persönlich teil.

Unmittelbar danach begann ein heftiger politischer Schlagabtausch zwischen nationaler Regierung und der des Hauptstadtdistrikts unter PRD-Bürgermeister Marcelo Ebrard führte. Präsident Calderón warf dem Hauptstadtbürgermeister vor allem die fehlende Kooperation in Sicherheitsfragen vor. Von einer engen polizeilichen Kooperation verschiedener Instanzen war offenbar einmal mehr keine Rede. Ebrard ist einer der wenigen Amtsträger, der sich auch Treffen mit Calderón bislang – und bis zum aktuellen Treffen des nationalen Sicherheitsrates - konsequent verweigerte, ganz im Sinne seines „legitimen“ Präsidenten Andrés Manuel López Obrador.

Der Kritik zugrunde liegt allerdings auch die katastrophale Situation der Sicherheitsbehörden der Hauptstadt, die von Korruption durchsetzt zu sein scheinen. Mittlerweile steht außer Zweifel, dass die Bande der Entführer von Fernando Martí im wesentlichen aus Polizisten bestand, Angehörigen verschiedener Polizeikörper schaften mit exklusivem Datenzugang über ihre Opfer. Was folgte war eine ad hoc-Restrukturierung der örtlichen Generalstaatsanwaltschaft und der Sicherheitsbehörden der Haupstadt, die bereits zuvor von einem heftigen Skandal auf anderer Ebene erschüttert worden waren: bei einem präventiven Polizeieinsatz in der Diskothek News Divine vor einigen Wochen gab es zahlreiche jugendliche Todesopfer, die als Folge von Panikreaktionen und verstellter Ausgänge zu Tode getrampelt und gequetscht wurden. Erst mit Zeitverzug rollten Köpfe, das Image des Hauptstadtbürgermeisters nahm schweren Schaden.

Im Zentrum des Problems: die Polizei

Auch insgesamt, so Experten, steht eine saubere und schlagkräftige Polizei im Mittelpunkt möglicher Verbesserungen. Bis dahin ist es allerdings ein langer Weg: Neunzig Prozent der Mexikaner gehen davon aus, dass Polizisten oder ehemalige Polizisten regelmäßig an Verbrechen beteiligt sind. Dem will man jetzt zuleibe rücken, indem man die derzeit 152.147 Kommunalpolizisten, ihre 203.434 Kollegen auf Ebene der Bundesstaaten und die 20.353 Angehörigen der Bundespolizei künftig regelmäßig auf Drogenkonsum , medizinische und psychologische Gesundheit sowie eine Veränderung ihrer Eigentumsverhältnisse überprüft. Niedrige Gehälter, schlechte Ausbildung und schlechte Vernetzung aber sind Dauerprobleme. Mehr als die Hälfte der Polizeiangehörigen- sie verdienen nach Angaben des Sicherheitsministeriums in Mexiko zwischen 600 und 1200 Dollar monatlich, verfügt zudem gerade einmal über Grundschulbildung.

„Bei Misserfolg Rücktritt“

Für den Vater des Opfers, Alejandro Martí, ist die Vorgabe einer wirksamen Verbrechensbekämpfung und der Auftrag an die Verantwortlich klar. „Meine Damen und Herren“, rief er den Teilnehmern des Krisengipfels zu, „wenn sie glauben, die Hürde liegt zu hoch, wenn sie glauben, dass es unmöglich ist, treten sie zurück, aber bleiben sie nicht in den Regierungsbüros sitzen, beziehen sie nicht weiter ein Gehalt fürs Nichtstun – denn auch das ist Korruption.“ Und Sergio Sarmiento schreibt in seiner vielgelesenen Kolumne in der Zeitung Reforma am 22. August: „Wenn man das Verbrechen mit großen Plänen der Regierung bekämpfen könnte oder mit gutbesuchten Veranstaltungen staatlicher Funktionsträger, wäre Mexiko wohl eines der sichersten Länder der Welt.“

Einmal mehr wird der Glaubwürdigkeitsverlust der mexikanischen Politik überdeutlich – das Vertrauen der Bürger ist auf einem Tiefpunkt. Dass nun auch höchst umstrittene Figuren wie die Vorsitzenden der Lehrer- und der Erdölgewerkschaft, Elba Esther Gordillo und Carlos Romero Dechamps, als „Zeugen der Zivilgesellschaft“ den Verbrechenspakt unterschrieben, von den Medien schön ins Bild gerückt, dürfte die Hoffnungen der Mexikaner auch nicht gerade überborden lassen.

Zentraler Faktor Zivilgesellschaft

Ein zentraler Faktor in den Debatten könnte vor diesem Hintergrund die organisierte Zivilgesellschaft und der von ihr erzeugte Druck werden. So ruft die vor rund zehn Jahren gegründete Opfer- Organisation „México Unido contra la Delincuencia“ zusammen mit zahlreichen anderen Organisationen für den 30. August zu einer Großdemonstration in der Hauptstadt auf. Mit ganzseitigen Anzeigen macht der Unternehmerverband COPARMEX auf die Lage aufmerksam und prangert vor allem die Sraflosigkeit der Täter an, die zu 99,3 Prozent nicht ermittelt bzw. verurteilt würden. Die Verantwortung sei vor allem im Hauptstadtdistrikt, in den Bundesstaaten und den Gemeinden zu suchen.

Nicht nur dort hofft man, dass der jetzt beschlossene Pakt etwas weniger hilflos wirkt als die Präsidenteninitiative von Felipe Calderón vor einigen Woche, die für Entführungen künftig die lebenslange Freiheitsstrafe einzuführen forderte. Spezialisten versprechen sich davon wenig – die Probleme lägen woanders. Bevor man Gesetze ändere, so COPARMEX-Präsident Ricardo González Sada, solle man erst einmal die bestehenden anwenden. Auch verbietet der Artikel 22 der mexikanischen Verfassung bisher die unbegrenzte Freiheitsstrafe.

Eine ganz andere Lesart hat einmal mehr Andrés Manuel López Obrador: für ihn ist die „politische Mafia“ allemal gefährlicher als das organisierte Verbrechen. Sein „Vorschlag“: die Verhinderung der „Privatisierung von Pemex“, eine produktivere Ausrichtung des Staatshaushaltes und erst einmal die Rücktritte des Innenministers, des Ministers für öffentliche Sicherheit und des Generalstaatsanwalts. Erster (Juan Camilo Mouriño) sei nachweislich „ein geständiger Straftäter“, die anderen (Genaro García Luna und Eduardo Medina Mora) hätten schon in den sechs Jahren der Regierung Fox ihre Unfähigkeit bewiesen.

Energiereform dümpelt vor sich hin

Angesichts des alles überstrahlenden Sicherheitsthemas treten andere Dauerbrenner der mexikanischen Politik derzeit in den Hintergrund, sogar die Auseinandersetzungen um die Energiereform. Unsicher ist, wie es dabei weitergeht, wenn die Parlamentarier in wenigen Wochen aus der Sommerpause kommen.

Mit einer sogenannten „Consulta“ hatte derweil die PRD die Bürger aufgerufen, über die Pläne zu einer Energiereform abzustimmen: rund 1,5 Millionen Mexikaner sollen sich daran beteiligt haben. In der Hauptstadt, dem „Epizentrum“ der Initiative, sollen es rund 870.000 Beteiligte gewesen sein, deutlich weniger als bei früheren Initiativen. Bei den Fragestellungen war zudem sehr summarisch nach der Einstellung zur Beteiligung von Privatkapital am staatlichen Energiekonzerns PEMEX und allgemein nach der Zustimmung zu den „derzeit im Kongress diskutierten Initiativen“ gefragt worden. Rund 80 Prozent Ablehnung waren dann keine wirkliche Überraschung. Erst am 15. Juli waren von der Wahlkommission der Hauptstadt die Fragestellungen für die knapp zwei Wochen später stattfindende Abstimmung veröffentlicht worden – aber darauf kam es wohl auch gar nicht an.

Die anderen Parteien haben unterdessen die PRD immer wieder aufgefordert, eigene Vorschläge zur Reform des Energiesektors zu machen. Diese stehen weiter aus, wofür nicht zuletzt die innere Zerrissenheit der Partei – seit Monaten kämpfen zwei Lager nach desaströsen Vorstandswahlen und vielen Manipulationen parteiintern um die Macht – verantwortlich sein dürfte. „Die PRD“, so die Neue Zürcher Zeitung am 5. August, „ist von einem Hoffnungsträger zu einer Bürder der mexikanischen Demokratie abgesunken.“

Mittlerweile hat aber der Privatsektor seine Initiativen vorgelegt, die den Vorschlägen von Präsident Calderón in vielen Punkten gleichen, sich aber durchaus von denen der PRI unterscheiden. So fordern die ersteren eine Beteiligung des Privatsektors im Energiebereich, die PRI setzt auf neu zu gründende Tochterfirmen von PEMEX selbst. Die Unternehmer wünschen gleichzeitig allerdings eine private Beteiligung speziell an Tiefsee-Explorationen, was sowohl PRI als auch Präsident Calderón ablehnen. Letztere sehen zudem eine massive Gewerkschaftsbeteiligung in den PEMEX-Aufsichtsgremien vor, der Privatsektor will diese auf einen Vertreter beschränken.

Deutlich konzentriert sich der Reformbedarf einmal mehr auf die PEMEX-Gewerkschaft STPRM (Sindicato de Trabajadores Petroleros de la República Mexicana), die aufgrund ihrer PRI-Lobby gleichwohl unangetastet bleiben dürfte. Mit ihr hängt die Unproduktivität der Firma entscheidend zusammen, was bereits ein Blick auf Beschäftigungszahlen belegt: So setzen 107.000 Beschäftigte bei Marktführer Exxon Mobil jährlich 372 Milliarden Dollar um, 141.000 PEMEX-Angestellte bringen es gerade einmal auf 103 Milliarden. Selbst das brasilianische Staatsunternehmen Petrobras schafft einen ähnlichen Umsatz mit der Hälfte der Mitarbeiter.

Schatten über der Wirtschaftslage

Wie andere Länder auch kämpft Mexiko derzeit an zwei Fronten: den Gefahren einer Konjunkturabkühlung und gleichwohl steigender Inflation. Mit mutigen Zinsschritten nach oben hat die mexikanische Nationalbank bisher auf Geldwertstabilität gesetzt – gegen klar formulierten Widerstand aus der Politik. Da die Inflationserwartungen für 2008 aber mittlerweile oberhalb der Fünf Prozent-Marke angekommen ist, sahen die Banker um BANXICO-Chef Guillermo Ortiz keinen anderen Auswegen, auch wenn ein Leitzinsniveau von oberhalb der acht Prozent konjunkturdämpfende Wirkung haben könnte. Den mexikanischen Peso allerdings hat diese Politik zu ungeahnter Stärke geführt: Erstmals seit 2002 war kürzlich ein US-Dollar für weniger als zehn Pesos zu haben. Gegenüber dem Dollar hat der Peso im laufenden Jahr schon um fast zehn Prozent aufgewertet.

Allerdings hat die Nationalbank auch gedämpfte Wachstumserwartungen im Blick. Sie reduzierte ihre Erwartungen für 2008 auf einen Korridor zwischen 2,25 und 2,75 Prozent. Auch erwartet die Bank im laufenden Jahr nur noch die Schaffung von etwa 370.000 neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in Mexiko, etwa einem Drittel dessen, was angesichts des Zuwachses der ökonomisch aktiven Bevölkerung nötig wäre. Mit einem großen Infrastrukturprogramm versucht die Regierung seit Monaten, die Wirtschaft anzukurbeln.

Mit Mini-Erhöhungen der Benzinpreise reagiert die Regierung zudem auf den deutlich gestiegenen Ölpreis: So erfolgten innerhalb von sieben Wochen vier Anpassungen, die den Preis für den Liter bleifreies Normalbenzin auf 7,32 Pesos und den für bleifreies Superbenzin auf 9,13 Pesos brachten. Weltweit dürfte Mexiko dabei aber immer noch am alleruntersten Rand für Energiepreise stehen – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat sich Benzin zudem im Durchschnitt gerade einmal um rund 6,5 Prozent verteuert, gleichwohl ist es dam it ein Inflationstreiber.

Dahingestellt bleibt, ob die unbefriedigenden Wirtschaftsaussichten auch Grund dafür waren, dass Präsident Calderón Anfang August seinen Wirtschaftsminister Eduardo Sojo entließ und durch den Leiter seines Präsidialamtes, Gerardo Ruiz Mateos, ersetzte. Ihm hat Calderón als Weisung mit auf den Weg gegeben, zur Deregulierung der mexikanischen Wirtschaft und zur „Befreiung ihrer Produktivkräfte“ beizutragen, damit sich Wachstumsimpulse einstellen.

„Faktische Mächte“ omnipräsent

Für viele Unternehmer machen steigende Rohstoffpreise allerorten gerade die Beteiligung an staatlichen Ausschreibungen – da müssen die Angebote oft über einen längeren Zeitraum garantiert werden, Gleitklauseln und Indexierungen sind unüblich – zum Risiko: Erhalten sie den Zuschlag, sind ihnen die Grundstoffpreise oft davongelaufen, kalkulieren sie zu hoch, ist die Chance auf den Auftrag dahin. Die naheliegende Lösung: eine Flucht in noch mehr Kartellverhalten – ohnehin ein Grundproblem der „vermachteten“ mexikanischen Wirtschaft.

Diese sogenannten „faktischen Mächte“ Mexikos – neben dem Unternehmersektor vor allem bei den Gewerkschaften im staatlichen und parastaatlichen Bereich zu finden – sind mit dem politischen Machtwechsel 2000 ja keineswegs verschwunden. Ein dichtes Netz einflussreicher „Stippenzieher“ verbindet sie mit der Politik, oft sind sie praktischerweise auch gleich selbst politische Akteure. Ganz bewusst versucht gerade die ehemalige „Staatspartei“ PRI immer wieder, diese korporatistischen Zusammenhänge als Garantie von Stabilität zu verkaufen, gerade in unruhigen und unsicheren Zeiten nicht ohne Erfolg.

Als Beispiel lässt sich immer wieder der Mediensektor nennen: während noch im vergangenen Jahr mutige Schritte des Parlaments zur Eindämmung der Monopolstrukturen bei Hörfunk und Fernsehen, beim sogenannten „Ley Televisa“ erwartet wurden, ist mittlerweile eine komplette Desillusionierung eingetreten. Die Initiativen schlummern in den Ausschüssen, der PAN-Fraktionsvorsitzende im Senat, Santiago Creel, verlor seinen Posten nach Meinung vieler Beobachter gerade auf Druck des Fernseholigopolisten.

Aus lauter Zorn trat darüber der Medienpolitiker und Ex-Senator Javier Corral aus dem Parteivorstand der PAN zurück. „Heute“, so Corral in einer Erklärung, „sind wir Zeuge einer bedauerlichen Unterordnung großer Teile der politischen Klasse in Regierung und Partei unter die Macht der Fernsehkonzerne.“ Die Effekte seien nicht zuletzt für das institutionelle Leben der PAN eine Katastrophe.

Bereits im Juli hatte Corral Aufsehen erregt, als er trotz erheblicher sonstiger Differenzen mit dem ehemaligen Parteivorsitzenden Manuel Espino bei der Vorstellung von dessen Buch „Alarmsignal“ auftrat und - argumentativ Hand im Hand mit dem Autor - heftige Kritik am Handeln der Regierung Calderón und seiner Parteiführung übte: Nicht zuletzt wegen des Ausmaßes der Zugeständnisse an die PRI – und die „faktischen Mächte“.

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