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Kabinettsumbildung nach Rücktritt von Wirtschaftsminister Machinea

von Frank Priess
Die argentinische Regierung kommt nicht zur Ruhe: Nach dem Rücktritt von Wirtschaftsminister José Luis Machinea am vergangenen Freitag sah sich Präsident Fernando de la Rúa gezwungen, zum wiederholten Mal sein Kabinett umzubilden.

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Zunächst berief der Präsident nach intensiven Beratungen am Wochenende seinen bisherigen Verteidigungsminister Ricardo López Murphy (49) zum Wirtschaftsminister und machte den bisherigen Generalsekretär des Präsidialamtes, Horacio Jaunarena (57) zum neuen Verteidigungsminister. Letzterer gewinnt damit einen Posten zurück, den er bereits in der Alfonsín-Regierung 1989 ausübte. López Murphy seinerseits kann auf eine lange und erfolgreiche akademische Laufbahn zurückblicken, war Berater der Interamerikanischen Entwicklungsbank, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds, der uruguayischen Zentralbank und ist seit 1999 Verteidigungsminister.

Im Laufe der Woche sollen überdies weitere Änderungen bekannt gegeben werden, nachdem der Präsident unmittelbar nach dem Machinea-Rücktritt auch alle anderen Minister aufgefordert hatte, ihre Ämter zur Verfügung zu stellen. Nicht zuletzt wird darüber spekuliert, ob der ehemalige Wirtschaftsminister der Menem-Regierung und Vater der Konvertibilität, Domingo Cavallo, Regierungsverantwortung übernehmen oder an die Spitze der Zentralbank rücken könnte.

Zu den "Wackelkandidaten" gehören einstweilen sowohl Innenminister Federico Storani (UCR) als auch Sozialministerin Graciela Fernández Meijide (FREPASO), wobei vor allem letztere in ihrer bisherigen Amtsausübung stark enttäuschte und Angriffsflächen bot.

Viel spricht allerdings auch dafür, dass sich Personalwechsel eher auf die zweite Reihe der Staatssekretäre beschränken werden. Zu problematisch könnte sich sonst das Gleichgewicht in der Regierungsallianz präsentieren, die zumindest im Moment niemand völlig aufs Spiel setzen will.

Über einen Abgang Machineas wurde in Argentinien seit rund einem Jahr spekuliert: Galt er bereits zu Beginn nicht als idealer Kandidat - zu präsent war noch seine Rolle als Zentralbankchef in der Hochinflationszeit zum Ende der Regierung von Raúl Alfonsín und zu umstritten war die Frage, ob gerade er den Märkten würde Vertrauen einflössen können - so gaben seine ersten Maßnahmen als Minister erst recht Anlass zur Kritik: Mit einem massiven Steuererhöhungsprogramm würgte er nach Meinung von Wirtschaftsbeobachtern einen möglichen Aufschwung ab, wichtige Reformvorhaben kamen nicht voran und auch Impulse gegen die Arbeitslosigkeit waren nicht zu erkennen.

Zwischenzeitlich aber konnte sich Machinea "konsolidiert" fühlen: Bei der Kabinettsumbildung im Herbst des vergangenen Jahres verabschiedete Präsident de la Rúa interne Widersacher Machineas und übertrug ihm zusätzliche Kompetenzen, gegen Ende des Jahres war er der Architekt des rund 40 Milliarden Dollar schweren Hilfspaktes internationaler Finanzorganisationen für das von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Argentinien.

Mit dieser "blindaje" ("Panzerung") sollte der Aufschwung gelingen, in den Monaten danach aber passierte nicht viel. So ist es folgerichtig, dass Machinea jetzt das Handtuch warf, auch wenn für sein Scheitern wohl eher politische und in der Zerrissenheit der Regierungsallianz zu suchende Gründe den Ausschlag geben als fehlende Wirtschaftskompetenz.

Nachfolger Ricardo López Murphy galt schon vor dem Wahlsieg de la Rúas als möglicher Kandidat für das Wirtschaftsamt. Mit seiner Aussage im Wahlkampf aber, Argentinien brauche einen geringeren Kostendruck und sinkende Löhne, katapultierte sich der als orthodoxer "Chicago Boy" geltende López Murphy aus der ersten Reihe und wurde mit dem Verteidigungsministerium entschädigt.

Vor allem der eher linksorientierte Vorsitzende des Regierungspartners UCR und Ex-Präsident Raúl Alfonsín galt als López Murphy-Gegner und auch dem Regierungspartner FREPASO schien der Mann nicht zumutbar zu sein. Eigentlich keine guten Voraussetzungen für den jetzigen Neu-Start. Dass der Präsident dennoch auf López Murphy setzt, zeigt vielen Beobachtern die Problematik seiner Situation.

Wieder einmal und wie schon im Umfeld der "blindaje" ist von einer "letzten Chance" dieser Regierung die Rede. In der öffentlichen Meinung billigen ihr nach einer gerade publizierten Gallup-Umfrage nur 13 Prozent der Bürger eine positive Amtsführung zu, für negativ halten sie 39 Prozent und 46 meinen, sie sei "durchschnittlich". Der Präsident selbst ist nach einer positiven Bevölkerungsmeinung von 75 Prozent zu Beginn seiner Amtszeit mittlerweile bei trüben 29 Prozent Zustimmung angekommen.

Da ist es kein Wunder, dass immer wieder auch der Name Domingo Cavallos fällt. Bereits seit Wochen werden aus den Regierungsparteien schwere Geschütze gegen Zentralbankchef Pedro Pou aufgefahren, den man unbedingt ablösen will. Das vorgeschoben wirkende Argument dabei: Pou habe die Geldwäsche argentinischer und nordamerikanischer Banken nicht hinreichend bekämpft und vor allem Informationen darüber zurückgehalten.

Noch von der Menem-Regierung eingesetzt und mit Mandat bis 2004 ausgestattet, gilt Pou allerdings auch als beinharter Verteidiger der Stabilitätspolitik und der Peso-Dollar-Partität von 1:1. Außerdem kommt Sperrfeuer gegen Pou von der Regierung der Provinz Buenos Aires: Hier ist offenbar ein Problem zwischen der Zentralbank und der provinzeigenen Banco Provincia der Grund. Die Zentralbank hat die Provinzbank - die immerhin für 12 Prozent der Einlagen in Argentinien steht - aufgefordert, die Liquidität bei der Kreditvergabe an Private nicht durch einseitige hohe Ausleihungen an die Provinz zu gefährden.

In den letzten Monaten hatte die Provinzbank der Provinzregierung 1,3 Milliarden Pesos zur Verfügung gestellt. Angesichts immer lauter werdender Forderungen, den Geldhahn weiter aufzudrehen und mit Konjunkturprogrammen à la Keynes die lahmende Wirtschaft auf Trab zu bringen, wird die vielfältige Gegnerschaft zu Pedro Pou erst richtig verständlich.

Cavallo seinerseits nämlich traut man zu, die strikte Dollar-Bindung durch eine solche an einen Währungskorb zu lockern, gleichzeitig aber das Vertrauen der internationalen Finanzwelt zu bewahren. Dann könnte, so das unwiderstehliche Argument der bunten Schar der "Neo-Keynesianer", ein Teil der im Rahmen des Currency-Boards zur Abstützung der Konvertibilität "eingelagerten" Reserven für vielfältigste Regierungsprogramme zur Verfügung stehen. Auch ließe sich mit dem Einschluss von Cavallos "Acción por la República" die eigene Regierungsbasis verbreitern.

Schwer vorstellbar eigentlich nur, dass sich López Murphy und Cavallo für solche Operationen tatsächlich zur Verfügung stellen, gelten doch beide als Anhänger strikter Haushaltsdisziplin. Auch die Finanzmärkte, die im Gegensatz zum "Mann auf der Straße" bisher positiv auf den Wechsel reagiert haben, dürften dann Argentinien unmittelbar mit weiterem Vertrauensentzug strafen und das Länderrisiko, das ohnehin bereits wieder im Steigen begriffen ist, weiter in die Höhe treiben. Entsprechend beeilte sich López Murphy auch, den Fortbestand der Konvertibilität in der jetzigen Form zu betonen.

Die Namen möglicher Mitstreiter im Wirtschaftsministerium, meist aus dem López Murphy eng verbundenen Wirtschafts-Think-Tank FIEL (Fundación de Investigaciones Económicas Latinoamericanas) scheinen ebenfalls für Solidität zu bürgen. Da passt denn ein direkter politischer Eingriff des Präsidenten in die Autonomie der Zentralbank, gestützt auf ein nötiges Votum des Senats (für das es dort, wo die oppositionellen Peronisten dominieren, derzeit übrigens keine Mehrheit gibt), kaum vertrauensbildend in die Landschaft.

Mit einem neuen Wirtschaftsminister allein aber, so die allgemeine Einschätzung in Buenos Aires, wird die Krise dieser Regierung kaum zu beheben sein. Zu vielstimmig ist das dissonante Konzert aus den Regierungsparteien, zu gering offenbar die Führungskapazität des Präsidenten, der sich seit Monaten erfolglos bemüht, verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Für dringend notwendige Reformen fehlt der Elan.

Auch ist das Klima des beginnenden Wahlkampfes zu Senat und Abgeordnetenhaus, wo wichtige Führungsfiguren aus den Regierungsparteien sich bemühen, mit- und gegeneinander Profil und günstige Ausgangspositionen für die Zukunft zu gewinnen, kaum geeignet, zu einem einheitlichen Erscheinungsbild der Regierung beizutragen.

Immer mehr zeigt sich, dass der Wahlsieg 1999 eben eher eine Anti-Regierungs- als eine Pro-de la Rúa-Wahl war. Inhaltliche Gegensätze der "Allianz", lange dem gemeinsamen Ziel der Machtgewinnung untergeordnet, brechen jetzt in der Regierung auf und erschweren konsequentes Handeln. Wie lange sich dies durchhalten lässt, bleibt einstweilen ungewiss.

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Leiter des Auslandsbüros Chile

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