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PAN für Josefina Vázquez Mota

von Frank Priess

Kandidatenfeld für Präsidentschaftswahl komplett

Letztlich war die Entscheidung deutlich: Rund 54 Prozent der abgegebenen Stimmen konnte Josefina Vázquez Mota beim Mitgliederentscheid ihrer PAN am 5. Februar auf sich vereinigen und damit ihre Mitbewerber Ernesto Cordero (rund 38 Prozent) und Santiago Creel (rund sechs Prozent) deutlich hinter sich lassen. Damit schickt erstmals eine der großen Parteien eine Frau ins Rennen um das Präsidentenamt, das am 1. Juli entschieden wird.

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Nachdem sich die Linksparteien schon vor Wochen auf eine erneute Kandidatur des 2006 unterlegenen Andrés Manuel López Obrador (AMLO) festgelegt hatten und die PRI-Kandidatur ebenfalls seit längerer Zeit an Enrique Peña Nieto vergeben wurde, ist das Bewerberfeld damit komplett. Die aktuellen Umfragen sehen den PRI-Bewerber deutlich vorn, Vázquez Mota käme danach zur Zeit auf den zweiten Platz, AMLO würde Dritter. Das Beispiel 2006 sollte allerdings all denen zu denken geben, die schon jetzt von einer sicheren Sache für den Ex-Gouverneur des Bundesstaates Mexiko ausgehen.

In den internen Umfragen hatte die bisherige Fraktionsvorsitzende der PAN im Abgeordnetenhaus und frühere Ministerin (Sozialministerin im Kabinett Fox, Erziehungsministerin im Kabinett Calderón) dauerhaft vorn gelegen, bis zu zwei Dritteln der rund 1,8 Millionen wahlberechtigten PAN-Mitglieder und eingetragenen Sympathisanten (adherentes) hatten sich für Vázquez Mota ausgesprochen – letztlich reichten ihr bei niedriger Wahlbeteiligung rund 265.000 Stimmen. Da parteiinterne Abstimmungen gleichwohl ihren eigenen Charakter haben, hatte sich trotzdem auch Ex-Finanzminister Ernesto Cordero Siegchancen ausgerechnet. Senator Santiago Creel – er war schon 2005 gegen Felipe Calderón in der parteiinternen Wahl unterlegen – wurde dabei ganz offensichtlich Opfer der Zuspitzung auf diesen Zweikampf. Dies mag eine Umfrage der Zeitung Reforma aus dem vergangenen Dezember verdeutlichen, wo Vázquez Mota bei 40, Creel bei bei 25 und Cordero bei 14 Prozent gelegen hatten.

Die interne Auseinandersetzung war in den zurückliegenden Wochen mit erheblicher Schärfe geführt worden, wobei Cordero den Part des Angreifers übernahm, während Vázquez Mota sich eher präsidial gab. Auch bei zwei per Internet übertragenen Debatten der Kandidaten vermochte es Cordero nicht, das Steuer herumzureißen. Beide versuchten gleichzeitig, wichtige Akteure der Partei auf ihre Seite zu ziehen, besonders den PAN-Gouverneuren trauten sie Einfluss auf den Wahlausgang zu.

Den Ausschlag dürfte wohl gegeben haben, dass sich viele PANistas mit Josefina Vázquez Mota gegenüber dem PRI-Kandidaten Peña Nieto einfach bessere Siegchancen ausrechnen. Die gelernte Ökonomin bietet per se deutlich weniger Angriffsflächen als der ehemalige Finanzminister, dem alle wirtschaftlichen Probleme unmittelbar zugerechnet werden – auch wenn die Wirtschaftsbilanz Mexikos so schlecht nicht ist. Zwar dürfte es in Mexiko keinen Frauenbonus geben – schon gar nicht bei der weiblichen Wählerschaft – einen Nachteil allerdings stellt das Frausein ebenfalls längst nicht mehr dar. Zudem zwingt dieses Alleinstellungsmerkmal die Wettbewerber erfahrungsgemäß zu anderen Umfangsformen und zu einer speziellen Wahlkampfdynamik.

Die PRI als frontrunner

Auf den ersten Blick geht die PRI mit Rückenwind in die Auseinandersetzung: Nur wenige in Mexiko scheint die Aussicht zu schrecken, die jahrzehntelangen Alleinherrscher könnten erneut die Macht in Los Pinos übernehmen. Und eigentlich war die Partei ja nie wirklich Opposition: Dauerhaft regiert sie rund zwei Drittel der Bundesstaaten und eine deutliche relative Mehrheit der Städte und Gemeinden des Landes. Die Zwischenwahl 2009 brachte ihr gemeinsam mit den verbündeten Grünen – auch in den kommenden Auseinandersetzungen treten die beiden Parteien als Wahlallianz auf – die Mehrheit im Abgeordnetenhaus und weitere Stärkung ihrer Veto-Position, unter der die performance der PAN-Regierungen von Vicente Fox und Felipe Calderón dauerhaft deutlich zu leiden hatte.

Zudem verfügt die PRI nach wie vor über die solideste Parteiorganisation in der Fläche ganz Mexikos, mit ihren Klientelnetzwerken können weder die PAN noch die Linksparteien mithalten. Die Wahlrechtsreform von 2007 hat speziell der PAN das Instrument erfolgreicher audiovisueller Wahlkämpfe aus der Hand geschlagen, mit dem man speziell 2006 punkten konnte. Die Einschränkungen lassen effiziente spots, Zielgruppenorientierungen und deutliche Kontrastierungen kaum noch zu.

Nicht zuletzt ist Enrique Peña Nieto ein attraktiver Kandidat – nicht nur für die weibliche Wählerschaft Mexikos. Sein systematisch gepflegtes Image – gemeinsam mit seiner Frau füllt er fast mehr die sozialen als die politischen Spalten und Sendeplätze von Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen – zeigt ihn als Exponenten einer neuen PRI, auch wenn sich hinter ihm die Bataillone der Vergangenheit drängen. Sein jüngster Wahlerfolg im eigenen Bundesstaat Mexiko – mit rund 60 Prozent kam der von ihm promovierte Gouverneurskandidat auf rund doppelt so viele Stimmen wie die Mitbewerber zusammen – zeigte das Zusammenspiel von Image, performance und effizienter Wahl- und Machtadministration in aller Deutlichkeit.

Am schwersten aber scheint zu wiegen, dass die PAN-Kandidatin nicht mit dem Rückenwind einer als erfolgreich angesehenen Regierungspolitik rechnen kann. Nach zwei Amtszeiten von PAN-Präsidenten ist eher eine Ermattung spürbar, auf den Gebieten der Wirtschafts- und vor allem der Sicherheitspolitik sind große Teile der Bevölkerung unzufrieden. Dass dabei Defizite nicht unbedingt immer der Bundesregierung zugerechnet werden können – erstaunlicherweise werden etwa die Parteien von Gouverneuren sogar in ausgesprochenen Problemgebieten mit großen Mehrheiten bestätigt – macht die Sache in der Wahrnehmung der Bürger nicht besser. Immer noch ist es in Mexiko ganz stark el señor presidente, von dem Heil und Rettung erwartet werden – auch wenn er verfassungstechnisch längst nicht so stark ist, wie er zu PRI-Zeiten in anderem Kontext einmal aussah.

Anlass für PAN-Optimismus?

Woraus also kann Optimismus für eine PAN-Kandidatur und einen PAN-Sieg im Juli vor diesem Panorama überhaupt erwachsen?

Da ist zunächst die Entscheidung vom vergangenen Sonntag. Mit der Wahl von Josefina Vázquez Mota hat die PAN sicher ihre derzeit aussichtsreichste Karte gezogen. Der deutliche Sieg gibt ihr moralische Autorität, zumal ihre Partei einmal mehr die einzige war, die ihre Mitglieder demokratisch entscheiden ließ. Mit Vázquez Mota gewann zudem jemand, auf den der Begriff einer politischen selfmade-Frau zutrifft, die sich in unterschiedlichsten Funktionen bewährte. Überall setzte sich die Mutter von drei Töchtern durch, ohne von vornherein aus den Rückhalt im Parteiestablishment bauen zu können.

Dann ist da das Beispiel 2005/2006: Felipe Calderón gewann zunächst parteiintern gegen den Favoriten und viel bekannteren Santiago Creel, später startete er seinen Wahlkampf mit einem schier uneinholbar erscheinenden Rückstand auf Andrés Manuel López Obrador. Dessen Fehler in der Folgezeit waren es vor allem, die diesen Vorsprung schmelzen ließen – und vor Fehlern ist auch Enrique Peña Nieto nicht gefeit, wie Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zeigen. Und nicht immer sind die so harmlos wie die Verwechslung prominenter Autoren bei einer Buchmesse oder die anschließenden Ungezogenheiten einer Tochter in den sozialen Netzwerken.

Auch birgt Peñas Partei noch genügend Sprengstoff. Zwar zeigt die PRI derzeit den unbedingten Willen, zurück an die Macht zu gelangen, die Auswechslung ihres Parteivorsitzenden Moreira vor kurzem allerdings – er stolperte über einen heftigen Finanzskandal aus seiner Gouverneurszeit im Bundesstaat Coahuila – zeigt Verwundbarkeiten. Ungewiss ist auch, ob Ermittlungsverfahren gegen prominente PRI-Politiker wegen möglicher Verwicklungen ins organisierte Verbrechen noch Wirkung entfalten. Zudem platzte die gerade erst speziell von Peña promovierte Wahlallianz mit der „Lehrerpartei“ Nueva Alianza und ihrer Chefin Elba Esther Gordillo – regionale PRI-Größen rebellierten erfolgreich gegen das Abtreten sicherer PRI-Positionen an den Juniorpartner. Wer weiß, wie sich „die Lehrer“ nun orientieren und wem die geölte Machtmaschine ihrer Gewerkschaft jetzt zugute kommt.

Bleibt zudem die Frage des taktischen Wählens, des sogenannten voto util, das schon in den Wahljahren 2000 und 2006 aus Dreikämpfen Zweikämpfe machte. Kann die PAN, nachdem jetzt ihre Kandidatin feststeht, in den kommenden Wochen ihren zweiten Platz in den Wahlpräferenzen ausbauen und den Abstand auf López Obrador vergrößern? Kann sie sich taktischen Wählern und nicht zuletzt solchen, die schon jetzt eine PRI-Rückkehr in den Präsidentenpalast für unerwünscht halten, als die einzige wirkliche Alternative empfehlen? Die Chancen dafür scheinen nicht schlecht zu stehen, zumal die Kampagne der Linksparteien für eine liebenswürdige Republik nicht wirklich zu zünden scheint und ihrem Kandidaten die Rolle des schlechten Verlierers bei wichtigen Wählergruppen nachhängt.

Politisch sind zwar viele Bürger mit den Ergebnissen der Regierung nicht zufrieden – nach wirklichen Alternativen gefragt aber bleiben sie und andere Parteien die Antwort letztlich auch schuldig. Dies wird speziell in der Sicherheitspolitik deutlich: bei der PRI sieht man derzeit – zumindest offiziell - keine Alternative zum Militäreinsatz, und selbst López Obrador meint, er benötige mindestens sechs Monate, um die Truppen zurückzuziehen. Trotz hoher Opferzahlen zeigen Umfragen deutliche Mehrheiten für die Fortsetzung des Kampfes gegen die organisierte Kriminalität.

Ähnlich sieht es an der Wirtschaftsfront aus: an den ordentlichen makroökonomischen Daten Mexikos und der erfahrenen Stabilität vieler Mexikaner in den zurückliegenden rund 15 Jahren gibt es wenig zu deuteln, auch wenn zentrale Reformen blockiert und so eine bessere performance verhindert wurde. Schon 2006 schrieb das Wall Street Journal, Calderón habe seinen Sieg nicht zuletzt den „neuen Kunden von Walmart“, den neuen unteren Mittelschichten zu verdanken, die keine Experimente eingehen und das Erreichte nicht aufs Spiel setzen wollten. Nun ist Peña Nieto nicht López Obrador und 2012 nicht 2006 – aus dem Argument „Keine Experimente“ beziehungsweise „Viel getan – viel zu tun“, ließe sich aber gleichwohl etwas machen.

Koalition mit den Bürgern

Alles in allem erscheint es mehr als verfrüht, schon jetzt einen Sieger für die Wahl in fünf Monaten auszurufen. Auch in Mexiko ist die Zahl der Wechselwähler massiv gestiegen, viele Menschen entscheiden sich oft in letzter Minute und nicht immer nur aus rein rationalen Motiven. Für die PAN wird es darauf ankommen, die Präsidentschaftskandidatur mit innerparteilicher Geschlossenheit und nicht zuletzt glaubwürdigen Kandidaturen auf anderen Ebenen zu flankieren, schließlich werden auch Senat, Abgeordnetenhaus und die Gouverneurs- bzw. Bürgermeisterposten in sieben Bundesstaaten am 1. Juli neu besetzt.

Die interne Kandidatenkür vom 5. Februar war da ein guter Auftakt: Reforma veröffentlichte noch am 1. Februar eine Umfrage, nach der 67 Prozent der Befragten PANistas der Meinung waren, der interne Wahlprozess stärke die Partei, 72 Prozent hatten das Gefühl eines fairen und ausgewogenen Vorwahrprozesses und 60 Prozent sind sich sicher, auch die allgemeinen Wahlen im Juli zu gewinnen.

Und ein weiterer Paukenschlag vor wenigen Wochen ging in die gleiche Richtung: Für die Wahl in der Bundeshauptstadt gelang es der Partei, mit Isabel Miranda de Wallace eine hoch angesehene Vertreterin der Zivilgesellschaft ins Rennen schicken. Die Vorsitzende der Organisation Alto al Secuestro (Stoppt die Entführungen) hat dabei zwar einen deutlichen Umfragevorsprung der regierenden PRD – sie schickt Miguel Angel Mancera ins Rennen - und der PRI – sie wird wohl mit der ehemaligen Parteivorsitzenden Beatriz Paredes antreten – aufzuholen, erste Zahlen weisen darauf hin, dass ihr das gelingen könnte. Parteikandidaten der PAN sahen in Umfragen so chancenlos aus, dass die Parteiführung zu dieser außergewöhnlichen Initiative fand. Wallace kündigte an, in ihrem Wahlkampf und nach einem möglichen Sieg auf die besten Köpfe der Gesellschaft setzen zu wollen, unabhängig ihrer Parteisympathien. Viele Kommentatoren sehen die PAN mit dieser Kandidatin plötzlich als wettbewerbsfähig an. Das könnte ein Weg auch für andere Urnengänge sein.

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