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Länderberichte

Politische Krise in Chisinau

von Sabine Habersack
Die Entscheidung der moldawischen Regierung, in der Republik Moldau die russische Sprache als Pflichtfach in den Schulen einzuführen, hat in der Hauptstadt Chisinau eine Welle von Protesten ausgelöst.

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Die Entscheidung der moldawischen Regierung, in der Republik Moldau die russische Sprache als Pflichtfach in den Schulen einzuführen, hat in der Hauptstadt Chisinau eine Welle von Protesten ausgelöst. Da die Straßendemonstrationen von der oppositionellen Christlich-Demokratischen Volkspartei (PPCD) koordiniert wurden, hat Justizminister Morei am 21. Januar 2002 ein einmonatiges Betätigungsverbot über die Partei verhängt.

Während dieses Betätigungsverbotes darf PPCD sich nicht an die Massenmedien wenden und sich an keiner Wahlkampagne beteiligen, auch sind Banktransaktionen untersagt. Die PPCD hat gegen diesen Beschluss sofort Einspruch beim Obersten Gerichtshof eingelegt. Justizminister Morei wies darauf hin, dass die Tätigkeiten der Partei für 1 Jahr suspendiert wenden könnten, falls PPCD sich an das jetzige Betätigungsverbot nicht halten sollte.

Vorangegangen waren mehrere Demonstrationen in Chisinau gegen die Einführung der russischen Sprache als Pflichtfach in den Schulen und andere Tendenzen der Russifizierung in der Republik Moldau. "Haltet uns Russisch vom Hals" wird von den insbesondere rumänischstämmigen Moldauern gefordert.

Die erste große Protestaktion fand am 9. Januar auf dem einstigen Schauplatz großer Volksversammlung für die Demokratie, dem Platz vor der Großen Nationalversammlung, statt und wurde von PPCD koordiniert. Da die PPCD zuvor nicht die beantragte Demonstrationserlaubnis vom Innenministerium erhalten hatte, wurde die Demonstration in "Begegnung mit den Wählern" umbenannt.

Radio Rumänien International berichtete am Folgetag, dass bei dieser ersten großen Versammlung über 5.000 Teilnehmer gezählt worden seien. Es folgten inzwischen weitere Demonstrationen, so dass sich die postkommunistische Regierung der Republik Moldau inzwischen mit einem mehr als drei Wochen andauernden Protest konfrontiert sieht.

In einem von Radio Rumänien International geführten Interview drückt der Parteivorsitzende der PPCD, Iurie Rosca, seine Hoffnung aus, bis zum Frühjahr "eine neue Protestwelle in Gang zu setzen, bei der die Rumänen in der Republik Moldau zeigen werden, dass sie da sind". Der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der Republik Moldau, Mihai Cimpoi, sieht in der Demonstration vom 9. Januar das Startsignal "für den erneuten Kampf um unser Rumänentum und um die rumänische Sprache. Diesen Kampf haben wir 1990 begonnen. Unsere Regierenden verfolgen im Grunde genommen die erneute Russifizierung und unsere Entnationalisierung." Auch sei "eine erneute Sowjetisierung des Verwaltungssystems" festzustellen.

Nach den ersten großen Demonstrationen wurde außerdem ein "Komitee zur Entrussifizierung" mit Unterstützung der PPCD gegründet. Dieses soll hauptsächlich aus Professoren, Lehrkräften, Eltern und Parlamentsabgeordneten bestehen, die sich gegen diese neuen Maßnahmen der Regierung wenden.

Am 10. Januar versuchten die PPCD-Parlamentsabgeordneten Stefan Secareanu und Vlad Cubreacov die Regierung mit den Forderungen der "Begegnung mit den Wählern" vom Vortag zu befassen. Premierminister Vasile Tarlev soll dies jedoch zurückgewiesen haben.

Einen Tag später berichtete "Radio Moldau"in seinem rumänischen Programm, dass die Regierung der Republik Moldau in einer Presseerklärung die Demonstranten beschuldige, die Lage im Land zu destabilisieren und die Führung des Landes zu diskreditieren. Die Demonstrationen würden sich gegen den moldawischen Staat und die gegenwärtige Politik wenden, die sich bemühe, mit vereinten Kräften der gesamten Bevölkerung die Wirtschaft in Gang zu bringen und ein friedliches Zusammenleben aller Nationalitäten im Land zu erreichen.

Mit den Protestierenden in Chisinau erklärten sich auch mehrere Oppositionsparteien und Bürgerbewegungen aus Rumänien solidarisch, insbesondere die christlich-demokratische PNTCD, aber auch die liberale PNL und die Bürgerbewegung "Alianta Civica". Sie haben am 20. Januar 2002 vor der Botschaft der Republik Moldau in Bukarest demonstriert.

PNTCD-Vorsitzender Victor Ciorbea erklärte später, dass Protestnoten bei verschiedenen rumänischen Behörden, Botschaften der westlichen Staaten sowie der Botschaft der Russischen Föderation hinterlegt worden seien.

Nachdem das Betätigungsverbot über die PPCD verhängt worden war, soll laut "România libera" Victor Ciorbea noch am selben Tag mit mehreren Führungspersönlichkeiten der EVP und CDI (Martens, van Velzen, Agag) telefoniert haben, um sie zur Solidarisierung mit der moldawischen PPCD zu bewegen.

Das rumänische Außenministerium meinte mit Bezug auf die Verhängung des Betätigungsverbots über die PPCD, dass es sich um eine "Willkürmaßnahme" handele und man an der "Entwicklung der privilegierten Beziehungen mit der Republik Moldau auf pragmatischer Grundlage interessiert" sei.

Der rumänische Staatspräsident Ion Iliescu bezeichnete die Entscheidung des moldawischen Justizministers als "antidemokratischen und antieuropäischen Ausrutscher" und die Entwicklungen als "bedauerlich". Letztlich könnten sich aber die rumänischen Autoritäten nicht in die inneren Angelegenheiten der Republik Moldau einmischen, so Iliescu.

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Dr. Martin Sieg

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