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Politische Krise in Thailand

Die politische Stimmung in Thailand hat sich in den letzten Wochen aufgeheizt und mittlerweile kursieren auch Gerüchte um einen drohenden Militärputsch.

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Erst fünf Monate sind seit den letzten Wahlen vergangen, in denen die Nachfolgerin der Thaksin-Partei, die People’s Power Party (PPP), einen klaren Wahlsieg errungen hatte. Die PPP-geführte Regierung ist erst gerade 4 Monate alt, schon muss sie um ihr Überleben fürchten. Die politische Stimmung in Thailand hat sich in den letzten Wochen aufgeheizt. Seit dem 25. Mai demonstrieren Anhänger der Volksallianz für Demokratie (PAD) gegen den Premier und seine Regierung. Mittlerweile kursieren auch Gerüchte um einen drohenden Militärputsch.

Die PAD ist ein Zusammenschluss von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen und einzelnen Regierungskritikern. Angeführt wird sie von fünf prominenten Thaksin-Gegnern: Medientycoon Sondhi Limthongkul, NGO-Vertreter Piphop Thongchai, Gewerkschaftsführer Somsak Kosaisuk, Abgeordneter der Oppositionspartei Somkiat Pongpaiboon und Anführer eines Flügels der buddhistischen Sekte Santi Asoke Chamlong Srimuang. Damit repräsentiert die PAD ein breites Spektrum thailändischer Organisationen und Verbände. In 2006 ist es der PAD mit Massendemonstrationen gelungen, den damaligen Regierungschef Thaksin Shinawatra in die Knie zu zwingen. Die Krise hatte zum Militärputsch geführt.

Im Zentrum der Angriffe der PAD stehen Samak Sundaravej und seine People's Power Party (PPP). Der Hauptvorwurf lautet, dass es sich um eine Marionettenregierung handelt, die kein anderes Ziel verfolgt, als die Verfassung zu ändern, um eine Generalamnestie für Thaksin zu erreichen. Die Proteste sind mit einigen Tausend Demonstranten zwar nicht mit den Massendemonstrationen von 2006 vergleichbar, gleichwohl nicht unbedeutend, zumal sie die Sympathie der einflussreichen royalistisch-militärischen Elite des Landes genießen. General Saprang Kalayanamitr, einer der Anführer des Coups vom September 2006 und derzeit stellvertretender Staatssekretär im Verteidigungsministerium, macht kein Geheimnis aus seiner Unterstützung für die außerparlamentarische Opposition.

Thailändische Beobachter warnen angesichts der aufgeheizten Stimmung vor der aktuellen Putschgefahr. Er wird spekuliert, dass die angeblich drohende Rückkehr zu einem von Thaksin geprägten autoritären System einen neuen Putsch auslösen könnte. Das Militär hat entsprechende Gerüchte nicht glaubhaft ausgeräumt und setzt die Regierung damit zusätzlich unter Druck. Der Generalstabchef Boonsrang Niampradit hat in einem Interview die Regierung aufgefordert, auf die Öffentlichkeit zu hören. Auf die Frage, ob der Premier zurücktreten soll, antwortete er, dies hänge davon ab, ob der Premier die Krise beenden wolle oder nicht. Zweifelhaft erscheint in diesem Zusammenhang auch die Berichterstattung der Medien, die den Schluss zulässt, dass einige Meinungsbildner einem Militärputsch nicht negativ gegenüberstehen.

Die Regierung unter Druck

Auslöser der Krise ist auf den ersten Blick das Vorhaben der Regierung, die Verfassung von 2007 zu ändern. Die erst seit dem Vorjahr bestehende Verfassung - von den Putschführern des Herbstes 2006 in Auftrag gegeben - steht in mehreren Artikeln zur Disposition. Im Grunde genommen sind sich die gesellschaftlichen Akteure einig, dass die 2007er Verfassung weit hinter der alten Verfassung von 1997 zurückbleibt, wenn es um den demokratischen Anspruch geht. Konsensfähig ist daher auch die Forderung, dass die Verfassung geändert werden muss, wenn das Land in seiner demokratischen Entwicklung weiterkommen soll. Es geht nur noch um die Frage, wie, was und wann in der Verfassung geändert werden soll.

Der Vorstoß der PPP, nach nur wenigen Monaten nach der Übernahme der Regierungsverantwortung, hat den Verdacht in der Anti-Thaksin-Gruppe verstärkt, dass die PPP die Verfassungsänderung aus Eigeninteresse anstrebt, nämlich um Thaksin von den Korruptionsvorwürfen „reinzuwaschen“ und Parteiauflösungsverfahren zu verhindern. Insbesondere geht es um die Artikel 237 und 309. Nach Artikel 237 kann eine Partei aufgelöst werden, wenn ein Vorstandsmitglied Wahlbetrug begangen hat. Betroffen hiervon sind die Regierungspartei PPP und zwei Koalitionsparteien. Artikel 309 stellt die vom Militärputsch eingesetzte Übergangsverfassung mit allen Rechtsakten auch nach der Verkündung der aktuellen Verfassung unter Schutz. Dies würde u. a. zur Auflösung der von den Putschisten etablierte Antikorruptionsbehörde (Asset Scrutiny Committee) führen, das sich mit Korruptionsvorwürfen gegen Ex-Premier Thaksin befasst. Für die Aktivisten der PAD ist das ein Beweis, dass die PPP das politische Comeback von Thaksin vorbereiten will.

Aus rechtlicher Sicht ist dies aber umstritten. Gegen Thaksin laufen bereits Verfahren, die durch eine Verfassungsänderung nicht gestoppt werden können. Außerdem läuft der Auftrag des Asset Scrutiny Committee, dessen Amtszeit bereits einmal verlängert worden ist, ohnehin aus. Die Arbeit der Behörde wird von der National Counter Corruption Commission weitergeführt.

Eigentlich ist der Regierungsvorstoß zur Verfassungsänderung keine Überraschung, zumal die PPP ihren Wahlkampf im Dezember gegen den Militärputsch ausgerichtet und ihren Wählern versprochen hatte, die Verfassung zu ändern.

Unter dem Druck der Demonstrationen, der Medien und der traditionellen Elite des Landes hat die Regierung inzwischen ihre Ambitionen, die Verfassung so schnell wie möglich zu ändern, fallen gelassen. Nun wird sich eine parteiübergreifende Kommission, die auch Mitglieder außerhalb des Parlaments umfassen soll, mit der Verfassungsfrage befassen. Darauf haben sich die PPP und die Oppositionspartei Democrat Party geeinigt.

Das ist nicht das einzige Zugeständnis der PPP-geführten Regierung an die außerparlamentarische Opposition PAD. Zum ursprünglichen Forderungskatalog der PAD gehörte auch der Rücktritt des für die Medien zuständigen Staatsministers im Amt des Premierministers Jakropob Penkair, bekannt als energischer Thaksinist. In einer öffentlichen Rede im August 2007 hatte der Minister die damalige politische Krise in Thailand auf den „Zusammenstoß zwischen Demokratie und dem Patronagesystem“ zurückgeführt und dabei auch die Rolle der Monarchie erwähnt. Nach wochenlanger öffentlicher Kritik seitens der Oppositionspartei, der PAD und des Militärs ist der Staatsminister zurückgetreten und wird sich wegen Majestätsbeleidigung vor Gericht verantworten müssen. Majestätsbeleidigung ist eine Straftat in Thailand, die mit drei bis fünfzehn Jahren Gefängnisstrafe geahndet wird.

Die PPP hat somit zwei Hauptforderungen ihrer Kritiker erfüllt. Dennoch will die PAD weiter demonstrieren bis die Regierung zurücktritt, die jegliche Legitimation verloren hätte, weil sie anstatt die wirtschaftlichen Probleme zu lösen eine verdeckte politische Agenda verfolge. Es ist offensichtlich, dass die PAD sich die totale Verdrängung der Thaksin-Kräfte von der politischen Bühne auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Trotz Beteuerungen, der Politik den Rücken gekehrt zu haben, hält Thaksin nach weit verbreiteter Ansicht die Fäden der Regierungspolitik immer noch in seinen Händen. Darin – und mit Blick auf das ambivalente Verhältnis von Thaksin zum Königshaus – sieht die PAD auch eine Bedrohung der Monarchie.

Ursprünglich entstanden als demokratische Bewegung gegen eine autoritäre Herrschaft, versucht sich die PAD als Hüter der Monarchie und Religion zu profilieren. Dabei läuft sie Gefahr, sich in eine rückwärtsgewandte, ultranationalistische Bewegung zu verwandeln. Insbesondere auch, weil sie keine klare Position gegen einen Putsch bezieht.

Vor diesem Hintergrund sprechen bereits einige thailändische Intellektuelle der PAD eine legitime Begründung für die Fortführung der Demonstrationen ab. Inzwischen hat sich sogar der Vorsitzende der Oppositionspartei (Democrat Party) von der Forderung der PAD nach Regierungsrücktritt distanziert.

Keine Lösung in Sicht

Eine Lösung der politischen Krise ist nicht in Sicht. Die aktuelle Krise ist Ausdruck der Pattsituation im innenpolitischen Machtkampf. Auf der einen Seite stehen der königliche Palast, die städtische Mittelschicht in Bangkok, die Medien und vor allem aber große Teile des Militärs. Auf der anderen Seite steht die PPP, die sich auf die breite Unterstützung der ländlichen Bevölkerung sowie des Großkapitals stützen kann. Beide Seiten versuchen, die Kräfteverhältnisse zu ihren Gunsten zu verändern.

Im Unterschied zur Regierungszeit von Thaksins TRT, in der Thaksin quasi eine Alleinherrschaft ausübte und auch die unabhängigen Institutionen des Staates lenkte, sieht das Machtgleichgewicht heute allerdings bereits anders aus. Die Verfassungsorgane, die Kontrollfunktionen gegenüber der Regierung erfüllen, werden von Personen beherrscht, die nicht nur regierungskritisch sind, sondern auch den Militärcoup von 2006 befürwortet haben. Dazu gehören die Nationale Antikorruptionskommission, die Wahlkommission sowie das Verfassungsgericht.

Die Handlungsfähigkeit der Regierung von Samak Sundaravej ist äußerst eingeschränkt. Die Samak-Regierung ist einpfercht zwischen den staatliche Kontrollinstitutionen und Straßendemonstrationen. Jede ihrer Entscheidungen steht unter genauer Beobachtung sowohl durch die Öffentlichkeit als auch durch die staatlichen Institutionen. Fraglich bleibt vor diesem Hintergrund die Überlebensfähigkeit der Regierung.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem neuen Coup d’Etat kommt, ist gering. Der Putsch von 2006 ist kläglich gescheitert. Nicht nur, weil er keine wirkliche Agenda hatte, außer Thaksin loszuwerden. Sondern vor allem auch, weil er kaum über Unterstützung in der Bevölkerung verfügte. Vor diesem Hintergrund kann das Militär einen erneuten Eingriff zumindest derzeit weder riskieren noch rechtfertigen. Vor allem stellt sich die Frage, welchen Auftrag ein erneuter Militärputsch erfüllen soll. Es müssten früher oder später Wahlen ausgerufen werden, deren Ausgang wohl nicht viel anders ausfallen dürfte.

Das gegenwärtige Säbelrasseln der Militärs, das durch die Medien unterstützt wird, muss als psychologischen Druck auf die Regierung verstanden werden, ihre Macht nicht zu nutzen, um grundlegende Änderungen im politischen System herbeizuführen. Im Kern geht es in der Krise aber um die Klärung der Machtverhältnisse für die Zeit nach dem Ableben des inzwischen 80-jährigen und gesundheitlich angeschlagenen Königs. Es ist kein Geheimnis, dass die Nachfolge des seit sechs Jahrzehnten herrschenden Königs Unbehagen auslöst.

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