Asset-Herausgeber

Länderberichte

Referendum auf Zypern

von Dirk Tröndle

Lösung des Zypernproblems weiterhin ungewiss

Das Ergebnis der beiden Referenden auf Zypern aus türkischer Sicht: Es gibt hier nicht wenige, die dieses Ergebnis als ideales Ergebnis betrachten: die Welt habe nun zum ersten Mal gesehen, dass der türkische Norden kompromissbereit war und der griechische Süden sich weigerte.

Asset-Herausgeber

„Die erste Zypernkrise in der EU“ (Vatan), „Nun muss die EU überlegen“ (Türkiye),„Was geschieht jetzt“ (Tercüman),„Die Welt hat es gesehen“ (Milliyet), „Die neue Berliner Mauer in Europa“ (Vatan), „Die Insel ist von den Südzyprioten geteilt worden“ (Sabah) und “Das Embargo muss aufgehoben werden“ (Posta), in dieser Weise und ähnlich wurde das Ergebnis der beiden Referenden auf Zypern von den türkischen Medien betitelt. 76% der griechischen Südzyprioten stimmten gegen und 65% der türkischen Nordzyprioten für eine Einigung auf Grundlage des Annan-Plans. Nach den Entwicklungen der letzten Wochen und Monate war dieser Ausgang so erwartet worden. Jedwedes andere Ergebnis wäre als Überraschung zu bewerten gewesen.

Jedoch war das klare Nein im Süden der Insel dann doch etwas überraschend und ist Ergebnis der frühen Festlegung der politisch Verantwortlichen in Südzypern auf eine Ablehnung des Annan-Plans. Dieses Ergebnis wirft auch ein sehr großes Fragezeichen auf die südzypriotische Führung unter Tasos Papadopulos, die sich gar nicht die Mühe machte, ihren Bürgern den Inhalt des Annan-Plans zu erklären. Mittlerweile hat ein südzypriotischer Vertriebenverein erklärt, man werde Papadopulos vor dem Europäischen Menschengerichtshof anklagen, da er durch seine starre Haltung, die Rückkehr von Hunderten von südzypriotischen Flüchtlingen in ihre Häuser im Norden Zyperns verhindert habe. Vorbild dabei sei der Louzidou-Prozess, in dem die Republik Türkei zu einer Entschädigung von ca. 1. Mio. Dollar verurteilt wurde. Dieser Verein forderte auch türkischstämmige Nordzyprioten zu einem gleichen Vorgehen auf, die seit 30 Jahren auf eine Rückkehr in ihre Besitztümer in den Süden warten.

Aber auch die Zustimmung von nur 65% im Norden der Insel liegt unter der erwarteten Marke und wird von einigen als Enttäuschung bewertet. Hierbei hat insbesondere der alternde Volksgruppenführer Rauf Denktasch seinen Beitrag geleistet, weil er offen für eine Ablehnung des Annan-Plans plädierte und eine Einigung Zyperns auf dieser Grundlage als Verrat an der nordzypriotischen Sache bewertete. Wie wird nun jedoch die politische Zukunft Zyperns aussehen? Während der Südteil der Insel trotz einem Nein mit der Vollmitgliedschaft belohnt wird, soll dann der Norden weiterhin international isoliert bleiben und müssten für den kooperationswilligen türkischen Nordteil daraus nicht wenigstens wirtschaftliche Vorteile entstehen?

Die Verhandlungen auf Grundlage des Annan-Plans

Als am 3. Juli 1990 die Republik Zypern offiziell den Beitritt zur damaligen EG beantragte, stieß dies auf vehementen Widerstand des türkisch-zypriotischen Volksgruppenführers Rauf Denktasch, der unmissverständlich klarstellte, dass der EU-Beitrittsantrag nicht im Namen der gesamten Insel gestellt wurde. Der Europäische Rat in Helsinki vom Dezember 1999 erklärte schließlich wiederholt, dass die EU grundsätzlich gegen die Aufnahme eines geteilten Zyperns sei und forderte alle beteiligten Parteien auf, bis zur Vollmitgliedschaft Zyperns eine dahingehend einvernehmliche Lösung zu finden. Am 11. November 2002 entschloss sich UNO-Generalsekretär Kofi Annan selbst einen Lösungsvorschlag für die geteilte Mittelmeerinsel Zypern zu unterbreiten. Dieser sog. Annan-Plan beinhaltete viele Elemente der zypriotischen Verfassung aus dem Jahre 1960 und sah ein wiedervereintes Zypern vor, welches von einer Zentralregierung mit einem Präsidentschaftsrat regiert werden sollte. Diese beiden Organe sollten sich aus Zypern-Griechen und Zypern-Türken zusammensetzen. Im Mittelpunkt des Annan-Plans stand ein gemeinsamer Bundesstaat bestehend aus zwei Teilstaaten. Als Ergebnis auf Grundlage des Annan-Plans sollte es zu einem Gründungsvertrag kommen, der dann durch zwei Volksabstimmungen im Süden und im Norden der Insel legitimiert werden sollte. Da alsbald nach dem Beginn der neuerlichen Verhandlungen deutlich wurde, die Gräben zwischen beiden Volksgruppen scheinen unüberwindlich und ein solcher Gründungsvertrag kommt wohl kaum zustande, wurden die beiden Referenden vorgezogen, um damit auch Druck auf beide Seiten ausüben zu können.

Die Abstimmungsergebnisse sind aber Ausdruck gegenseitigen Misstrauens und gegenseitiger Vorurteile, sowie Befürchtungen. Zudem standen für die politische Elite auf beiden Seiten auch erhebliche politische Pfründe auf dem Spiel. Hauptkonfliktpunkt beider Parteien war die Vorstellung über einen gemeinsamen Staat. Die türkisch-zypriotische Seite legte immer großen Wert auf zwei gleichberechtigte, souveräne Teilstaaten und forderte die Anerkennung beider zypriotischer Ethnien als zwei Völker an. Dies garantierte übrigens der Annan-Plan, was natürlich im Süden auf große Ablehnung stieß. Problematisch zeigte sich auch die Abtretung von Land nach einem möglichen Vertragsabschluss, da im Annan-Plan das Territorium der Nordzyprioten von derzeit 38 auf 28,2% reduziert werden sollte und etwa 90.000 griechisch-zypriotische Flüchtlinge nach einem komplizierten Schlüssel nach und nach wieder in ihre alten Gebäude in den Norden der Insel übersiedeln können sollten.

Deutlich war jedoch von Anfang an, dass auf Grundlage des Annan-Plans der Nordteil der Insel trotz einiger empfindlicher Zugeständnisse in der Summe der klare Gewinner gewesen wäre. Nach über 30 Jahren internationaler Isolation wäre der Norden anerkannt worden und die Bürger hätten als EU-Bürger alle Rechte bekommen. Für den Süden hingegen war kein politischer Anreiz zu einer Einigung gegeben. Ungeachtet des Ausgangs wird man am 1. Mai 2004 EU-Vollmitglied. An dieser Stelle muss sich die EU Kritik gefallen lassen, da sie nun einen Staat mit ungelösten Grenzproblemen in die EU aufnehmen wird. Wieso konnte eine Mitgliedschaft Zyperns in der EU nicht von vorneherein für beide Seiten verbindlich an eine Einigung gekoppelt werden?

Die Rolle der Türkei

Die Türkei, die in ihren eigenen EU-Bestrebungen unmittelbar mit der Lösung der Zypernproblematik konfrontiert wurde, hat unter der AKP-Regierung in den letzten Monaten erheblichen politischen Druck auf Rauf Denktasch ausgeübt. Keine türkische Regierung der letzten 30 Jahre war so realpolitisch orientiert an einer Lösung des Zypern-Problems interessiert, wie die AKP des Ministerpräsidenten Erdoğan. In der türkischen Öffentlichkeit wurde die Rolle der Türkei und die Zeit vor den Referenden sehr intensiv diskutiert und der türkische Außenminister Gül sagte noch vor wenigen Tagen, dass es sicherlich für Nordzypern eine bessere Lösung als auf Grundlage des Annan-Plans gegeben hätte, aber gemeinsame Verhandlungen auch beinhalteten, dass man für das Ziel einer Einigung von eigenen Interessen Abstand nehme. MP Erdoğan bezeichnete nach dem Referendum die Rolle der Türkei im Prozess der Verhandlungen als „den grössten diplomatischen Erfolg der Türkei in den letzten 50 Jahren“. Als Rauf Denktasch vor einigen Tagen im türkischen Parlament zur Zypernfrage sprach, waren mehr als 100 AKP-Abgeordnete erst gar nicht erschienen und MP Erdoğan entschuldigte sich, da er als Redner auf einer Veranstaltung einer türkischen Gewerkschaft anwesend sein musste.

Von historischer Bedeutung war die Rede Denktaschs wohl kaum, aber symbolisch doch die Anwesenheit vieler verantwortlicher türkischer Politiker der letzten 30 Jahre, u.a. Bülent Ecevit, die sich auf der Besuchertribüne des Parlaments wiederfanden. Als Zuschauer und nicht als Akteure mussten sie auf die Entwicklungen in Nordzypern blicken, und es fiel einigen offensichtlich schwer, keinen Einfluss auf das Geschehen im Plenarsaal nehmen zu können.

Das türkische Militär hielt sich während des gesamten Verhandlungsprozesses auffällig zurück. Der Generalstabschef Hilmi Özkök meinte vor Tagen nur lapidar, dass die türkische Armeeführung in politischen Fragen anderer Ansicht als die Regierung sein könnte, das Militär aber nicht Entscheidungen zu treffen habe, die von der türkischen Politik zu treffen sind. Mittlerweile zeigte sich Özkök über das Ergebnis erleichtert und bezeichnete es unter allen möglichen Kombinationen als die beste Lösung. Es sei jedoch ungerecht und widersprüchlich, dass der Süden trotz seines Neins mit der Vollmitgliedschaft belohnt werde.

Situation auf Nordzypern

Von vielen Seiten wurde nun die Forderung nach dem Rücktritt von Staatspräsident Rauf Denktasch laut, der sich Wochen vor dem Referendum wie sein griechisch-zypriotischer Gegenüber Papadopulos für ein Nein aussprach. Das Ergebnis im Norden der Insel ist aber trotzdem eine klare Absage an die Person Denktaschs und an seine Politik. Denktasch wird schon seit längerem von vielen als Auslaufmodell betrachtet. Der Hürriyet-Kolumnist Fatih Altayli ging in seiner Kritik sogar noch weiter, als er kommentierte, dass „die in der Türkei Gescheiterten nun auch Denktasch zum Scheitern brachten“.

In Nordzypern zeichnet sich mittlerweile in der Koalition zwischen der CTP (Republikanische Türkeipartei) MP Mehmet Ali Talats und seinem Juniorpartner der DP (Demokratische Partei) von Serdar Denktasch eine Regierungskrise ab. Rücktrittsforderungen wurden laut, weil Serdar Denktasch, Sohn des Staatspräsidenten Rauf Denktasch, nach seiner Stimmabgabe im türkischen Fernsehen auf die Frage, wie er gestimmt habe, demonstrativ mit Nein geantwortet hat. Dies nahm der Oppositionspolitiker Mustafa Akıncı, dessen Partei die Regierung unterstützt, zum Anlass den Rücktritt von Serdar Denktasch aus der Regierung und Neuwahlen zu fordern. Mittlerweile sind zwei Parlamentarier aus Protest gegen die Haltung ihres Parteivorsitzenden aus der DP ausgetreten und die Regierung kommt damit momentan nur auf 24 der insgesamt 50 Sitze. Nach Gerüchten zufolge, arbeite man aber schon unablässig an einem Übertritt von zwei Parlamentariern zur DP, damit eine Regierungskrise und Neuwahlen doch noch abgewendet werden können.

Künftige Aussichten

Ob es weitere Rücktritte aus den Regierungsparteien oder gar von Rauf Denktasch selbst, sowie zu Neuwahlen kommen wird, bleibt abzuwarten. Ebenfalls abzuwarten bleibt das Verhalten der EU und auch der USA. Die USA drohten bei einem Scheitern im Südteil der Insel schon mal vorsorglich mit der ernsthaften Überprüfung des Wirtschaftsembargos gegen den nordzypriotischen Teil und auch die EU in Person von Erweiterungskommissar Verheugen zeigte sich sehr enttäuscht über das Ergebnis. Klar ist mittlerweile, dass es sich bei den Zugeständnissen für Nordzypern auf der EU-Geberkonferenz vor ein paar Tagen nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt, da die EU eine erste finanzielle Zuwendung in Höhe von 259 Mio. Euro für Nordzypern freigegeben hat. Es wurde des weiteren angekündigt, dass die EU-Kommission im nordzypriotischen Teil eine eigene Kommissionsvertretung errichten wird. Damit könnte es dann zur Verwirklichung des ‚Taiwan-Modells’ für Nordzypern kommen, weil eine politische Annerkennung zwar ausbleibt, aber wirtschaftliche Beziehungen aufgenommen werden. De facto ist das Wirtschaftembargo dann aufgehoben.

Die britische Regierung hat mittlerweile den Vorschlag unterbreitet, man möge den Export von Waren aus nordzypriotischen See- und Flughäfen in die EU erlauben.

Eine internationale Annerkennung Nordzyperns wird aber auf allen Seiten als unrealistisch angesehen, obwohl der neue Staatspräsident Aserbaidschans Aliyev bei einem Scheitern des Kompromisses schon vor Tagen ankündigte, den Nordteil der Insel als eigenständigen Staat anzuerkennen. Eine solche internationale Annerkennung würde nicht nur durch einen jahrzehntelangen Prozess zustande kommen können, sondern am Beginn müsste auch eine UNO-Resolution stehen. Hier erscheint dann ein Veto Russlands wahrscheinlich, Russland hatte ja erst vor Kurzem gegen eine Resolution betreffend Zypern sein Veto eingelegt.

In politischen Kreisen in Ankara wird nun schon heftigst über die Nahe Zukunft diskutiert. Für die politisch Verantwortlichen in Ankara ist klar, dass die Türkei alles erdenkliche für eine einvernehmliche Lösung auf Zypern unternommen hat und die EU der Türkei bezüglich ihrer eigenen EU-Bestrebungen Zypern nicht mehr als Stolperstein in den Weg legen kann. Man erwartet zudem im politischen Ankara auch kein Veto Südzyperns bei einem möglichen Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Was geschieht aber, wenn Südzypern als EU-Mitglied künftig die EU-Ratspräsidentschaft inne haben wird und die Türkei EU-Mitgliedschaft als Druckmittel für eine Revision des Annan-Plans nach südzypriotischen Vorstellungen missbrauchen wird. De facto wird die bisherige Pufferzone zwischen beiden Inselteilen also am 1. Mai zur EU-Außengrenze. Obwohl geographisch Gesamtzypern in die EU aufgenommen wird, gilt EU-Recht nur im Süden. Rechtliche Probleme sind also schon vorprogrammiert.

In der Türkei gibt es nicht wenige, die dieses Ergebnis als ideales Ergebnis betrachten, so z.B. Deniz Baykal von der Oppositionspartei CHP (Demokratische Volkspartei). Die gesamte Welt habe nun zum ersten Mal gesehen, dass der türkische Norden kompromissbereit war und der griechische Süden sich weigerte. Die EU wird sich aller Voraussicht noch wünschen, sie hätte nie eine geteilte Insel als Vollmitglied aufgenommen. Ein zweites Referendum im Süden ist unwahrscheinlich, da mit diesem Ergebnis der Annan-Plan als gescheitert gilt und die UNO schon ankündigte ihr Büro bis Mitte Mai 2004 zu schließen. Weitere Initiativen müssen von anderen Institutionen oder Staaten als der UNO ausgehen. Der Norden wird wirtschaftlich von der EU und den USA unterstützt werden, doch ist die Gefahr vorhanden, dass es durch diese Referenden zu einer wirklichen Spaltung der Insel kommen könnte.

Der nordzypriotische MP Talat hat mittlerweile in einem Brief an den irischen EU-Ratspräsidenten Ahern deutlich gemacht, man möge die Vollmitgliedschaft Südzyperns in der EU solange einfrieren, bis es zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen sei.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber

Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist in rund 110 Ländern auf fünf Kontinenten mit einem eigenen Büro vertreten. Die Auslandsmitarbeiter vor Ort können aus erster Hand über aktuelle Ereignisse und langfristige Entwicklungen in ihrem Einsatzland berichten. In den "Länderberichten" bieten sie den Nutzern der Webseite der Konrad-Adenauer-Stiftung exklusiv Analysen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen.

Bestellinformationen

erscheinungsort

Sankt Augustin Deutschland