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Länderberichte

Sechs Monate Staatspräsident Toledo

Krisenmanagement durch erste Kabinettsumbildung

Genau fünf Monate und 20 Tage befand sich die Erstbesetzung der Regierungsmannschaft unter Perus neuem Staatspräsidenten Alejandro Toledo im Amt, bis er am 17. Januar die Entlassung dreier Minister bekannt gab.

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Dieser an und für sich normale Vorgang in demokratisch legitimierten Regierungen hat im Falle Perus tiefe Einblicke in das aktuelle politische Geschehen eröffnet, insbesondere hinsichtlich des Zusammenwirkens zwischen der Regierung, der Parlamentsfraktion und der Partei Alejandro Toledos.

Mit der Demission von Verteidigungsminister David Waisman, Gesundheitsminister Luis Solari und der Ministerin für Frauen und menschliche Entwicklung, Doris Sánchez, hat Toledo drei Ressortchefs entlassen, die schon seit mehreren Wochen - wenn auch aus höchst unterschiedlichen Gründen - als Wackelkandidaten gegolten hatten.

Während Waisman (der zudem die gewählte Funktion des zweiten Vizepräsidenten innehat) Führungsschwäche bei der Umsetzung der grundlegenden Streitkräftereform und mangelndes Durchsetzungsvermögen gegenüber einer traditionell starken Generalität vorgeworfen wurde, brachte sich Doris Sánchez durch die Anstellung von Familienmitgliedern in gutbestallten Ministerialjobs selbst um ihren Ministerstuhl; ein Verhalten übrigens, das gerade aufgrund der extremen Sensibilität, die sich in der peruanischen Öffentlichkeit nach den kriminellen Machenschaften der ehemaligen Fujimori-Montesinos-Regierung entwickelt hat, nicht wirklich von politischer Feinfühligkeit zeugt.

Anders gestaltet sich die Sachlage bei Gesundheitsminister Dr. Luis Solari, der als Internist ein hohes Maß an Sachverstand und als Generalsekretär der Regierungspartei "Perú Posible" (PP) auch genügend organisatorische Fähigkeiten zur Führung seines Ministeriums eingebracht hatte. Ihn bat Toledo explizit, künftig seine ganze Kraft dem Aufbau der Partei zu widmen. Zudem soll mit der Entlassung der Minister, die alle drei zum engen Kreis der Mitbegründer der Regierungspartei gehören, die PP-Fraktion im Kongress gestärkt werden, die zwar die größte Fraktion im peruanischen Kongress darstellt, mit 44 von 120 Sitzen jedoch bei weitem nicht über die absolute Mehrheit verfügt. Soweit die offizielle Version.

Friktionen im Kabinett

Bei einer genaueren Analyse indes steht die sowohl in der Partei wie auch in der Öffentlichkeit umstrittenen Entlassung Solaris symbolhaft für die tiefen ideologischen Diskrepanzen innerhalb des Kabinetts, während die Entfernung von drei Gründungsmitgliedern der Regierungspartei aus dem Kabinett allgemein als Symbol für die Entmachtung der Partei gegenüber der Regierung gewertet wird.

Schon kurz nach der Vorstellung der Regierungsmannschaft im Juli des vergangenen Jahres zeichneten sich drei verschiedene Flügel innerhalb des aus 16 Personen bestehenden Kabinetts ab:

  • eine starke neoliberale Gruppe aus Wirtschaftsexperten um den Ministerratsvorsitzenden Roberto Dañino und den Wirtschaftsminister Pedro Pablo Kuczynski,
  • ein politisch eher zum linken Spektrum zugehörige Gruppe um Außenminister Diego García und Innenminister Fernando Rospigliosi, und nicht zuletzt
  • ein - wenn auch uneiniger - Kreis aus Personen, deren ethische Grundlage die christliche Soziallehre und ursprüngliche politische Heimat die Christdemokratie bildet. Ihre Hauptvertreter sind Luis Solari selbst (gewesen) sowie der Vorsitzende des kleineren Koalitionspartners FIM, Justizminister Fernando Olivera.
Obwohl keiner der drei neu ernannten Minister zum neoliberalen Spektrum gezählt werden kann, hat dennoch diese Gruppe um den Ministerratsvositzenden mit der Regierungsumbildung ihre Vormachtstellung im Kabinett ausgebaut und abgesichert. Zum einen konnte sie den Einfluss der Regierungsparteivertreter auf die Entscheidungen des Staatspräsidenten auf ein Minimum reduzieren, und auf der anderen Seite entledigte Roberto Dañino sich mit der Demission Solaris seines größten Widersachers im Kabinett.

Solari, der sich zu einer offiziellen Visite in Kolumbien befand, als ihn sein Staatspräsident telefonisch (!) über seine Entlassung informierte, ließ sich aufgrund seiner anscheinend unerschütterlichen Loyalität zu Toledo dann auch nur im Effekt zu einer negativen Äußerung über den Ministerratsvorsitzenden hinreissen.

Schon tags darauf erklärte er der Presse, die Entscheidungen von Staatspräsident seien richtig und er hätte an seiner Stelle genauso gehandelt. Ex-Verteidigungsminister Waisman indes, der sich auch öffentlich nur schwer von seinem Amt trennen konnte, zeigte sich zutiefst enttäuscht von "seinen Freund" Toledo und bezichtigte Dañino der Hetze und des Verrats. Dabei ging er sogar soweit, seine Entlassung als erfolgreiches Intrigenspiel der Oppositionspartei "Unidad Nacional" darzustellen. In der Tat nutzte die Oppositionsfraktion jede Gelegenheit, um gegen Waisman zu polemisieren, und es entspricht wohl auch den Tatsachen, dass Roberto Dañino, der immerhin den Wahlkampf der Ex-Präsidentschaftskandidatin Lourdes Flores finanziell unterstützt hatte, jetzt auch auf gutem Fuß mit der Oppositionschefin Lourdes Flores steht.

Die zweischneidige Konjunktur der Regierungspartei

Das zweite Resultat der Kabinettsumbildung, die "Entmachtung" der Regierungspartei "Perú Posible", muss an dieser Stelle differenziert betrachtet werden, denn genauer gesagt handelt es sich um die alten Mitstreiter Toledos, die aus dem engen Zirkel der Macht ausgeschlossen wurden. Carlos Bruce beispielsweise, seines Zeichens Minister im Präsidialamt, ist während des Wahlkampfes im vergangenen Jahr sozusagen im letztem Moment auf den in voller Fahrt vorbeirauschenden Toledo-Zug aufgesprungen und bewirbt sich nun beim anstehenden Parteikongress um den Posten des Generalsekretärs der Partei. Tatsächlich hat sich die Gruppe der "Neuen" in "Perú Posible" zum entscheidenden Machtfaktor entwickelt.

Aus den 5000 Toledogetreuen von einst sind im Verlauf des Wahljahres 2001 immerhin 400.000 Parteimitglieder geworden. Wenn auch die meisten Zugänge einzig aus dem Grund erfolgten, weil sie bei einem Sieg Toledos mit ihrer Parteimitgliedschaft die Hoffnung auf einen sicheren Arbeitsplatz verbanden, ist diese Mitgliederkonjunktur zweifellos eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Dieser in Eilschritten vollzogene Wandel vom "Personenkultfanclub nach lateinamerikanischer Art" hin zur Massenbewegung hat die Partei jedoch zugleich in eine tiefe, um nicht zu sagen: existenzbedrohende Krise gestürzt, die aber erst mit der Demission der Minister und den anstehenden innerparteilichen Wahlen zum Vorschein gekommen ist.

Diese Krise haben auch alle PP-Vorstandsmitglieder unisono konstatiert und zugleich ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass nach den parteiinternen Wahlen "Perú Posible" wieder an der Regierung teilhaben werde". Den Klartext hierfür liefert Ökonom Eduardo McBride, der in der Partei für die Formulierung des Regierungsprogramms im vergangenen Jahr verantwortlich gezeichnet hatte: "Wenn Toledo früher mit den Experten und Funktionären der Partei zusammenkam, sagte er ihnen immer wieder, sie sollten sich darauf vorbereiten, ihm beim Regieren zu helfen. Leider ist diese Expertise nie abgerufen worden. Doch der neue Vorstand wird das Recht der Mitglieder, der Experten und Funktionäre einfordern müssen."

Ein anderes Vorstandsmitglied verweist auf die Tatsache, dass üblicherweise in aller Welt diejenige Partei, die in den Wahlen als Siegerin hervorgegangen ist, auch ihre eigenen Kader mit den Regierungsgeschäften beauftragt. "Hierzulande müssen wir permanent dieses Recht verteidigen".

Zwangsläufig werfen diese Entwicklungen die Frage nach Toledos Verhältnis zu seiner eigenen Partei auf. Den allgemeinen Eindruck, das weitere Schicksal seiner Partei sei ihm nun, da er sein langersehntes Ziel der Staatspräsidentschaft erreicht hat, ziemlich egal, können auch die hartgesottensten Toledo-Fans nicht mehr stichhaltig entkräften.

Zumindest dünkt es seltsam, dass er einerseits Solari aus der Regierung entlässt, damit dieser sich in seiner Funktion als PP-Generalsekretär mit aller Kraft für die Partei einsetzen könne, und andererseits bei einem privaten Essen, zu dem er einen engen Kreis von Mitstreitern in den Präsidentenpalast eingeladen hat, ein Minister Carlos Bruce mit einer Offenheit um Unterstützung für seine Kandidatur um eben diesen Generalsekretärsposten wirbt, dass es sogar in Tageszeitungen Erwähnung findet.

Doch auch hierfür gibt es eine offizielle Erklärung: Es lasse sich nämlich nicht mehr mit dem Amt des Staatspräsidenten in Einklang bringen, wenn Toledo sich aktiv in Parteiangelegenheiten einmischen würde. Daher nehme der Staatspräsident die Rolle eines "wohlgesinnten Beobachters" ein.

Wenn dem tatsächlich so ist, bleibt nicht mehr zu fragen ob, sondern nur noch wann eine Partei wie "Perú Posible", die nicht einmal den Ansatz einer gemeinsamen Parteiideologie aufweist und als einziges vereinendes Element die Unterstützung des "wohlgesinnten Beobachters" Toledo aufweisen kann, in die Bedeutungslosigkeit abdriftet und letztendlich in der politischen Versenkung Perus verschwindet.

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Sebastian Grundberger

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Direktor Regionalprogramm Parteiendialog und Demokratie /Länderprogramm Uruguay

sebastian.grundberger@kas.de +598 2902 0943

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