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Länderberichte

Umfangreiche Kabinettsumbildung in Spanien

von Dr. Helmut Wittelsbürger

José María Aznar entläßt sechs Minister

Der spanische Ministerpräsident José María Aznar hat in der Mitte seiner zweiten Legislaturperiode die Regierung umgebildet. Sechs seiner bisherigen Minister verlassen das Kabinett, drei wechselten ihren Posten und fünf wurden neu berufen.

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Nur sieben der sechzehn Kabinettsmitglieder behielten ihr Amt. Es handelte sich um die fünfte Regierungsumbildung Aznars in seinen zwei Legislaturperioden. Von den 16 Ministern Aznars sind nur vier seit der ersten Legislaturperiode dabei.

Schon seit Monaten hielten sich hartnäckig die Gerüchte um

eine bevorstehende Regierungsumbildung. Der Zeitpunkt kurz

nach dem Ende der spanischen EU-Ratspräsidentschaft - vor

Beginn der hiesigen Sommerpause - war geschickt gewählt. José María Aznar nahm durch diesen Schritt der erwarteten Kritik an einzelnen Kabinettsmitgliedern durch die Opposition viel Wind aus den Segeln. Hatte man doch

erwartet, dass der Vorsitzende der größten

Oppositionspartei, dem PSOE, der bisher farblos gebliebene Luis Rodríguez Zapatero, in der für den 15. Juli angesetzten Parlamentsaussprache zur Lage der Nation die Schwachstellen der Regierung schonungslos offenlegt. Durch den umfangreichen Umbau seines Kabinetts kam Ministerpräsident Aznar diesen Angriffen zuvor.

Das Amt des Regierungssprechers wurde mit dem des 1.

stellvertretenden Ministerpräsidenten zusammengelegt und

Mariano Rajoy übertragen. Der bisherige Innenminister, der sich zu Recht große Hoffnungen macht, José María Aznar als Kandidat für das Ministerpräsidentenamt bei den Wahlen 2004 zu beerben, geht aus der Kabinettsumbildung gestärkt hervor.

Weiter betroffen von einem Ministerwechsel sind das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, das Justizministerium, das Ministerium für Arbeit und Soziales, das Ministerium der öffentlichen Verwaltung, das Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz, das Innenministerium sowie das Ministerium für Wissenschaft und Technologie.

Der bisherige Arbeitsminister Juan Carlos Aparicio, ein

überzeugter Anhänger von Sozialpartnerschaft, musste den von

der großen Mehrheit der spanischen Industriearbeiter befolgten Generalstreik am 20. Juni mit dem Verlust seines Amtes büßen. Der Streik, der sich vor allem gegen Aznar persönlich richtete, wurde dem Arbeitsminister als Hauptverantwortlichem von 'Aznarsangelastet. Sein Nachfolger wird der Ministerpräsident der autonomen Region Valencia,Eduardo Zaplana, von dem sichAznareine Verbesserung des Verhältnisses mit den Gewerkschaften erhofft. AuchEduardo Zaplanagilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge vonJosé María Aznar. Durch diese Benennung hat der Ministerpräsident den Spekulationen um seine Nachfolge erneute Nahrung gegeben.

Die Besetzung des Ministeriums für Arbeit und Soziales mit

dem Präsidenten einer Region soll dem Posten zusätzliches politisches Gewicht verleihen. Das Amt des

Ministerpräsidenten Valencias soll vorerst von seinem Stellvertreter,José Luis Olivas, weitergeführt werden,

bevor bei den Regionalwahlen 2003Francisco Campsals

Ministerpräsidentenkandidat des PP in dieser Region

antreten wird.

Rodrigo Rato Figaredo, dem Spanien den Beitritt als

Gründungsmitglied in der Europäischen Wirtschafts- und

Währungsunion verdankt und der durch seine überragende

Wirtschaftspolitik Spanien in die Spitzengruppe bei nahezu

allen makroökonomischen Variablen gerückt hat, bleibt

weiter auf seinem Posten als zweiter StellvertreterAznarsund als Vizepräsident mit

übergeordneten Kompetenzen für die gesamte Wirtschafts- und Finanzpolitik. Für viele innerhalb der Regierungspartei

giltRodrigo Ratoimmer noch als aussichtsreicher Kandidat für die NachfolgeAznars.

In den letzten Monaten hat die Opposition - nicht ohne Erfolg - den Wirtschaftsminister beschuldigt, persönliche

Verantwortung für den spanischen Finanzskandal um die Anlagefirma Gescartera übernehmen zu müssen. Obwohl der

Abschlußbericht der parlamentarischen Untersuchungskommission den Wirtschaftsminister von diesen

Vorwürfen entlastet, istRodrigo Ratoim Wettlauf um die NachfolgeAznarsetwas aus dem Tritt gekommen.

Auf der Beliebtheitsskala spanischer Politiker rangiert nach wie vorJaime Mayor Orejain den obersten Rängen.

Als Innenminister von 1996 bis 2001 hat er sich große

Verdienste beim Kampf mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen

den ETA-Terrorismus erworben. Auf eigenen Wunsch hatte ihn

José María Aznarals Innenminister entlassen und als Spitzenkandidat des PP für die Regionalwahlen im Baskenland 2001 abgestellt. Trotz des besten bisher erzielten Ergebnisses des PP in dieser Region gingen diese Wahlen im Mai 2001 für die gesamtspanischen Parteien und damit auch für den PP verloren.

Aus Gründen der Solidarität mit den täglich um ihr Leben

fürchtenden Kommunalpolitikern im Baskenland nahmJaime

Mayordie Aufgabe als Oppositionsführer im baskischen

Regionalparlament an. Er ist z. Zt. noch fest entschlossen,

dort der Partei für die Gemeinderatswahlen im Mai 2003 zur

Verfügung zu stehen. Eine Berufung in das nationale Kabinett hat er bisher ausgeschlagen. In der Nachfolgediskussion um das Amt des Ministerpräsidenten gilt

er dennoch als der zur Zeit aussichtsreichste Kandidat.

Voraussichtlich wird er dann nach den Gemeinderatswahlen

Mitte 2003 erneut nationale Aufgaben übernehmen wollen.

Juan José Lucas, langjähriger "Ministerpräsident" der

autonomen Region Castilla y León und Nachfolger in diesem

Amt vonJosé María Aznar, wurde als Minister des

Präsidialamtes bei der Regierungsbildung in der zweiten

Legislaturperiode im Mai 2000 berufen. Seine bisherige

Amtsführung war eher farblos.Aznarersetzt ihn künftig durchMariano Rajoy.Juan José Lucassoll dann für

das Amt des Senatspräsidenten kandidieren, dessen bisherige Amtsinhaberin,Esperanza Aguirre, "Ministerpräsidentin" der autonomen Region von Madrid nach gewonnen Wahlen werden soll.

Anstelle vonMariano Rajoywird der ehemalige

JustizministerÁngel Acebesdas Innenministerium

übernehmen. Er machte sich als Justizminister mit der

Ausarbeitung des Parteiengesetzes und der anstehenden

Justizreform einen guten Namen. Neuer Justizminister wird

sein bisheriger Staatssekretär,José María Michavila.

Auch im wichtigen Ressort für die auswärtige Politik kam es

zu einem Wechsel.Josep Piqué, einst Vertrauter vonJordi Pujolim ersten Kabinett des PP 1996 - 2000

als Industrieminister, hatte als Außenminister in der zweiten Legislaturperiode wenig Fortune. Die unglückliche Positionierung des Landes in der Debatte über die Agenda 2000, die glücklose spanische Nahostpolitik, der seit einem Jahr schwelende Konflikt mit Marokko und die mageren Ergebnisse des EU-Lateinamerika-Gipfels sowie der spanischen

EU-Ratspräsidentschaft haben schon seit Monaten die Gerüchte geschürt,Piquésolle als Spitzenkandidat des PP für die Regionalwahlen in Katalonien 2003 antreten. Der bisherige Außenminister wehrte sich erfolgreich gegen diese Bestimmung. Letztlich verbleibt er im Kabinett und übernimmt sein altes Industrieministerium, das seit Mai 2000 zum Ministerium für Wissenschaft und Technologie umbenannt wurde.Piquélöst die glücklose MinisterinAnna Birulésab, die aus dem Kabinett ausscheidet.

Überraschend war die Nominierung vonAna Palacioals

Außenministerin. Die Schwester der StellvertreterinProdisin der EU-Kommission hatte sich im Rechtsausschuss des Europaparlaments schon seit Jahren einen guten Namen durch qualifizierte Arbeit gemacht. Auch vertrittAna PalacioSpanien im EU-Konvent. Sie genießt in der Bevölkerung hohes Ansehen, nicht zuletzt wegen ihres tapferen Kampfes gegen ihr Krebsleiden, das sie offensichtlich überwunden hat. Mit ihrer Benennung räumt

José María Aznarkünftig der spanischen Europapolitik höchste Priorität ein.

Das Amt des Ministers für öffentliche Verwaltung wirdJavier Arenasübernehmen.Arenaswar bereits 96 - 99 als Arbeitsminister im ersten Kabinett der PP-Regierung tätig. Kurz vor den Wahlen 2000 übernahm er das Generalsekretariat der Partei. Dieses Amt wird er neben seinem Ministerposten auch weiter ausfüllen. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sichJosé María Aznarnach der Sommerpause um einen neuen Generalsekretär der Partei bemüht. Als Minister wird sichArenaskünftig mit dem Autonomiestatut, der weiteren Dezentralisierung im Rahmen des "Pacto local" und der schwierigen Neuregelung der Kompetenzverteilung zwischen den spanischen Gebietskörperschaften auseinandersetzen müssen. Sein Vorgänger im Amt,Jesús Posada, verlässt das Kabinett

und widmet sich künftig Aufgaben in der Privatwirtschaft.

Entgegen vielfachen Erwartungen behält der Minister für

Landwirtschaft,Arias Cañete, seinen Posten.Aznarwollte nicht die Position Spaniens in der Debatte der

Europäischen Union über die Agrarreform schwächen. Als langjähriger Europaparlamentarier giltArias Cañeteals loyaler Vertreter der spanischen Agrar- und

Fischereiinteressen.

Den Posten der Ministerin für Gesundheit und

Verbraucherschutzfragen wirdAna Pastorübernehmen. Als

rechte Hand vonMariano Rajoyals Staatssekretärin im

Innenministerium gilt sie als Expertin für die Gesundheitspolitik. Sie ersetzt in diesem AmtCelia Villalobos, die in ihrer Amtszeit wenig öffentlichkeitswirksam blieb.

Ihre Ministerfunktionen behieltenCristóbal Montoro, der als Finanzminister die zweite Stufe der angekündigten spanischen Steuerreform durchführen soll und der langjährige

Generalsekretär des Partido Popular und Vertreter des

rechten nationalen Flügels innerhalb der Partei,Francisco Alvarez Cascos, der als Minister für öffentlichen Transport und Verkehr im Amt bleibt, sowie die in ihrer Jugend marxistischen Ideen zuneigende Ministerin für Bildung und Kultur,Pilar del Castillo.

Der Parteivorsitzende des PSOE,José Luis Rodriguez

Zapatero, wertete die Kabinettsumbildung als ein Zeichen der Schwäche und der Nervosität der Regierung. Die Neuberufung und umfangreiche Umbildung in dieser

Größenordnung kam für viele Beobachter überraschend.Arias Cañete, der wider Erwarten im Amt gebliebeneJaume Matasals Umweltminister undJosep Piquéwerden wahrscheinlich im Februar 2003 eine erneute Kabinettsumbildung notwendig machen, da sie bei den 2003 stattfindenden Regionalwahlen in ihren Autonomien die

PP-Liste als Spitzenkandidaten anführen sollen.Cañete,

voraussichtlich für das Amt des Bürgermeisters von Jeréz,

MatasundPiquéals Kandidaten für die Posten der Ministerpräsidenten auf den Balearen und in Katalonien.

Ein unerwarteter Coup ist dem ParteivorsitzendenAznarmit der Benennung des bisherigen "Ministerpräsidenten" der Autonomen Region von Madrid,Alberto Ruiz Gallardon, als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters der Hauptstadt gelungen. Damit ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Partei auch nach den Kommunalwahlen 2003 die Spitze im Rathaus von Madrid besetzen wird.

Das spanische Kabinett der Regierung unter Ministerpräsident

José Maria Aznarseit 10. Juli 2002

1. stellvertretender Ministerpräsident und RegierungssprecherMariano Rajoy

2. stellvertretender Vizepräsident und WirtschaftsministerRodrigo Rato

AußenministeriumAna de Palacio

JustizministeriumJosé Maria Michavila

VerteidigungsministeriumFederico Trillo

InnenministeriumÁngel Acebes

Ministerium für Transport und VerkehrFrancisco Álvarez Cascos

Ministerium für Arbeit und soziale AngelegenheitenEduardo Zaplana

Ministerium für Bildung und KulturPilar de Castillo

Ministerium für Agrarwirtschaft, Fischerei und Ernährung

Miguel Arias Cañete

Ministerium für öffentliche VerwaltungJavier Arenas

Ministerium für Gesundheit und VerbraucherschutzAna Pastor

UmweltministeriumJaume Matas

FinanzministeriumCristóbal Montoro

Ministerium für Wissenschaft und TechnologieJosep Piqué''sep Piqué''p Piqué''Piqué''qué''é'''

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Kontakt

Dr. Wilhelm Hofmeister

Wilhelm.Hofmeister@kas.de

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