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Unerwartete Niederlage des PP bei den nationalen Parlamentswahlen am 14. März 2004

von Michael Däumer

Ursachen und Hintergründe

Mit Schock hat der regierende Partido Popular (PP) von Ministerpräsident José María Aznar die unerwartete Niederlage bei den Parlamentswahlen am 14. März 2004 aufgenommen. Noch wenige Tage vor der Wahl feierten die Anhänger des PP siegesgewiß ihren Spitzenkandidaten Mariano Rajoy als den nächsten Ministerpräsi-denten Spaniens. Der geschickt orchestrierte Übergang von José María Aznar, der freiwillig seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten und vom Vorsitz seiner Partei angekündigt hatte, zu Rajoy schien gesichert. Auch wenn Meinungsfor-schungsinstitute kontinuierlich den Wunsch nach einem Wechsel zugunsten der Sozialisten (PSOE) attestierten, deuteten selbst linksgerichtete Umfragen auf einen Sieg der Volkspartei hin. Die einzige offene Frage schien diejenige zu sein, ob der PP seine absolute Mehrheit verteidigen würde. Entsprechend debattenlos gestaltete sich nach Vorstellung der Konservativen der Wahlkampf.

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Rajoy präsentierte sich als moderater Kandidat der Mitte, der den Wählerinnen und Wählern sein politisches Programm, das ganz unter dem Motto „Weiter so, Spanien“ stand, ruhig und sachlich erklärte. Aznar hingegen nutzte sein Amt als Ministerpräsident, um die konservative Wählerschaft mit den Themen des wachsenden Regionalnationalismus im Baskenland und Katalonien und der Gefahr des ETA-Terrorismus zu mobilisieren. Als Meisterstück der Wahlkampfstrategie ist der Schachzug des PP zu werten, eine Wiederaufnahme der Diskussion sowohl über die höchst umstrittene Irakpolitik als auch über das Missmanagement der Regierung im Prestige-Unfall zu verhindern. Obwohl beide Themen noch vor einem Jahr Massenproteste unter der Bevölkerung provoziert hatten, spielten sie bis zu den Terroranschlägen am 11. März keine Rolle.

Der politisch belanglose Wahlkampf stellte für den sozialistischen Herausforderer José Luis Rodríguez Zapatero, der vor vier Jahren den Parteivorsitz des PSOE überraschend übernommen hatte, zunehmend ein Dilemma dar. Zapatero wurde durch den sympathischen und bescheiden wirkenden Rajoy, der keine Angriffsfläche zu bieten schien, zu einem blassen Kandidaten degradiert. Darüber hinaus sprachen insbesondere die wirtschaftspolitischen Erfolge der vergangenen acht Jahre unter Aznar, die Spanien zu der erheblichen Wohlstandssteigerung führten, gegen die Wahl eines Sozialisten, der die wirtschaftliche Entwicklung gefährden könnte.

Die Madrider Attentate vom 11. März 2004 haben die politische Ausgangssituation für die Wahl drei Tage danach mit einem Schlag dramatisch verändert. Alle Parteien erklärten am Tag der Anschläge, nachdem das ungeheure Ausmaß des Terrors in Madrid deutlich geworden war, den Wahlkampf für abrupt beendet. Von diesem Zeitpunkt an bestimmte die Informationspolitik der Regierung hinsichtlich der Täterschaft die spätere Wahlentscheidung in Spanien. Auch wenn am Morgen des Anschlags noch vieles für eine Täterschaft der baskischen Terrororganisation ETA sprach, stellte sich die gleichlautende Stellungnahme des Innenministers Angel Acebes als voreilig heraus. Indizien, die in einem Kleinlastwagen nahe des Tatorts sichergestellt wurden, deuteten auf eine Täterschaft außerhalb des ETA-Milieus hin. Der Verdacht, es könne sich um islamistische Terroristen im Umfeld von El Kaida handeln, führte nicht zuletzt zu der Annahme, die Regierung habe aus wahltaktischen Gründen die Bevölkerung bewußt fehl informiert. Am Tag vor der Wahl, nachdem Millionen von Spanierinnen und Spaniern gegen den Terrorismus demonstriert hatten, vollzog sich die Wende für den PP. Aus der Trauer entwickelte sich allmählich Wut gegen die eigene Regierung, was durch eine spontane Demonstration vor der Parteizentrale des PP zum Ausdruck kam. Wie sich später herausstellte, war diese jedoch von linken Gruppierungen bestens koordiniert worden.

Entgegen der vorherrschenden Auffassung, die spanischen Wählerinnen und Wähler hätten aufgrund der umstrittenen Informationspolitik nach den Anschlägen ihre Wahlpräferenz geändert, verdeutlicht die Analyse des Wahlausgangs und der Wählerwanderung, dass weniger die Änderung des Wahlverhaltens als vielmehr die Mobilisierung der Nichtwähler die Niederlage des PP besiegelt hat. Darunter befand sich ein hoher Anteil von erstmals Wahlberechtigten, die den Wahlen traditionell ferngeblieben waren. Die unerwartet hohe Wahlbeteiligung, die im Vergleich zum Jahr 2000 um 8,5 Prozent stieg, findet ihre wahre Ursache in der Irakpolitik Aznars. Die Anschläge in Madrid und die mißlungene Informationspolitik der Regierung waren lediglich die Auslöser der Mobilisierung der Nichtwähler. In zuvor nicht gekanntem Ausmaβ erreichten außerparlamentarische Kriegsgegner innerhalb von wenigen Stunden über Handymitteilungen und Telefonate breite Massen von Wahlberechtigten. Nachdem der PP die spanische Beteiligung am Irakkrieg erfolgreich aus dem Wahlkampf herausgehalten hatte, entwickelte sie sich nun zum Hauptwahlkampfthema für das Gros der Nichtwähler. Der Irakkrieg hat den PP letzten Endes eingeholt.

Darüber hinaus zeigt die Analyse der Wahlergebnisse aus den Regionen, dass die Konzentration des Wahlkampfes auf den regionalen Nationalismus und den ETA-Terrorismus zu (den) entscheidenden Verlusten für den PP geführt hat. Im Baskenland sowie in Katalonien führte Aznars Politik zu einer Polarisierung der Wählerinnen und Wähler, allerdings mit dem Effekt, dass sich eine Mehrheit gegen den PP entschied. Die Wahlkampfstrategie des PP ist auch in dieser Hinsicht wider Erwarten fehlgeschlagen.

Der Wahlausgang: Der PP verliert lediglich 600.000 Stimmen

Insgesamt waren am 14. März 2004 rund 34 Mio. Wahlberechtigte in Spanien aufgerufen, an den nationalen Parlamentswahlen teilzunehmen. Über 25,8 Mio. Bürger folgten diesem Ruf und sorgten so für eine in Spanien außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung von 77,2 Prozent. Diese lag damit um 8,5 Prozentpunkte höher als bei den letzten Wahlen im Jahr 2000.

Mit rund 10,9 Millionen Stimmen ging der PSOE unter Zapatero als stärkste Partei aus den Wahlen hervor. Noch nie in der Geschichte der jungen spanischen Demokratie konnte eine Partei – in absoluten Zahlen – so viele Wählerstimmen auf sich vereinigen wie 2004. Selbst der PP erreichte im Wahljahr 2000, als er die absolute Mehrheit gewann, nur 10,3 Millionen Stimmen. Mit 164 Abgeordneten stellt der PSOE künftig zwar die stärkste Fraktion im spanischen Parlament, bleibt aber dennoch weit von der absoluten Mehrheit von 176 Sitzen entfernt. Der bisher regierende PP mit seinem Spitzenkandidaten Mariano Rajoy büßte im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen 35 Abgeordnetensitze ein und kommt auf insgesamt lediglich 148 Mandate. Einbußen verzeichneten auch die liberal-konservative Convergencia i Unio (CiU) aus Katalonien, die ein Drittel ihrer bisher 15 Mandate verlor, sowie die kommunistische Izquierda Unida (IU), die in der nun beginnenden Legislaturperiode statt bisher neun nur noch fünf Abgeordnete nach Madrid entsendet. Der gemäßigt nationalistische, baskische PNV legte in absoluten Zahlen zwar leicht zu, konnte diesen Gewinn aber nicht in zusätzliche Mandate ummünzen. Wie bisher verfügt er über 7 Abgeordnetensitze. Ein voller Erfolg waren die Wahlen für die katalanischen Linksnationalisten von der Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), die sich mit über 450.000 Stimmen und 8 Abgeordneten erstmals auch als ernst zu nehmende nationale Kraft etablieren konnte. Bisher hatte die ERC lediglich einen Abgeordneten im spanischen Nationalparlament.

Wählerwanderungen: Von Nichtwählern zu Wählern

Der ausschlaggebende Faktor für den Wahlsieg des PSOE waren weniger die Stimmenverluste der Regierungspartei PP als die Steigerung der eigenen Wählerstimmen. Mir rund 10,9 Mio. Stimmen gewann die Partei von Zapatero im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen fast 3 Mio. Wähler hinzu. Eine in der spanischen Tageszeitung El Mundo veröffentlichte Studie des angesehenen Meinungsforschungsinstituts Sigma Dos untersuchte die Wählerwanderungen, die dem überraschenden Wahlergebnis zugrunde liegen. Bis kurz vor den Wahlen hatten noch alle Umfragen einen mehr oder weniger deutlichen Sieg der Regierungspartei PP vorhergesagt. Der genannten Studie zufolge stammen ca. 1,6 Mio. der 3 Mio. neuen Wähler des PSOE von wahlberechtigten Bürgern, die 2000 nicht zur Wahl gegangen waren. Damals hatten die Sozialisten fast 1,7 Mio. Stimmen an die Nichtwähler verloren, was wesentlich dazu beigetragen hatte, dass der PP von Aznar die absolute Mehrheit der Mandate erringen konnte. Diese Nichtwähler hat der PSOE nun fast vollständig zurückgewonnen. Darüber hinaus sprachen sich ca. 530.000 junge Erstwähler für die sozialistische Partei aus. Das entspricht fast der Hälfte der Stimmen der erstmals Wahlberechtigten. Überraschend war auch die hohe Wahlbeteiligung in dieser Wählergruppe, da diese in Spanien erfahrungsgemäβ nicht wählen gehen. 450.000 der neuen PSOE-Stimmen stammen von Wählern, die sich das letzte Mal für den PP entschieden hatten, und weitere 300.000 von der kommunistischen IU. In Bezug auf die Stimmen, die der PSOE den in der IU zusammengeschlossenen Kommunisten und „Ökopazifisten“ entreißen konnte, hat sich das von der PSOE propagierte Konzept des sogenannten voto útil („nützliches Votum“) voll bewährt. Zapatero hatte im Wahlkampf stets vor einer Aufsplitterung der linken Wählerschaft gewarnt und um die Stimmen der gesamten Linken geworben, weil nur dann eine Ablösung der PP-Regierung möglich sei, wenn der PSOE stärkste Partei werden würde.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der PP trotz der Wahlniederlage weiterhin über eine enorm solide Wählerbasis verfügt. Gegenüber dem Rekordergebnis des historischen Wahlsiegs im Jahr 2000 verlor er lediglich 600.000 Wähler. Mit Verlusten in dieser Höhe war vor der Wahl seitens des PP insgeheim schon gerechnet worden. Diese allein hätten die Konservativen zwar die absolute Mehrheit gekostet, ihnen aber dennoch eine komfortable Mehrheit zur Bildung einer Minderheitsregierung beschafft. Der ausschlaggebende Faktor für die überraschend deutliche Wahlniederlage war also die hohe Wahlbeteiligung sowie die Mobilisierung der Wählerschaft links der politischen Mitte.

Das Wahlverhalten in den Regionen: Entscheidende Verluste für den PP im Baskenland und in Katalonien

Betrachtet man die Wahlergebnisse gesondert nach Regionen, so fällt auf, dass die Wahlniederlage des PP im wesentlichen auf die Ergebnisse in Katalonien, im Baskenland, in Andalusien und Galizien zurückzuführen ist. Im Vergleich zu den Wahlen 2000 verlor die Regierungspartei von Ministerpräsident Aznar in Katalonien 145.000 Stimmen und dadurch die Hälfte ihrer bisher zwölf Abgeordnetensitze. Vier der sechs verlorenen Mandate fielen an den PSOE, zwei an die ERC. Letztere konnte darüber hinaus weitere fünf Mandate von der CiU einstreichen. In Andalusien gingen dem PP 137.000 Stimmen und fünf seiner bisher 28 Mandate verloren. Der PSOE dagegen konnte sogar acht Mandate hinzugewinnen. Im Baskenland verlor der PP 92.000 Wählerstimmen und insgesamt drei Abgeordnete – dieselbe Anzahl, die die Sozialisten dort für sich dazu gewannen. In Galizien, der Heimat des PP-Spitzenkandidaten Mariano Rajoy, bleibt der PP zwar noch stärkste Partei, er gibt aber vier Abgeordnetensitze an Zapateros Partei ab. In Prozentzahlen ausgedrückt verlor der PP im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen im Baskenland 28 Prozent, in Katalonien 19 Prozent, in Galizien 8,5 Prozent und in Andalusien 8 Prozent seiner Wählerschaft.

Dennoch ist der Wahlsieg der PSOE insgesamt gesehen nicht auf einen Einbruch der Mitte-Rechts-Wählerschaft zurückzuführen. Ausschlaggebend sind vielmehr drei Faktoren: Erstens gelang es dem PSOE, fast alle 2000 verlorenen Nichtwähler aus dem Mitte-Links-Lager zurückzugewinnen und gleichzeitig nahezu die Hälfte der Erstwähler an sich zu binden. Zweitens wurden durch das so genannte „voto útil“ über 300.000 Stimmen von der IU abgezogen. Und drittens gewann der PSOE in der Bilanz der gegenseitigen Wählerwanderungen mit dem PP 450.000 Stimmen hinzu. Laut Sigma Dos wählten 680.000 ehemalige PP-Wähler diesmal PSOE und 230.000 PSOE-Wähler den Partido Popular.

Nichtsdestotrotz scheint aber der Wechsel ehemaliger PP-Wähler zum PSOE andere Ursachen zu haben als die Madrider Terroranschläge und ihre Folgeerscheinungen. Denn die letzten Umfragen, insbesondere in Katalonien, Baskenland und Andalusien, verzeichneten für den Partido Popular bereits eine leicht absteigende Tendenz, die nicht mit den Folgen des Attentats in Verbindungen gebracht werden kann. Der starke Stimmenverlust in diesen drei Regionen wird allgemein auf die Konfrontationspolitik des PP gegenüber regionalen, nationalistischen Bestrebungen (Baskenland und Katalonien) sowie in Andalusien auf die Schwäche der PP-Kandidatin Teófila Martínez zurückgeführt.

Insgesamt ist bei den Parteien, mit Ausnahme der CiU, eine außerordentliche Konstanz im Wahlverhalten der Spanier zu beobachten. Die Wählerwanderungen von der einen zur anderen Partei waren also nicht wahlentscheidend. Die beiden großen Parteien konnten ihre traditionelle Wählerschaft faktisch bewahren. Auch der baskische PNV erhielt dieselbe Unterstützung wie im Jahr 2000 und darüber hinaus zusätzliche 90.000 Stimmen von Sympathisanten, die sich bei den vorigen Wahlen noch ihrer Stimme enthalten hatten. Die starken Stimmenverluste der katalanischen CiU kamen in erster Linie der linksnationalistischen ERC von Josep Luis Carod-Rovira zugute, die sich besonders stark gegen die Zentralregierung profiliert hatte. Die CiU, von 1996 bis 2000 der wichtigste Stützpfeiler der PP-Minderheitsregierung, hat das Vertrauen der katalanischen Wähler aus zwei Gründen verloren. Erstens gereichte ihr in dem Klima der Konfrontation zwischen Regionen und Zentralstaat, welches in den letzten Jahren der Aznar-Regierung entstanden war, die gemäßigte Form des Nationalismus zum Nachteil. Zweitens schadete der CiU ihre jahrelange Nähe zur Volkspartei, die in Katalonien unbeliebt ist. Aufgrund der Polarisierung der öffentlichen Meinung bezüglich des gespannten Verhältnisses Kataloniens zur Zentralregierung entschieden sich also viele ehemalige CiU-Wähler entweder für die radikalere Variante des katalanischen Nationalismus und wählten ERC (ca. 90.000), oder gingen aus Enttäuschung nicht zur Wahl (ca. 50.000). Der Erfolg der ERC, die im Zentralparlament nach PSOE, PP und CiU zur viertstärksten Kraft aufsteigt, erklärt sich somit aus den Wählerzuwanderungen von der CiU sowie aus der Mobilisierung von Befürwortern eines radikaler nationalistischen Kurses, die im Jahr 2000 nicht zur Wahl gegangen waren. Ca. 290.000 ehemalige Nichtwähler votierten in Katalonien für die ERC.

Zusammenfassung

Der relativ geringe Stimmenverlust des PP im Vergleich zur vorher gegangenen Wahl im Jahr 2000 zeigt, dass die Volkspartei sich auf eine solide Wählerbasis verlassen kann. Wie die Zahlen belegen, konnte das Duo Aznar/Rajoy seine Anhänger auch in dieser Wahl weitestgehend mobilisieren. Den Ausschlag für die Wahlniederlage gab letztendlich die hohe Wahlbeteiligung, von der die Sozialisten deutlich stärker profitieren konnte als der PP. Hinzu kommt aber auch, dass der Wahlkampf letztendlich mit falschen Themen geführt und inhaltslos gehalten wurde. Anstelle eines tatsächlichen Themenwahlkampfes konzentrierte der PP sich hauptsächlich auf den regionalen Nationalismus und den ETA-Terrorismus – vermutlich aus der Angst heraus, ansonsten möglicherweise die erneute absolute Mehrheit zu verpassen.

Da dem PP der Stimmengewinn mit diesem Thema sehr aussichtsreich schien, hat die Partei die Affäre „Carod-Rovira“ zu ihren Zwecken ausgeschlachtet. Im Januar d ieses Jahres hatte sich der Generalsekretär der ERC und damalige Chefminister der Dreierkoalition zwischen Sozialisten, Linksrepublikanern und Grünen in Katalonien, Carod-Rovira, heimlich mit hohen ETA-Führern in Südfrankreich getroffen. Kurz darauf hatte die ETA dann einen auf Katalonien beschränkten Waffenstillstand angekündigt. Nach Carod-Roviras erzwungenen Rücktritt hatte der neue sozialistische Regionalpräsident Maragall die Forderung des PP nach der Auflösung der Dreierkoalition in Katalonien abgelehnt. In diesem Zusammenhang warf der PP dem PSOE-Kandidaten Zapatero vor, Verbündeter von ETA-Sympathisanten zu sein, da er dazu bereit sei, mit der ERC zu koalieren, und damit mit Leuten, die die Einheit Spaniens auflösen wollten.

Im Grunde beschränkte der PP sich im Wahlkampf darauf, die wirtschaftlich besonders nennenswerten Erfolge der Partei in den vergangenen acht Jahren Regierungspolitik Aznar herauszustellen. Damit verbunden versprach man der Bevölkerung, im Politikstil einen Wandel zu vollziehen, aber Kontinuität in der inhaltlichen Politik zu wahren. Im Vergleich zu Aznar gilt Rajoy als ruhig, konziliant und dialogbereit. Aznar sollte konservative Stammwähler aktivieren, Rajoy die Mitte besetzen. Obwohl sich der noch amtierende Ministerpräsident während des zweiwöchigen Wahlkampfes in der Öffentlichkeit zwar zurückhaltend präsentierte und in nur wenigen Wahlveranstaltungen in PP-Hochburgen auftrat, vermittelte er aufgrund seiner Art nach außen hin weiterhin ein Negativbild für alle Mitte-Links-Wähler. Mariano Rajoys positives Image sollte dagegen ausgleichend wirken. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 5. März 2004 kommt in einer Analyse des spanischen Wahlkampfes zum Ergebnis, dass damit „Konservativismus, Liberalismus und der spürbare Wunsch nach einem Wechsel innerhalb der gleichen Partei angenehm unter einen Hut“ gebracht werden sollten. Die Taktik des PP, ihren Spitzenkandidaten Rajoy als Garanten programmatischer Kontinuität mit einem weniger aggressiven Umgangsstil als Aznar zu präsentieren, schlug jedoch fehl. Denn Rajoy konnte sich nicht aus José María Aznars Schatten lösen.

Vielmehr erinnerte die zurückhaltende Informationspolitik zur Aufrechterhaltung der These von der ETA-Urheberschaft und die Weigerung, nach dem Attentat den Anti-Terrorismuspakt zusammenzurufen, die Bevölkerung allzu sehr an den oft als arrogant und selbstherrlich wahrgenommenen Regierungsstil Aznars. Die Spekulationen um die Urheberschaft der Attentate kurz vor der Wahl führten zu diametralen Gedankengängen: Während der PP am Wählerzuspruch gemessen von baskischen Terroristen als Urheber der Attentate eindeutig profitiert hätte, bedeutete die Täterschaft aus einem islamistischen Umkreis für den PP in der Wahl das genaue Gegenteil. Dies müsste als „Rache“ für Spaniens Unterstützung der USA im Irakkrieg verstanden werden.

Neben den Themen ETA und Wirtschaftswunder bildete allein die Darstellung von Rajoys Persönlichkeit als die „bessere Hälfte“ von Aznar den dritten Pfeiler des PP-Programmes. Die „Low-Profile-Strategie“ des PP bot dem PSOE-Spitzenkandidat zwar kaum Angriffsfläche. Und auch gegenüber der öffentlichen Darstellung von Rajoy konnte Zapatero kein kontrastierendes, eigenes Profil entwickeln. Insgesamt bleibt aber dennoch festzuhalten, dass die vom PP verwendeten Wahlthemen sich nicht bewährt haben.

José Luis Rodríguez Zapatero hat die Wahl zum Ministerpräsidenten nicht aus eigener Kraft und dank eines gut geführten Wahlkampfes gewonnen. Themen wie Bildungspolitik, Wohnungsbau und Arbeitsmarkt verfingen nicht beim Wähler und hätten den Wahlausgang kaum entscheidend beeinflußt. Vielmehr nützte ihm der Umstand, dass bei den Wählern kurz vor der Wahl durch die Attentate alte Ressentiments gegen die Regierung Aznar, die von deren Verhalten in der Prestige-Katastrophe und im Irakkrieg herrühren, wieder hervorgerufen wurden. Obwohl die Glaubwürdigkeit des PP durch die Fälle „Prestige“ und „Irak“ bereits stark angekratzt war, war es ihm bis zum Zeitpunkt der Attentate gelungen, beide Themen nahezu vollständig aus dem Wahlkampf heraus zu halten. Die Erinnerung der Bevölkerung an die ihr gegenüber gezeigte Ignoranz und den mangelnden Respekt der Regierung vor der Haltung der großen Bevölkerungsmehrheit zum Irakkrieg sowie das Gefühl, dass die amtierende Regierung falsch spielen könnte, hatte die vielen Nicht- und Neuwähler dazu bewegt, für den PSOE und seinem Spitzenkandidaten Zapatero zu stimmen.

Mit dem unerwarteten Wahlergebnis steht Spanien derzeit vor einem Dilemma: Zapatero muss nun eine Minderheitsregierung bilden, auf die er sich nicht vorbereitet hat. Rajoy dagegen muss eine Opposition aufbauen, zu der er und seine Partei noch nicht bereit sind.

Die Ergebnisse der Wahl in Spanien liegen als PDF zum Download bereit.

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Dr. Wilhelm Hofmeister

Wilhelm.Hofmeister@kas.de
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16. März 2004
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