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Venezuela fordert die Abberufung von Präsident Maduro

Ein Land geht auf die Straße. Alleine in Caracas waren es hunderttausende Venezolaner, die am 1. September dem Ruf der Opposition gefolgt sind, um die ordnungsgemäße Durchführung eines Abberufungsreferendums einzufordern. Diese Möglichkeit hatte der verstorbene Präsident Hugo Chávez einst in der Verfassung festschreiben lassen, doch angesichts einer historischen Wirtschaftskrise und schlechter Umfragewerte unternimmt sein sozialistischer Nachfolger Nícolas Maduro alles, um ein Referendum in diesem Jahr zu verhindern.

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Im Vorfeld der Demonstration hatte die Regierung alles unternommen, um Massenansammlungen zu erschweren. Es wurden gecharterte Busse aufgehalten oder attackiert, Straßen und Autobahnen wurden von Sicherheitskräften blockiert. Die Metro in Caracas stellte den Betrieb ein, und es wurde sogar ein Flugverbot für alle Privatflugzeuge ausgesprochen – inklusive für Drohnen, die zum Filmen geeignet sind. Oppositionelle wurden angeklagt oder vorübergehend festgenommen, unliebsame ausländische Journalisten wurden an der Einreise gehindert. Der Geheimdienst SEBIN ließ sich die Gästelisten sämtlicher Hotels in Caracas geben, um mögliche externe Beobachter und Berichterstatter an der Arbeit zu hindern.

Rhetorische Drohgebärden gab es von Seiten der Regierungspolitiker, die versuchten, die Gefahr eines „Staatsstreiches“ herbeizureden. Präsident Maduro verkündete, im Vergleich zu ihm werde Erdogan wie ein Waisenknabe aussehen, sollte es zu einem Umsturzversuch kommen. Der kürzlich ernannte Innenminister Ernesto Reverol, der von den USA des internationalen Drogenhandels verdächtigt wird, verlautbarte, er er-warte Gewalt und eine Destabilisierung. Am gewalttätigsten waren am Demonstrationstag sicherlich die regierungstreuen „Colectivos“, die in großen Gruppen auf Motorrädern Demonstrationsteilnehmer einschüchterten oder attackierten. Zu guter Letzt veranstaltete die Regierung eilig eine Gegendemonstration, zu der vor allem die Miliz und andere Staatsbedienstete abgeordnet wurden. Während von der Veranstaltung mit ihren angeblich tausenden Teilnehmern auf allen Fernsehkanälen des Landes berichtet wurde, verbreiteten sich in den sozialen Netzwerken Bilder von überschaubaren Menschenmengen rot gekleideter Menschen, die mit Salsamusik bei Laune gehalten werden mussten.

Genutzt hat alles wenig. Die Venezolaner ließen sich weder beirren noch verschrecken und machten von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch. Getrieben von der Wirtschaftskrise, von der Not und einem Alltag mit dreistelliger Inflationsrate folgten sie der Opposition in Massen. Im Unterschied zu den Demonstrationen von 2014, bei denen der Oppositionsführer Leopoldo López verhaftet wurde, gingen dieses Mal auch Menschen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten auf die Straße. Für die Regierung ist dies ein alarmierendes Zeichen, da bisher besonders die arme Bevölkerungsschicht die Wählerbasis der sozialistischen Regierungspartei PSUV bildete.

Überwiegend verliefen die Demonstrationen friedlich und geordnet, jedoch war die Anspannung deutlich spürbar. Das Oppositionsbündnis „Mesa de Unidad Democrática“ (MUD) hatte sehr vorausschauend gehandelt und bereits im Vorfeld erklärt, dass die Demonstration um 14 Uhr beendet werde. Die meisten Demonstranten machten sich auf den Weg nach Hause, während es vereinzelt zu kurzen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften kam, die ihrerseits Tränengas einsetzten. Anders als 2014, als die Regierung López für die Gewalt verantwortlich machte, konnte die Regierung dieses Mal der Opposition keinen Vorwurf machen und der wirre Verdacht eines „Staatsstreiches“ war unglaubwürdiger denn je.

Wie geht es weiter?

Die MUD kündigte an, den Druck auf der Straße aufrechterhalten zu wollen, um die Durchführung des Abberufungsreferendums noch in diesem Jahr einzufordern. Sollte das Plebiszit erst nach dem 10. Januar 2017 stattfinden, kommt es im Falle einer Abwahl nicht zu einer Neuwahl, sondern der Vizepräsident würde Maduros verbliebene Amtszeit von zwei Jahren beenden. Das chavistische Lager bliebe somit an der Macht. Es ist daher kein Wunder, dass der regierungstreue Nationale Wahlrat (CNE) mit allerlei taktischen Manövern versucht, das Referendum bis ins nächste Jahr hinauszuzögern. Ob dies gelingt, bleibt nach dem heutigen Tag fraglich. Bereits nächste Woche und der Folgewoche hat die MUD weitere Demonstrationen angekündigt.

Venezuela in der internationalen Isolation

International gerät die venezolanische Regierung immer weiter in die Isolation. Mit den Regierungswechseln in Argentinien, Peru und Brasilien hat sich der politische Wind in Lateinamerika gedreht. Während das Treiben von Maduro bisher geduldet wurde, gibt es nun scharfe Kritik von den lateinamerikanischen Ländern. Zu Brasília brach Maduro gar die diplomatischen Beziehungen ab. Als vergangene Woche oppositionelle ecuadorianische Abgeordnete aus Venezuela verwiesen wurden, folgte umgehend eine Beschwerde der sonst gefälligen Regierung in Quito.

Sollte der Druck von innen und von außen in den kommenden Monaten aufrechterhalten werden, dürfte es für Nícolas Maduro schwer werden, sich an der Macht zu halten. Denn auch innerhalb des Regierungslagers dürfte es Gedankenspiele geben, ihn zum Sündenbock der historischen Krise zu machen. Maduro könnte seinerseits die Repression erhöhen. So kündigte er bereits an, er werde die Immunität der Parlamentsabgeordneten aufheben. Zu diesem Schritt ist laut Verfassung einzig und allein das Parlament selbst in der Lage. Allerdings hat Maduro in der Vergangenheit bereits etliche Male gezeigt, dass er sich um Verfassungsbrüche wenig kümmert, wenn es ihm zuträglich ist. Es stellt sich die Frage, wie weit er gehen kann und gehen wird. Venezuela steht ein heißer Herbst bevor.

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19. Februar 2016
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Massenproteste auf den Straßen in Caracas, Venezuela KAS

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