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Länderberichte

Verbesserte Aussichten für eine Überwindung der Wirtschaftskrise

von Ulrich Laute
Nach der schwersten Wirtschaftskrise der vergangenen Jahrzehnte mehren sich die Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung. Ob es gelingt, diesen positiven Trend zu stabilisieren, wird jedoch wesentlich von der Umsetzung der geplanten wirtschaftlichen Strukturreformen und der weiteren Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen abhängen.

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Ungeachtet neuer Rückschläge im Friedensprozess und der anhaltend angespannten innenpolitischen Lage befindet sich die kolumbianische Wirtschaft in einem Erholungsprozess, der auf eine baldige Überwindung der schweren Wirtschaftskrise hoffen läßt, in die das Land 1999 geraten war. Nach einem Konjunktureinbruch von 4,5% im vergangenen Jahr - der ersten Rezession seit 1930 - kann für 2000 mit einem Wachstum von rund 3% gerechnet werden.

Ob es gelingt, diese positive konjunkturelle Entwicklung zu stabilisieren, wird jedoch nach Einschätzung der meisten Beobachter zu einem erheblichen Teil von politischen Faktoren abhängen. Wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Erfolg der von der Regierung angekündigten wirtschaftlichen Strukturreformen zu, deren vorrangiges Ziel darin besteht, die Staatsfinanzen auf eine dauerhafte solide Grundlage zu stellen.

Die Krise des Jahres 1999

Jahrzehntelang gehörte Kolumbien zu den wenigen lateinamerikanischen Ländern mit stabilen Wachstumsraten. Von zyklischen Konjunktureinbrüchen blieb die kolumbianische Wirtschaft ebenso verschont wie von der internationalen Schuldenkrise, die die 80er Jahre für die meisten Staaten des Kontinents zu einem "verlorenen Jahrzehnt" werden ließ. Bis Mitte der 90er Jahre schien es, als ob auch die Verschärfung des inneren Konflikts und die damit verbundene kontinuierliche Verschlechterung der Sicherheitslage der relativ stabilen Wirtschaftslage Kolumbiens nichts anhaben könnten.

Seit Anfang der 90er Jahre erhöhte sich jedoch die Krisenanfälligkeit der kolumbianischen Wirtschaft. Zu den Ursachen zählten eine mit einem starken Anstieg der öffentlichen Verschuldung verbundene konjunkturelle Überhitzung sowie die Verschlechterung der politischen Konfliktsituation und vor allem der Sicherheitslage, die - anders als in den Jahren zuvor - zunehmend ausländische Investoren abschreckte. Gemeinsam mit ungünstigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen führten diese Faktoren zu der schwersten Wirtschaftskrise der vergangenen Jahrzehnte mit dramatischen Folgen für die soziale Situation großer Teile der Bevölkerung.

Die Arbeitslosigkeit erreichte nach offiziellen Angaben mit zuletzt 20,4% (Juni 2000) einen noch nie dagewesenen Höchststand. Kolumbien weist damit die bei weitem höchste Arbeitslosenquote Lateinamerikas auf. Besonders besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang die Jugendarbeitslosigkeit, die in den offziellen Statistiken mit 43% angegeben wird - neben der politischen Unsicherheit eine Hauptursache der massiven Abwanderung gut ausgebildeteter junger Arbeitskräfte.

Zu verzeichnen ist ferner eine Zunahme der Armut sowie ein erheblicher Kaufkraftverlust der Mittelschichten. In be-trächtlichem Maße trug die Wirtschaftskrise auch dazu bei, dass die politische Aufbruchsstimmung nach dem Wahlsieg von Andrés Pastrana im Sommer 1998 bald einer weit verbreiteten Resignation wich.

Licht am Ende des Tunnels?

Die konjunkturellen Daten der vergangenen sechs Monate scheinen nun jedoch Anlass zu vorsichtigem Optimismus zu geben. Alles deutet darauf hin, dass die Talsohle der Wirtschaftskrise durchschritten ist. Die privaten Investitionen - insbesondere die Exporte - haben sich dynamisch entwickelt.

Für 2000 kann mit einer Steigerung des Ex-portvolumens um ca. 10% gerechnet werden. Positiv haben sich zweifellos der hohe Ölpreis und das anhaltende Wirtschaftswachstum in den USA ausgewirkt, in die mehr als die Hälfte der kolumbianischen Exporte gehen.

Wesentlich zögerlicher ist die Erholung der Binnennachfrage, insbesondere des privaten Verbrauchs, der mit einem Wachstum von etwa 4% nur etwa drei Viertel des im vergangenen Jahr verzeichneten Einbruchs wieder wettmachen dürfte. Eine positive Entwicklung verzeichnet vor allem die verarbeitende Industrie, die in der ersten Jahreshälfte ein Wachstum von 10,5% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres verzeichnen konnte. Deutlich schlechter ist die Situation dagegen im Bausektor, der am schwersten von der Wirtschaftskrise betroffen war und nur allmählich Anzeichen einer Belebung zeigt.

Problematisch ist allerdings nach Meinung der meisten Beobachter die Exportabhängigkeit der wirtschaftlichen Erholung. Eine Abschwächung der US-Konjunktur oder ein Rückgang des Ölpreises könnten die Wachstumsaussichten der kolumbianischen Wirtschaft spürbar beeinträchtigen. Ferner muss davon ausgegangen werden, dass eine Verbesserung der Beschäftigungssituation oder der sozialen Indikatoren kurzfristig nicht zu erwarten sind. Umso wichtiger ist unter diesen Bedingungen eine Wirtschaftspolitik, die auf die langfristige Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung gerichtet ist.

Die wirtschaftlichen Strukturreformen

In der im Dezember 1999 mit dem Internationalen Währungsfonds geschlossenen Übereinkunft hat sich Kolumbien zu einer strikten Konsolidierungspolitik verpflichtet. Der dramatische Anstieg der öffentlichen Haushaltsdefizite wird allgemein als eine der Hauptursachen der Wirtschaftskrise gesehen. Vorrangiges wirtschaftspolitisches Ziel der Regierung Pastrana ist es daher, durch eine Reduzierung der Verschuldung den finanziellen Handlungsspielraum des Staates wiederherzustellen. Außer durch strikte Haushaltsdisziplin soll dieses Ziel durch strukturelle Reformen erreicht werden, die derzeit im Mittelpunkt der innenpolitischen Auseinandersetzung stehen.

Heftige Kontroversen entzünden sich vor allem an der Steuerreform. Der neue Finanzminister Juan Manuel Santos hatte bereits bei seinem Amtsantritt im Juli einen strikten Konsolidierungskurs angekündigt: Nur mit "Schweiss und Tränen" - einer Politik, die finanzielle Opfer von allen Bürgern verlange, könne die Wirtschaftskrise überwunden werden. Die von ihm vorgelegte Steuerreform zielt im wesentlichen auf eine Verbreiterung der Steuerbasis und eine drastische Reduzierung der bestehenden Ausnahmen und Abschreibungsmöglichkeiten. Im Gegenzug soll der Höchstsatz der Einkommensteuer von derzeit 35% auf 32% gesenkt werden. Ziel ist es, das mit etwa 1,8% des Bruttoinlandsprodukts auch im lateinamerikanischen Vergleich sehr geringe Steueraufkommen zu erhöhen und gleichzeitig die Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern.

Heftiger Widerstand richtet sich gegen die Reform vor allem von Seiten der Gewerkschaften und von Teilen der liberalen Opposition, die über die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses verfügt. Aber auch im Lager der regierenden Konservativen Partei und sogar bei Ministern der Regierung selbst stießen Teile der Reform auf Kritik. Ob das Projekt in der vorliegenden Form verabschiedet werden kann, ist derzeit noch offen.

Ähnliches gilt auch für die anderen geplanten Strukturreformen. Diese betreffen die Begrenzung der Transferzahlungen an die regionalen Gebietskörperschaften und die Reform der Rentenversicherung, deren finanzielle Basis ebenfalls prekär ist. Darüber hinaus steht auch eine Flexibilisierung der Arbeitsmarktgesetzgebung im Raum, mit der die vergleichsweise hohen Arbeitskosten gesenkt werden sollen, um so die Bedingungen für Neueinstellungen zu verbessern.

Alle genannten Projekte bergen erhebliches soziales und politisches Konfliktpotential. Die Gewerkschaftsverbände haben ein Volksbegehren gegen die Wirtschaftsreformen und die Privatisierungspolitik der Regierung angekündigt und drohen mit massiven Streikaktionen. Die Haltung der liberalen Kongressmehrheit ist schwer vorherzusehen. Durch die Einbindung führender Liberaler - allen voran Finanzminister Juan Manuel Santos - in die Kabinettsdisziplin wäre eine populistische Oppositionspolitik wenig glaubwürdig. Andererseits ist aber kaum vorstellbar, dass die Oppositionsmehrheit die Reformen im Kongress ohne größere Zu-geständnisse passieren läßt.

Wirtschaftslage und Friedensprozess

Auch im Falle einer raschen Umsetzung der notwendigen Reformen bliebe der wirtschaftliche Konsolidierungsprozess jedoch in hohem Maße von den politischen Rahmenbedingungen abhängig. Der bewaffnete Konflikt und die kritische Sicherheitslage haben sich zu einem erheblichen wirtschaftlichen Wettbewerbsnachteil Kolumbiens entwickelt: Nach offiziellen Schätzungen könnte das Wirtschaftswachstum Kolumbiens im Falle einer Beendigung des Konflikts um das Doppelte höher liegen.

Deutlich wurde dies zuletzt am Beispiel der geplanten Privatisierung der Telefongesellschaft von Bogotá (ETB). Der sicher geglaubte Verkauf an italienische bzw. spanische Telekommunikationsunternehmen scheiterte in letzter Minute an Bedenken hinsichtlich der Sicherheitslage - möglicherweiser unter dem Eindruck erneuter massiver Entführungen, denen unter anderem auch drei italienische Techniker zum Opfer fielen.

Anders als in der Vergangenheit ist die wirtschaftliche Konsolidierung heute eng mit der Lösung des bewaffneten Konflikts verknüpft. Wirtschaftliche Reformen allein werden das Investitionsklima nicht grundlegend verbessern können. Fortschritte beim Friedensprozess bleiben daher die wichtigste Voraussetzung für eine positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung Kolumbiens. Aus heutiger Sicht erscheint es allerdings wenig wahrscheinlich, dass solche Fortschritte kurzfristig erreicht werden können.

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Dr. Hubert Gehring

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