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Wohin geht die Reise

von Tinko Weibezahl
In der DR Kongo entbrennt derzeit eine heiße Diskussion um eine geplante Verfassungsreform. Kritiker sehen das Land auf dem Weg in eine Diktatur.

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In der vergangenen Woche gab es in Kinshasa erste Gerüchte über ein Vorhaben der Regierung, die derzeit gültige Verfassung in grundlegenden Punkten zu ändern. Der französische Radiosender RFI berichtete über die Existenz einer entsprechenden, von der Ministerkonferenz eingesetzten Kommission. Gleich am nächsten Tag dementierte der Informationsminister der DR Kongo, Lambert Mende, dass es Überlegungen in diese Richtung gäbe, wies jedoch darauf hin, dass die Verfassung bereits seit 2006 einer „konstanten interinstitutionellen Überprüfung“ unterläge.

Zeitgleich zu dieser Erklärung wurde seitens des Ministeriums die Empfangsmöglichkeit des Senders RFI für die Region Kinshasa unterbrochen. Senatspräsident Kengo wa Dondo, der zur parlamentarischen Opposition gehört, bestätigte schließlich einige Tage später die Existenz einer solchen Kommission. Aus Regierungskreisen wurden daraufhin die konkreten Vorhaben in Zusammenhang mit der Revision der Verfassung bekannt.

Im Einzelnen geht es um drei sehr wesentliche Bestandteile der Verfassung der DR Kongo, in der derzeit gültigen Fassung vom 18. Februar 2006:

  • In Artikel 2 ist festgelegt, dass die DR Kongo aus der Stadt Kinshasa und weiteren 25 Provinzen besteht. Nach den Plänen der Reformkommission soll die Anzahl der Provinzen auf nunmehr dauerhaft 15 verringert werden. Offiziell heißt es, diese Maßnahme diene dazu, ärmere Provinzen überlebensfähig zu machen. Es wird jedoch vermutet, dass diese Änderung vorrangig den Prozess der Dezentralisierung – eines der wichtigsten offiziellen Vorhaben der Regierung nach den freien Wahlen von 2006 – zum Stillstand bringen soll.

  • Artikel 152 regelt die oberste Gerichtsbarkeit in Form eines „Conseil supérieur de la magistrature“, etwa vergleichbar mit dem deutschen Bundesverfassungsgericht. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in Artikel 149 und 151 garantiert, die es der Exekutiven verbieten, jeglichen Einfluss auf die Judikative zu nehmen. Nunmehr soll der Staatspräsident als oberste Instanz des Konzils fungieren, was de facto das Ende für eine unabhängige Justiz bedeuten würde.

  • Nach Artikel 70 wird der Staatspräsident für eine Amtsperiode von fünf Jahren gewählt und darf maximal ein Mal wiedergewählt werden. Artikel 220 verbietet explizit eine Verfassungsänderung mit Bezug auf die Dauer der Regierungszeit des Präsidenten. Diese Regelung soll zugunsten einer Amtsperiode von sieben Jahren und der dauerhaften Abschaffung der geltenden Wiederwahlbeschränkung aufgehoben werden.

Eine Initiative zur Änderung der geltenden Verfassung kann laut Artikel 218 ausgehen:

- vom Staatspräsidenten

- von der Regierung nach Debatte in der Ministerkonferenz

- von einer der beiden Kammern des Parlamentes mit jeweils einfacher Mehrheit

- im Rahmen einer Volksinitiative mit mindestens 100.000 Unterschriften

Die demokratische Verfassung sollte ursprünglich den Versuch bilden, mit internationaler Hilfe eine Demokratie mit funktionierender Gewaltenteilung zu errichten. Seit einiger Zeit gibt es jedoch eine breite Diskussion und wachsende Unzufriedenheit über den Fortschritt der Entwicklung des Landes. Dies reicht vom Vorwurf der Untätigkeit des Präsidenten bis hin zur Warnung vor dem erneuten Ausverkauf des Landes an ausländische Konsortien, wobei die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China in der Zivilgesellschaft besonders kritisch gesehen wird. Zunehmend melden sich Nichtregierungsorganisationen zu Wort, die mit der Privatisierung wichtiger Staatsunternehmen und dem Ausverkauf weltweit begehrter Ressourcen an multinationale Konzerne ins Gericht gehen.

In weiten Teilen der kongolesischen Gesellschaft wächst der Widerstand gegen die von Staatspräsident Joseph Kabila geplanten zahlreichen chinesisch-kongolesischen Joint Ventures. Gleichzeitig wächst die Nervosität innerhalb der Regierung, denn auch dort hat man erkannt, dass die Entwicklung des Landes stagniert und damit die Wiederwahl des Präsidenten im Jahre 2011 akut gefährdet ist. Auch bei den Sicherheitskräften, die naturgemäß ein hohes Risikopotential bilden, besteht nach wie vor große Enttäuschung, denn auch für sie hat sich die Lage kaum verbessert. Polizei und Armee werden weiterhin kaum bezahlt und die angekündigten Reformen zeigen sich lediglich im Austausch von Führungspersönlichkeiten, vornehmlich durch Kabila ergebene Getreue. Nun hat die Regierung den Handlungsbedarf erkannt. Dieser demonstriert sich jedoch nicht in einer umfassenden politischen Kurskorrektur im Sinne der Versprechen von 2006, sondern in „institutionellen Anpassungen“, wie es Planungsminister Olivier Kamitatu formuliert.

Bereits seit Bestehen des jetzigen Staatssystems, der „Dritten Republik“, werden Kongos demokratische Institutionen zunehmend auf den Präsidenten ausgerichtet. Diese grundlegende Tendenz wird von vielen Wissenschaftlern, Vertretern der Zivilgesellschaft aber auch mehr und mehr von staatlichen Akteuren als Schritt zur Errichtung einer Diktatur interpretiert. Die Chancen für die momentan diskutierte grundlegende Verfassungsänderung stehen angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht schlecht. Die Konsequenzen könnten angesichts der Erwartungen nach den freien Wahlen von 2006 und auch mit Blick auf die Zusammenarbeit mit der Weltgemeinschaft für die DR Kongo verheerend sein.

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Sankt Augustin Deutschland