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Länderberichte

Zunehmende Spannungen im Verhältnis zwischen Ungarn und Rumänien

von Sabine Habersack
"Das Statusgesetz der Auslandsungarn" zum einen und zum anderen die ablehnende Haltung des ungarischen Botschafters in Sofia zu Nastases Vorschlag, Bulgarien und Rumänien sollten "im Tandem" den NATO- und EU-Beitrittsprozess vorantreiben, sorgen für Aufregung in Rumänien.

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Am 18. August hat der ungarische Botschafter in Sofia, Béla Kolodji, den bulgarischen Politikern davon abgeraten, "im Tandem mit Rumänien den NATO- und EU-Beitrittsprozess" anzugehen. Gerade einen Tag zuvor hatte der rumänische Ministerpräsident Adrian Nastase seinem bulgarischen Amtskollegen Simeon gegenüber vorgeschlagen, Rumänien und Bulgarien sollten ihre Anstrengungen zur Erlangung der NATO- und EU-Mitgliedschaft aufeinander abstimmen. Simeon selbst hat sich zu diesem Vorschlag nicht geäußert, aber die Pressesprecherin des bulgarischen Außenministeriums, Elena Poptodorova, sprach sich gegen diese Idee aus.

Die rumänische Regierung missbilligte die Äußerung des ungarischen Diplomaten in Sofia nicht zuletzt auch als einen Verstoß gegen die allgemein übliche diplomatische Zurückhaltung. "Es geht nicht darum, dass man mit demselben Flugzeug nach Brüssel fliegt oder dass man Hand in Hand in die NATO eintritt, sondern darum, dass man sich beim Schwimmen in dieselbe Richtung nicht gegenseitig behindert", so Ministerpräsident Nastase.

Botschafter Kolodji dementierte im ungarischen Fernsehen die ihm zugeschriebenen Formulierungen. Im Gespräch mit bulgarischen Medienvertretern habe er lediglich den offiziellen Standpunkt Ungarns wiederholt, wonach es nicht Ländergruppen, sondern immer einzelne Länder seien, die in die westlichen Institutionen aufgenommen werden würden. Budapest trete dafür ein, dass die Kandidaten nicht aufeinander warten, sondern individuell auf Grund ihrer Leistungen den Integrationsprozess erfolgreich abschließen sollten.

Hintergrund der Kontroverse ist die Tatsache, dass sich das rumänisch-ungarische Verhältnis in letzter Zeit ohnehin verschlechtert hatte, u.a. nachdem das ungarische Parlament Ende Juni das sog. "Statusgesetz der Auslandsungarn" verabschiedet hatte. Darin ist vorgesehen, dass alle im Ausland lebenden Ungarn einen "Ungarnausweis" (rum. "Legitimatie de maghiar") bekommen sollen. Damit sollen die in Kroatien, Jugoslawien, Rumänien, Slowenien, Slowakei und in der Ukraine lebenden Ungarn ihre Zugehörigkeit zum Magyarentum ausweisen und bestimmte Sonderrechte genießen können. Lediglich die Ungarn aus Österreich wurden von diesen Bestimmungen ausgeschlossen.

Zu den Vergünstigungen sollen zählen:

  • Arbeitserlaubnisse (mit einer Gültigkeit von 3 bis 4 Monaten im Jahr). Der ungarische Minister für die Wirtschaft schätzte, dass infolge dieses Gesetzes 30.000 - 40.000 Arbeitskräfte jährlich nach Ungarn kommen würden, mit denen das Land seinen Bedarf an Arbeitskräfte lösen könnte;
  • Anspruch auf kostenlose ärztliche Fürsorge bei einem Aufenthalt im "Mutterland";
  • Beteiligung an den ungarischen sozialen Sicherungssystemen, eine Maßnahme, die den Ungarn der benachbarten Ländern die Garantie einer Rente gibt;
  • Unterstützung des muttersprachlichen Unterrichtes für diejenigen Ungarn, die in ihren Heimatländern ungarische Schulen besuchen sowie finanzielle Unterstützung (in Höhe von mindestens 20.000 Forint / Jahr bekommen) von Familien mit zwei und mehr Kindern, die auf die ungarische Schule gehen;
  • kostenloses Studium in Ungarn für ungarische Abiturienten aus dem Ausland;
  • Transportvergünstigungen in Ungarn.
In Bezug auf das "Statusgesetz" schreibt die "Prager Zeitung" vom 4. Juli, dass das selbstbewusste und national orientierte Kabinett des ungarischen Premierministers Viktor Orban somit einen ersten Schritt getan hat, um die Friedensverträge von Trianon zu überwinden.

Zsolt Nemeth, Staatssekretär im ungarischen Außenministerium, bezeichnete das Gesetz als eine "Herausforderung für das ganze Mitteleuropa". Er sei überzeugt, dass heutzutage "die ethnischen und die geographischen Grenzen" nicht mehr übereinstimmen würden und daher jede ethnische Gemeinschaft eine eigene Lösung für ihre Probleme suchen müsse.

Premierminister Nastase hat die Initiative des ungarischen Parlamentes heftig kritisiert: "Rumänien ist kein Testgelände für allerlei Experimente". Mit der "positiven Diskriminierung" für die ungarische Minderheit entstünde gleichzeitig auch eine negative Diskriminierung im Hinblick auf die anderen Minderheiten in Rumänien. Er stellte dem Vorsitzenden der Europäischen Kommission, Romano Prodi, dem Sonderkoordinator für den Stabilitätspakt, Bodo Hombach, und dem europäischen Kommissar Günther Verheugen, in einem Brief die Risiken dar, die durch das Inkrafttreten dieses Gesetzes entstehen könnten: z. B. interethnische Konflikte. Letztendlich seien alle Konflikte auf dem Balkan im Gefolge solcher Streitigkeiten entstanden, so Nastase.

Der Vorsitzende der Demokratischen Partei (PD), Traian Basescu, hat ein parteiübergreifendes gemeinsames Vorgehen gegen die ungarische Initiative vorgeschlagen. Auch der Ungarnverband müsste in diese Verhandlungen einbezogen werden, um zu beweisen, dass er eine "rumänische Partei" sei.

Die Liberalen (PNL) sehen in dem Gesetz "Diskriminierungen auf ethnischer Basis". Valeriu Stoica, Vorsitzender der PNL, fürchtet sogar, dass Rumänien in spürbarem Maße Arbeits-kräfte verlieren werde, wenn Hunderttausende von Rumänen in Ungarn arbeiteten würden. Das Gesetz hätte einen "nicht-europäischen Charakter", was auch viele Kritiken von EU-Repräsentanten erklären, so Stoica.

Alleine die Magyarische Demokratische Union in Rumänien (UDMR) hat sich für das Gesetz der Auslandsungarn ausgesprochen. Marko Bela, Vorsitzender der UDMR, erklärte im Namen der ungarischen Minderheit, dass die Magyaren in Rumänien das Gesetz dringend nötig hätten, nicht zuletzt auch, um ihre Identität zu bewahren. Darum unterstütze seine Partei die Durchführung dieses Projektes logistisch.

Die ungarischsprachigen Zeitung "Szabadsag", welche in Cluj (dt. Klausenburg, ung. Kolosvar) erscheint, schätzt, dass alleine in Siebenbürgen etwa 800.000 Personen die "Ausweise" beantragen wollen. Noch ist nicht bekannt, wie die rumänische Regierung reagieren wird, wenn rumänische Staatsbürger ungarischer Nationalität die umstrittenen "Ausweise" tatsächlich erhalten. Vorerst beschränkt sich die Auseinandersetzung auf kämpferische Aussagen seitens aller politischen Parteien, unabhängig davon, ob sie in der Opposition sind oder nicht, im Parlament oder außerhalb.

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Dr. Martin Sieg

martin.sieg@kas.de

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