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„Verdienstvoller und beeindruckender Vermittler zwischen Israel und Deutschland“

Norbert Lammert zum Tod von Tuvia Rübner

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Zum Tod von Tuvia Rübner erklärt der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Prof. Dr. Norbert Lammert:„Tuvia Rübner war ein verdienstvoller und beeindruckender Vermittler zwischen Israel und Deutschland – nicht nur, aber insbesondere im Bereich der Sprache. Er stand für die Freiheit des Wortes, in seinen beiden Muttersprachen, der deutschen wie auch der hebräischen. Seine Werke zeugen davon, für das Leben, für Frieden und Freiheit einzutreten - in seinem Land wie auch über dessen Grenzen hinaus. Nicht zuletzt deshalb verlieh ihm die Konrad-Adenauer-Stiftung 2012 ihren Literaturpreis.“

„Spätes Lob der Schönheit“, Nachruf von Prof. Dr. Michael Braun, Leiter des Referates Literatur der Konrad-Adenauer-Stiftung:„Tuvia Rübner, der jüdische Dichter deutscher Sprache“, würdigte der Laudator Adolf Muschg im Juni 2012. Das war in Weimar, wo Tuvia Rübner der Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung verliehen wurde. Es war eine ungewöhnliche Feierstunde. Der damals 88jährige Dichter, angereist aus Israel, sprach kurz, aber eindringlich über die paradoxe Nähe von „Weimar-Buchenwald“ und seine Bevorzugung des Paradoxen in einer Welt, die „moralfrei, geschichts- und gesichtslos“ zu werden drohe. Dann las er sein langes Gedicht mit dem Titel „Zartes Gleichgewicht“.

Tuvia Rübner, der sich einmal als „ein Kind des zwanzigsten Jahrhunderts“ bezeichnet hat, wurde am 30. Januar 1924 in Pressburg (dem heutigen Bratislava) in eine deutschsprachige bürgerliche Familie hineingeboren; den hebräischen Namen seines Großvaters erhielt er zu seinen beiden deutschen Namen Kurt Erich hinzu. Mit einem der letzten Flüchtlingstransporte gelangte er als einziger seiner Familie – mit einer Freundesgruppe aus dem zionistischen Jugendbund „Haschomer Hatzair“ – im Mai 1941 aus der Slowakei über Budapest und Konstanza in das damalige Palästina, nach Merchavia (der Name bedeutet, nach einem Psalm, „Gottes Weite“). Dieser 1911 nach dem Plan des deutschjüdischen Soziologen Oppenheim als Genossenschaftssiedlung gegründete Kibbuz war der erste Kibbuz im Emek Jezreel. Hier lebte zeitweise auch Golda Meir, die spätere Premierministerin Israels.

Im Kibbuz erfuhr Tuvia Rübner von der Ermordung seiner Eltern und seiner damals dreizehnjährigen Schwester Alice in Auschwitz. Er arbeitete als Bibliothekar und als Literaturlehrer an einer Mittelschule, später auch als Professor für hebräische und deutsche Literatur an der Universität Haifa. Im Kibbuz wurde Rübner mit dem Neuhebräischen vertraut, seiner zweiten Muttersprache. Er übersetzte hebräische Dichtung ins Deutsche, und er liebte es, eigene Gedichte aus dem Ivrith in seine erste Muttersprache zu übertragen, weil er ja dazu „vom Autor autorisiert“ sei, wie er schmunzelnd anmerkte.

Sein erster Lyrikband auf Deutsch, besorgt von Efrat Gal-Ed und Christoph Meckel, kam 1990 heraus, „Wüstenginster“. Es folgten acht weitere Bände (genau so viele erschienen vor 1990 auf Hebräisch), zuletzt „Wer hält diese Eile aus“ (2007), „Spätes Lob der Schönheit“ (2010) und „Im halben Licht“ (2016), erschienen im Aachener Rimbaud Verlag, der auch Rübners Autobiographie „Ein langes kurzes Leben“ (2014) und ein Lesebuch mit Texten von und über Tuvia Rübner (2015) herausgebracht hat.

Rübners Lyrik zählt zum Bestand der Exilmoderne. Kennzeichnend sind paradoxe Gleichnisse und Kontrafakturen. Klassische Motive werden umgekehrt: Aus Claudius’ „Abendlied“ wird ein Holocaust-Trauma, Grau ersetzt das Grün, die Sterne leuchten Flüchtlingslandschaften aus. Vielfach schöpft Rübner Bilder aus der Bibel, der rabbinischen Tradition, der jüdischen Kultur und dem Holocaust-Gedächtnis. Seine Themen sind „Sehnsucht und Sprache und Nacht der Toten“, Erinnerung und Abwehr des Vergessens, Heimat und Eigentumslosigkeit, Figuren der Hoffnung – und immer wieder das Problem der Zeit. Rübners Sprache ist schlicht und direkt, hassfrei und freiheitsliebend, erinnerungsbewusst, Humor ist ihr nicht fremd, auch sich selbst gegenüber, seine letzten Gedichte haben die auffällige Tendenz, immer länger zu werden.

Tuvia Rübners bleibende Bedeutung besteht in der Vermittlung zwischen den Kulturen und Sprachen. Er hat nie versucht, „das Fremde einzudeutschen“. Ihm war vielmehr daran gelegen, „das Deutsch umzufremden“, es Europa und der Welt zu erzählen: in wahrlich interkulturellen Gedichten. Am 29. Juli 2019 ist Tuvia Rübner, 95jährig, in Israel gestorben.

Zur Dokumentation der Verleihung des Literaturpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung an Tuvia Rübner, Weimar, 10. Juni 2012 geht es hier.

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