Veranstaltungsberichte
Auch wenn die Entscheidungen auf den ersten Blick technisch anmuten, geht es in den Entscheidungen um nicht weniger als die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes, d.h. um eine Antwort auf die Frage, wie Bund und Länder Nachwuchs mit Spitzenqualifikationen gewinnen und halten können.
„Das Bundesverfassungsgericht hat auf den Tisch geschlagen.“
In Artikel 33 Absatz 5 GG heißt es: Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Die amtsangemessene Alimentation ist ein Grundsatz des Berufsbeamtentums und genießt somit Verfassungsrang. Angesichts dessen, dass der Wortlaut des Grundgesetzes keine konkreten Vorgaben macht, ist die Frage berechtigt, ob sich das BVerfG noch im Rahmen der Normenkontrolle bewegt oder ob es sich bei so klaren Vorgaben bereits um Normensetzung handelt. Dr. Carsten Günther beantwortete diese Frage dahingehend, dass nachdem in den vergangenen fünf bis sechs Jahrzehnten die gutgemeinten Worte und allgemeinen Formulierungen vom Besoldungsgesetzgeber nicht ernst genommen wurden, das BVerfG nunmehr mit dieser Entscheidung auf den Tisch geschlagen habe, um dem schleichenden Abwertungsprozess der Besoldung entgegenzuwirken.
Drei-Stufen-Prüfung
Konkret hat das BVerfG in seinen Entscheidungen einen drei-stufigen Prüfungsaufbau für die amtsangemessene Besoldung entwickelt. Günther stellte in seinem Vortrag die Kriterien im Einzelnen vor. Auf der ersten Stufe gibt es fünf „rechenbare Kriterien“. Drei davon orientieren sich an wirtschaftlichen Indizes: Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst, Orientierung am Nominallohnindex und Verbraucherpreisindex. Diese Kriterien sind als Indizien für die Verfassungswidrigkeit erfüllt, wenn in einem Zeitraum von 15 Jahren eine Abweichung von 5% oder mehr erfolgte.
„Ein Ruck durch die Besoldungstabelle“
Das vierte Kriterium ist das Abstandsgebot. Dies ist ein „systeminterner Vergleich“. Unterschiedliche Ämter gehen mit einer unterschiedlichen Wertigkeit einher und sind damit anders zu besolden. Der Abstand der unterschiedlichen Besoldung sollte nicht eingeschmolzen werden. Die Verfassungswidrigkeit ist indiziert, wenn in einem Zeitraum von fünf Jahren die Abstände um 10% oder mehr sinken. In diesem Zusammenhang spielt auch der Abstand zur Sozialhilfe eine Rolle. Nach Auffassung des BVerfGs muss auch der am schlechtesten besoldete Beamte einen Mindestabstand von 15% zur Sozialhilfe haben. Dieser sei nach Aussage von Günther in einigen Bundesländern sogar bis in die Besoldungsgruppe A8 nicht erreicht. Sollte es im Zuge dessen zu Erhöhungen auf niedrigeren Besoldungsstufen kommen, führt das Abstandsgebot dazu, dass es auch zu Anpassungen auf den anderen Besoldungsstufen kommen kann. „Es könnte ein Ruck durch die Besoldungstabelle gehen“, so Günther. Er attestiert weiter, dass dies „einiger Sprengstoff für die Finanzminister“ sei.
„Systemexterner Vergleich“ dogmatisch zulässig?
Das fünfte Kriterium ist ein „systemexterner Vergleich“, indem mit der Besoldung auf Bundesebene oder mit anderen Bundesländern verglichen wird. Hier stellte sich die Frage, ob ein solcher Vergleich überhaupt dogmatisch zulässig ist. Die Grundsätze des Berufsbeamtentums aus dem Grundgesetz sind nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder der Prüfungsmaßstab. Die Zuständigkeit für die Ausfüllung liegt jedoch nach der Re-Föderalisierung der Besoldung im Jahr 2004 bei dem einzelnen Bundesland. Dies sei eine bewusste Entscheidung gewesen, die in Kauf nehme, dass sich die Höhe der Besoldung unterscheide. Günther verwies zur Antwort auf diese Frage auf die Argumentation des Gerichts, dem es um die qualitätssichernde Funktion der Alimentation ginge. Bei der Einstellung neuer Beamter stehen die Länder in einem Wettbewerb. Damit aber nicht nur in gut zahlenden Ländern gute Leute eingestellt werden, ist ein Vergleich nötig. Dies sei ein Kompromiss zwischen dem Leistungs- und dem föderalen Prinzip.
„Weichere Kriterien“
Wenn drei der soeben aufgezeigten fünf Kriterien erfüllt sind, besteht die Vermutung der Verfassungswidrigkeit der Besoldung und es ist mit der Prüfung in der zweiten Stufe anhand „weicherer Kriterien“ fortzufahren. Diese sind im Einzelnen: das Ansehen des Berufsbeamtentums; die Ausbildung, die für das Amt benötigt wird; die Beanspruchung im Amt und die Attraktivität des Beamtenberufs. Frau Andrea Franke warf die Frage auf, wie justiziabel diese Kriterien seien. Insgesamt sei diese zweite Stufe nach Absicht von Günther nicht außer Acht zu lassen, weil viel Wichtiges für die Bedeutung des Berufsbeamtentums darin stecke, was nicht in Zahlen auszudrücken sei.
Rechtfertigungsebene
Auf der dritten und letzten Stufe ist die Rechtfertigung eines möglichen Eingriffs zu prüfen. Eine Kürzung der Besoldung im zulässigen Rahmen der Besoldungsgruppe ist zu rechtfertigen, wobei die alleinige Finanznot nicht ausreiche, so Günther. Da die Alimentation Verfassungsrang genießt, sei hingegen ein Eingriff in Ausnahmefällen unter die denkbar zulässige Untergrenze nur zu Gunsten eines anderen Gutes mit Verfassungsrang möglich, wie beispielsweise das Neuverschuldungsverbot.
„Salomonische Entscheidung“
Insgesamt hält Günther die Entscheidung für eine „salomonische Entscheidung“. Es werde eine ganz klare, nachrechenbare Grenze gezogen, was ein absolutes Novum in der besoldungsrechtlichen Rechtsprechung sei. Gleichzeitig liege diese Grenze etwa auf dem status quo.
Risiken
Franke, als „große Verfechterin des Beamtentums“, wies auf die Risiken für das Beamtentum hin, da durch die Entscheidungen nicht mehr Geld zur Verfügung stehe. So werden nach ihrer Ansicht als erstes Stellen gestrichen bei gleicher Aufgabenlast. Weiterhin kann es zu einer Flucht aus dem Beamtentum kommen, was das Institut des Beamtentums als solches schwächen würde. Gerade in Sachsen muss aufgrund der Entscheidung des BVerfGs in Bezug auf die A10 Besoldung nachgebessert werden. Es stehe die Vermutung im Raum, dass man die absolute Untergrenze ausrechne. Dies birgt nach Günther allerdings die Gefahr, in eine verfassungswidrige Besoldung zu laufen, da die Vergleichsindizes, die bei der Berechnung herangezogen werden müssen, erst im Nachhinein bekannt sind. Franke gab weiterhin zu bedenken, dass die Entscheidung in Zeiten entstanden ist, in denen ein Trend der Gehälter nach unten zu verzeichnen ist. Es wird sich zeigen, ob sich die vom Gericht entwickelten Kriterien auch in Zukunft bewähren werden, wenn die Gehälter wieder ansteigen.
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