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Die Aussichten der Friedensverhandlungen

von Michael Mertes, Evelyn Gaiser

Fünf Fragen – Fünf Antworten mit Dr. Ely Karmon

In unserer Interview-Reihe „Fünf Fragen – Fünf Antworten“ spricht Dr. Ely Karmon, Senior Research Scholar am International Institute for Counter-Terrorism (ICT) und Senior Research Fellow am Institute for Policy and Strategy am Interdisciplinary Center (IDC), über die Chancen der gegenwärtigen israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen.

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Dr. Karmon, haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns einige Fragen zu beantworten. Kürzlich schrieben Sie in einem Artikel in der Jerusalem Post, dass die aktuelle politische Situation günstig für Verhandlungen ist. Können Sie genauer erklären, was Sie damit meinen?

In meinem Jerusalem Post-Artikel habe ich erklärt, dass wir momentan ein Gelegenheitsfenster in den israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen sehen. Die Hamas – der Hauptgegner der Verhandlungen – ist im innerpalästinensischen Kontext – besonders im Gazastreifen – geschwächt und auf regionaler Ebene isoliert. Das Regime in Teheran muss sich in dieser heiklen Phase, in der das Genfer Nuklearabkommen mit den Vereinigten Staaten und den Westmächten implementiert wird, zurückhalten und weniger aggressiv in der Region agieren. Folglich muss es seine militärische Unterstützung für die Hamas einschränken. Das Militärregime in Ägypten strebt die Isolierung der Hamas an, da die islamistische Bewegung mit der Muslimbruderschaft und den Dschihadisten auf der Sinai-Halbinsel politisch und operativ zusammenarbeitet und somit einen negativen Einfluss in Ägypten hat. Gleichzeitig unterstützt Ägypten politisch die Führung der Palästinenserbehörde (unter Mahmoud Abbas).

Ein Übergang wäre, in Gaza mit Hilfe der Ägypter die Kontrolle der Palästinenserbehörde durchzusetzen und die Hamas-Bewegung zu spalten, indem man pragmatischeren Hamas-Führern (außerhalb des Rahmens der Hamas-Bewegung) Anreize gibt, Teil einer neuen gemeinsamen Palästinenserbehörde zu werden. Ferner müssten – auf kurze Sicht – den Palästinensern im Westjordanland und in Gaza bessere wirtschaftliche und territoriale Bedingungen angeboten werden und – langfristig – ein klarer Kompromiss erarbeitet werden, der für alle Parteien akzeptabel ist.

Denken Sie, dass ein Abkommen zwischen Hamas und Fatah den Verhandlungen zuträglich wäre?

Meiner Meinung nach würde ein Abkommen zwischen Fatah und Hamas letzten Endes die Fatah schwächen und der Palästinenserbehörde radikalere Positionen aufzwingen, wie es in der Vergangenheit schon mehrer Male der Fall war.

Wie haben Ihrer Meinung nach die Umbruchbewegungen in der Arabischen Welt die Entscheidung der israelischen und palästinensischen Führung, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, beeinflusst?

Die Entscheidung der israelischen und palästinensischen Führung, wieder miteinander zu verhandeln, war in erster Linie das Ergebnis starken amerikanischen und – zu einem gewissen Grad – europäischen Drucks. Gleichwohl haben die gewaltsamen Aufstände in den arabischen Ländern, die Massaker des syrischen Regimes, die schlimme wirtschaftliche und soziale Lage und die drohende langfristige Instabilität in der Region, die politische Führung und auch einen großen Teil der Öffentlichkeit auf beiden Seiten davon überzeugt, dass Verhandlungen Hoffnung geben und die Lage im Westjordanland – zumindest kurzfristig – beruhigen können.

In Israel wie auch in Saudi-Arabien und anderen sunnitischen Staaten wurden die Vereinigten Staaten von Amerika recht offen dafür kritisiert, ihren Standpunkt in Bezug auf Syrien und den Iran nicht konsequent genug durchgesetzt zu haben. Könnte dies negative Auswirkungen auf die Verhandlungen haben?

Die Auffassung vieler regionaler Akteure, die Obama-Regierung habe keine klare Nahost-Strategie und sei infolge ihrer Position in der Syrien-Krise und im Nuklearstreit mit dem Iran auf der Weltbühne geschwächt, wird die palästinensische und israelische Führungsriege zweifellos davon überzeugen, dass sie weiterem Druck der Amerikaner widerstehen können, wenn sie ihre strategischen Interessen gefährdet sehen.

Was sind Ihre Erwartungen für die gegenwärtigen Friedensgespräche? Können Sie uns eine Einschätzung geben?

Meiner Meinung nach gibt es keine Aussicht auf eine endgültige Einigung solange sich die Turbulenzen in der Region nicht legen, zumindest was Ägypten und Syrien betrifft, und solange es keine Kompromissbereitschaft seitens der Palästinenser in der Frage des Rückkehrrechts und zum Status Jerusalems gibt (ich denke, die Streitpunkte Gebietsaufteilung und Grenzen sind lösbar). Gleichwohl sollte Israel in der Siedlungsfrage und bezüglich langfristiger Sicherheitserfordernisse Kompromisse eingehen. Ich lege hier natürlich einen sehr allgemein gefassten Plan dar, der eine weit tiefere Analyse der schwierigen Themen, um die es hier geht, verlangt.

Ein mögliches Interim-Abkommen würde auf kurze Sicht einen vollständigen israelischen Siedlungsstopp und einige symbolische territoriale Veränderungen im Westjordanland beinhalten. Ferner müsste der palästinensischen Anti-Israel Hetze und der Glorifizierung von Terrorismus ein Ende gesetzt werden. Dies müsste einhergehen mit einer verbesserten Gefahrenabwehr zur Unterbindung von Gewalt und Terror. Das wäre ein sehr allgemein gehaltener bilateraler Rahmen für die endgültige Einigung.

Michael Mertes und Evelyn Gaiser stellten die Fragen.

Dr. Ely Karmon ist Senior Research Scholar am International Institute for Counter-Terrorism (ICT) und Senior Research Fellow am Institute for Policy and Strategy des Interdisciplinary Center (IDC) in Herzliya, Israel. Er hält Vorlesungen zu den Themen Terrorismus und Guerilla in der heutigen Zeit sowie CBRN-Terrorismus am Master-Programm für Studien der Terrorismusbekämpfung am IDC.

Dr. Karmon hat einen Bachelor-Titel in Englischer und Französischer Kultur von der Hebräischen Universität in Jerusalem, einen Abschluss in Internationalen Beziehungen vom Institut d’Études Politiques und einen Abschluss in Bantu-Sprachen von der École de Langues Orientales, in Paris. Seinen Master und seinen Ph.D. absolvierte Dr. Karmon im Fach Politikwissenschaften an der Haifa University.

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