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Die Resonanz in Brasilien auf die COP 16 in Cancún

von Jasper Eitze, Virginia Gavilanes
Am Samstag, den 11. Dezember 2010, endete die COP 16 im mexikanischen Cancún. Nach dem Scheitern der COP 15 vor einem Jahr in Kopenhagen beherrschten, wie in der restlichen Welt auch, Skepsis und Pessimismus die öffentliche Meinung in Brasilien im Vorfeld der Konferenz. "Die COP 16 wird nichts bringen", so das vorauseilende Urteil von Präsident Lula zu Beginn der Klimakonferenz. Doch am Ende überwog die positive Überraschung.

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Das Urteil zu Beginn der Konferenz seitens des noch amtierenden brasilianischen Präsidenten Lula viel vernichtend aus: „Die COP 16 wird nichts bringen, keine große Führungspersönlichkeit wird hinfahren, höchstens die Umweltminister. Es wird keinen Fortschritt geben, keinen Vertrag“, erklärte Lula am 1. Dezember. Auch Dilma Rousseff, die am 1. Januar 2011 Lulas Nachfolge im Präsidentenamt antreten wird, sagte wegen der laufenden Kabinettszusammenstellung ihre Teilnahme in Cancún ab. Die brasilianische Delegation wurde somit von der Umweltministerin Izabella Teixeira und dem brasilianischen Chefunterhändler, Botschafter Luiz Alberto Figueiredo, angeführt.

Die Ergebnisse von Cancún: „überraschend“ auch aus brasilianischer Sicht

Von den Resultaten der COP 16 fand – wie in der internationalen Presse – der neu eingerichtete „Grüne Klimafonds“ aufgrund seiner weit fortgeschrittenen Ausgestaltung auch in der brasilianischen Berichterstattung besondere Beachtung. Die durch den Fonds vorgesehene finanzielle Inpflichtnahme der Industrieländer (ab 2020 mit jährlich 100 Mrd. USD) zur Unterstützung der von den Klimafolgen besonders stark betroffenen Entwicklungsländer hatte auch Brasilien stets vehement gefordert. Allerdings wird das Land selbst wohl nur sehr wenig von den zukünftigen Fondszahlungen profitieren, da diese vor allem in die ärmsten Länder in Afrika und Asien fließen sollen.

Wegen seiner riesigen Waldbestände weitaus interessanter waren hingegen aus Sicht Brasiliens die Fortschritte bei REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation). Hier wurden die technischen Fundamente gelegt, auf deren Grundlage bemessen werden kann, wie viel CO2-Emissionen ein Land durch das Verhindern der Abholzung von Wäldern effektiv einspart. Wenn auf dieser Grundlage in ein paar Jahren finanzielle Transferzahlungen stattfänden, wäre dies für Brasilien ein wichtiger finanzieller Anreiz zur konsequenten Verhinderung der Regenwaldabholzung. Das CO2-Einsparpotenzial hierbei ist enorm, denn die Emissionen des südamerikanischen Landes sind zu fast 60 Prozent auf die Waldvernichtung zurückzuführen. Bis es allerdings zu Transferzahlungen seitens der Industriestaaten kommen kann, müssen noch die entsprechenden Konditionen verhandelt werden: „In Cancún haben wir definiert, was REDD ist; was wir noch nicht wissen, ist, wie es bezahlt werden soll, und das wurde bis ins kommende Jahr aufgeschoben“, so Suzana Kahn, Professorin an der Bundesuniversität von Rio de Janeiro und Mitglied des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) der Vereinten Nationen. Doch allein die Aufnahme von REDD in die Agenda für 2011 wurde in Brasilien als Erfolg gefeiert. Auch die brasilianische Umweltministerin Izabella Teixeira schien zufrieden: „Es gibt Dinge, die sogar überraschten. Die Frage des grünen Fonds, des REDD“.

Abschließende Bewertung: Teixeira gibt Cancún die Note 7,5

Angesichts der pessimistischen Grundstimmung zu Beginn der Klimakonferenz sah Teixeira die COP 16 trotz eines nach wie vor fehlenden Entwurfes für ein Kyoto-Nachfolgeprotokoll keineswegs als Misserfolg. Die in Cancún angewandte Praxis, die Verhandlungen in den verschiedenen Bereichen mithilfe von Länderpaaren (jeweils ein Industrie- und ein Entwicklungsland) zu führen, habe sich als sehr sinnvoll erwiesen und konkrete Ergebnisse hervorgebracht. Besonders betont wurde in der brasilianischen Berichterstattung in diesem Zusammenhang der Verdienst der mexikanischen Außenministerin Patricia Espinosa, die bei der COP-16 den Vorsitz hatte. Neben den positiven Aspekten wies Teixeira aber auch darauf hin, dass bis zur nächsten Konferenz 2011 im südafrikanischen Durban noch sehr viel zu tun sei. Auf die Nachfrage von BBC Brasil, welche Note sie der COP 16 auf einer Skala von eins bis zehn geben würde, lautete Teixeiras Antwort: 7,5.

Freiwillige Selbstverpflichtung: Brasilien legt bei Klimaschutzzielen nach

Hinsichtlich ihrer nationalen Klimaschutzpolitik nutzte die brasilianische Regierung – wie auch schon vor einem Jahr in Kopenhagen – die durch die Klimakonferenz erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit, um zu verkünden, dass Brasilien das Ziel, die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes um 80 Prozent zu reduzieren, schon bis 2016 erreichen könne - vier Jahre früher als ursprünglich anvisiert. In diesem Zusammenhang unterzeichnete Präsident Lula einen Tag vor Ende der COP 16 noch ein Dekret, das zum Einen definiert, wie Brasilien seine CO2-Emissionen messen will, und zum Anderen erklärt, auf welchem Wege dies genau geschehen soll. Dadurch hat Brasilien seiner vor einem Jahr, im Vorfeld der Kopenhagen-Konferenz verkündeten freiwilligen Selbstverpflichtung, seine Emissionen bis 2020 um 36 bis 39 Prozent gegenüber dem „Business as usual“-Szenario (BAU-Entwicklung) zu reduzieren, einen klaren Referenzrahmen verliehen. Brasilien ist damit das Schwellenland mit den ehrgeizigsten, konkret festgelegten Reduktionszielen.

Fazit zu Cancún: Fortschritte bei den Klimaschutzverhandlungen auch ohne die großen Stars

Wohl auch vor diesem Hintergrund wurde Brasiliens eigene Leistung in Cancún von den nationalen Medien gelobt. Entgegen Lulas Pessimismus zu Beginn der Konferenz betrachteten viele Beobachter die Abwesenheit der Staatschefs und somit die Durchführung des Verhandlungsprozesses in vorwiegend technischen Teams als mitentscheidend für den letztlich doch noch positiven Ausgang der Konferenz. Allerdings wurde auch kritisch auf die zahlreichen noch offenen Baustellen und die extrem knappe Zeit hingewiesen, die bis zum nächsten Gipfel 2011 in Südafrika bzw. bis zum Rio+20-Gipfel 2012 noch verbleibt, um sich auf das wohl wichtigste Instrument der Vereinten Nationen im Kampf gegen den Klimawandel zu einigen: Ein Nachfolgeprotokoll für Kyoto.

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