Politisches Erdbeben in Costa Rica
Country Reports
Bereits am Morgen des Aschermittwochs kamen erste Gerüchte in Medien und sozialen Netzwerken auf. Am frühen Nachmittag trat schließlich Johnny Araya, der über 20 Jahre lang Bürgermeister der Hauptstadt San José war, vor die Presse und erklärte seinen Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur. Als Grund nannte er, dass sich die öffentliche Meinung zunehmend gegen eine erneute Legislatur der Regierungspartei gerichtet habe. Seit der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 2. Februar, bei der Araya mit etwa 29 Prozent nur knapp hinter SolÃs lag und das Ergebnis eine Stichwahl der beiden Kandidaten erforderlich machte, hat sich das Blatt gegen den PLN-Kandidaten gewendet. Noch wenige Monate zuvor galt er als Topfavorit auf das Präsidentenamt, während Luis Guillermo SolÃs in Umfragen nur wenige Prozentpunkte erreichte. Araya bemängelte zudem fehlende finanzielle Mittel für den Wahlkampf. Obwohl er noch in der ersten Runde der Kandidat mit den meisten Mitteln war, haben viele Geldgeber in der zweiten Runde Araya ihre Unterstützung versagt.
Es ist das erste Mal seit 1949, das in Costa Rica ein Präsidentschaftskandidat kurz vor der Stichwahl zurücktritt. Da die Verfassung keinen Rücktritt vorsieht, wird der Wahlgang am 6. April dennoch durchgeführt – mit SolÃs und Araya als Kandidaten auf dem Stimmzettel. Theoretisch ist daher eine Wahl Arayas nach wie vor möglich.
Araya in aussichtsloser Lage
Die Entscheidung Arayas macht deutlich, dass der Kandidat und seine Partei die Aussichtslosigkeit der Lage erkannt haben. Es zeichnete sich in Umfragen deutlich eine Wechselstimmung ab. SolÃs galt vielen bereits vor Arayas Entscheidung als der sichere Sieger.
Außerdem hat der PLN-Kandidat seine Wahlkampfstrategie unter der Annahme einer finanziellen Ãœberlegenheit geplant. Als dies nicht mehr der Fall war, konnte er dem Kontrahenten SolÃs nichts mehr entgegensetzen. Alternative Mittel des Wahlkampfes hat er nicht in Betracht gezogen oder sie haben keine Wirkung entfaltet.
Harter Schlag für die Demokratie
Der Rücktritt ist dennoch ein herber Schlag für die Demokratie in Costa Rica. Die Verfassung verbietet einen Rücktritt, damit ein Kandidat nicht korrumpiert werden kann bzw. die beiden Kandidaten in der Stichwahl keine unlauteren Vereinbarungen treffen. Arayas Entscheidung mag aufgrund des Stimmungsbildes nachvollziehbar sein, schadet jedoch der politischen Kultur im Lande und fördert die Frustration. Anhänger und Sympathisanten, die monatelang im Wahlkampf aktiv waren, dürften von ihrem Kandidaten sehr enttäuscht sein. Wählern dürfte missfallen, dass Araya kampflos das Feld räumte und kein Verantwortungsbewusstsein zeigte.
Politische „Taktiererei“?
Politische Analysten wähnen in dem Manöver von Johnny Araya den Versuch, die Legitimität des zukünftigen Präsidenten SolÃs zu untergraben. Diese Sorge ist nicht unbegründet, da viele Wähler der Stichwahl fernbleiben werden, bei der de facto nur noch ein Kandidat antritt. SolÃs würde somit als politisch geschwächter Präsident sein Amt antreten, so könnte das Kalkül sein. Ferner muss nun SolÃs einen Monat lang den Medien Frage und Antwort über seine politischen Projekte und Vorstellungen stehen, da es keine Debatte mehr zwischen zwei Kandidaten und somit zwei Positionen gibt. Die verbleibende Vorwahlzeit reduziert sich auf ein Pro und Contra des vermeintlichen Präsidenten „in spe“ Luis Guillermo SolÃs.
Bei einem Wahlsieg sieht sich der PAC-Kandidat einem extrem fragmentierten Parlament gegenüber. Seine Partei hat gerade 13 von 57 Abgeordnetenmandaten errungen. SolÃs wird als Präsident auf Bündnisse seiner Partei PAC mit anderen Fraktionen angewiesen sein. Allerdings wird die PLN als stärkste Fraktion im Parlament eine wichtige Rolle einnehmen. Ein politisch geschwächter Präsident SolÃs kommt der PLN demnach entgegen.
Grabenkämpfe in der PLN werden sich verstärken
Dieser höchst gewagte politische Schachzug Arayas kann jedoch zu einer Verstärkung der Grabenkämpfe innerhalb seiner eigenen Partei führen. Die PLN ist bereits seit langem durch innerparteiliche Konflikte gezeichnet. Obwohl Araya als politisch angezählt gelten darf, bekräftigte er seine Absicht, weiterhin in der Politik aktiv bleiben zu wollen. In den nächsten Wochen werde er durch das Land fahren, um seine Parteikameraden „zu umarmen“. Ob diese ihm jedoch erneut das Vertrauen aussprechen werden, darf bezweifelt werden.
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