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Country Reports

Reform des Rentenversicherungssystems

by Dr. Norbert Wagner, Philippe Crevel

Eine Schlüsselreform der Regierung Raffarin

Wie viele westliche Industriestaaten, so hat auch Frankreich jahrzehntelang seine sozialen Sicherungssysteme unterfinanziert und mit systemfremden Lasten überfrachtet. Die Sozialausgaben stiegen explosionsartig an, die Sozialabgaben mussten infolgedessen immer rascher erhöht werden. Frankreich ist eines der Länder mit der höchsten Abgabenquote weltweit. Trotz Zuschüssen aus dem Staatshaushalt und Quersubventionierung befindet sich die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme in einer gravierenden Krise, die nur noch im Wege einschneidender Reformen behoben werden kann. Einen ersten Schritt in diesem Zusammenhang unternahm die Regierung Raffarin, indem sie Ende 2002 die Arbeitslosenversicherung reformierte. Kern der Reform ist eine Reduzierung der Leistungen und eine geringfügige Erhöhung der Beiträge.

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Wesentlich schwieriger wird sich die Reform des Systems der Rentenversicherung erweisen. Seit den neunziger Jahren zieht sich das Thema der Renten wie ein roter Faden durch die französische Politiklandschaft. Abgesehen von der Reform 1993, die nur die allgemeine Grundversorgung betraf, wurde bisher nichts getan, um die schwierige Hürde des zu erwartenden Opa-Booms in den Jahren 2020-2040 zu überstehen.

Angesichts der seit den siebziger Jahren rückläufigen Geburtenzahlen können die Renten ohne eine tiefgreifende Reform ab 2020 nicht mehr finanziert werden. Premierminister Jean-Pierre Raffarin hat daher die Reform der Rentenversicherung zu einer der zentralen Aufgaben seiner Regierung erklärt.

1. Bestandsaufnahme - Eckdaten der französischen Altersversorgung

  • Anteil der Renten am BIP: 13,4 % (2000).
  • 13,4 % vom BIP entsprechen dem Vierfachen der Einkommenssteuererlöse.
  • Gegenwärtig stehen rund 13 Mio. Rentner rund 22 Mio. Aktiven gegenüber.
  • In Europa geben nur Italien und Österreich einen größeren Anteil der Staatsmittel für die Altersvorsorge aus.

1.1. Demographische Einflußfaktoren – Geburtenrückgang und steigende Lebenserwartung

Seit 1965 folgte auf den Babyboom ein „Babykrach“. Zwar ist seit zwei Jahren eine leichte Verbesserung feststellbar, eine Trendwende gegenüber den letzten 35 Jahren wird dadurch allerdings nicht eingeläutet.

Die französische Geburtenziffer ist mit 1,9 zwar höher als bei seinen europäischen Nachbarn (Deutschland 1,3; Italien 1,2). Die Erneuerung der Generationen ist trotzdem nicht gewährleistet.

Der zu Beginn der neunziger Jahre verbreitete Pessimismus wurde durch die Berücksichtigung des höheren Erstgeburtsalters gelindert. Letzteres lässt sich durch den Wunsch der Frauen erklären, zuerst ihre berufliche Situation zu stabilisieren und dann Kinder zu gebären.

Trotzdem wird Frankreich wie alle westlichen Länder zwischen 2020 und 2040 einen „Opakrach“ meistern müssen. Wir erleben momentan die letzten Abschnitte des goldenen Zeitalters der Altersversorgung. Die jetzigen Ruheständler sind zwischen den beiden Weltkriegen geboren; sie gehören zu geburtenschwachen Jahrgängen. Der aktive Bevölkerungsanteil dagegen ist aus zwei Gründen hoch:

  • Die Geburtenjahrgänge des Babybooms stellen den Großteil der aktiven Bevölkerung;
  • Die Anzahl der erwerbstätigen Frauen stieg in den letzten dreißig Jahren steil an; dadurch erhöhte sich die Anzahl von Beitragszahlern.

Wir erleben eine Umkehr der verschiedenen Faktoren. Die ersten Jahrgänge des Babybooms gehen heute in den Ruhestand, auch erwerbstätige Frauen, bislang reine Beitragszahler, gehen in den Ruhestand. Die berufliche Laufbahn der ersten Babyboomer-Generation war in der Regel gut, daraus ergeben sich hohe Rentenansprüche.

Dieser Richtungswechsel wird durch die Alterung der Bevölkerung zusätzlich belastet. Im Jahr 2000 waren 12,1 Millionen Menschen in Frankreich über 60 Jahre alt; im Jahr 2040 werden voraussichtlich mehr als 21,6 Mio. Menschen älter als 60 Jahre sein. In den kommenden vierzig Jahren wird die Zunahme in der genannten Alterskategorie somit rund 80% betragen. Der Anteil von Senioren in der französischen Bevölkerung wird bis 2050 von 20% auf 35% ansteigen.

Im Jahr 2050 wird die Lebenserwartung der Männer bei 84,3 Jahren und für die Frauen bei 91 Jahren liegen. Zum Vergleich: 1750 belief sich die Lebenserwartung der Männer auf 27,5 Jahre und die der Frauen auf 29 Jahre. 1935 jeweils 39 und 41 Jahre, 1960 bei den Männern 67 Jahre und 77 Jahre bei den Frauen. Heute liegt die Lebenserwartung der Männer bei 75 Jahren und jene der Frauen bei 82 Jahren.

Das Zusammentreffen der Faktoren Bestand plus hohe Rentenansprüche plus längere Lebenserwartung ist für die Finanzierbarkeit des französischen Rentenversicherungssystems eine explosive Mischung.

1.2. Finanzbedarf steigt unaufhaltsam - Quote Beitragszahler/Rentenempfänger verschiebt sich

Im Zeitraum 2000/2020 wird der Anteil der Ruhestandsleistungen von 12 auf 14 oder gar 15% des BIP steigen. 2040 wird der Anteil 15,8% überschreiten (Charpin-Bericht). Zu den Rentenaufwendungen kommen noch die Kosten für Pflegeleistungen.

Die Beitragszahler/Rentenempfänger-Quote lag 1970 bei 3, für 2000 wurden 2,2 berechnet und für 2020 ein Verhältnis von 1.

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Der Finanzierungsbedarf des Rentensystems steigt

Das Commissariat au plan (Haushaltsbehörde) schätzt den Finanzierungsbedarf auf der Basis einer niedrigen Arbeitslosenrate für 2040 auf 120 Mrd. €. Die Kosten für die Altersvorsorge der Beamten dürften schon ab 2005 spürbar ansteigen: plus 5 Mrd. € pro Jahr.

Die Ausgaben für Rentenleistungen dürften in den kommenden 10 Jahren 3 bis 4% zusätzlich vom BIP beanspruchen, was dem Einkommenssteuervolumen entspricht. Gegen 2040 wird die Kostensteigerung gut 8% des BIP ausmachen, d. h. doppelt soviel wie die Einkommenssteuererlöse.

Die Substitutionsrate, d. h. das Verhältnis zwischen dem ersten ausgezahlten Ruhestandsgeld und dem letzten Arbeitsentgelt, dürfte im Zeitraum 2001/2040 von 78 auf 64% sinken. Für eine Reihe von Rentnern wird die Substitutionsrate unter 50% liegen.

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Bericht des Rentenrats

1.3. Kaufkraft der Renten

Ohne zusätzlichen Ressourcenzufluss werden die Renten im Jahr 2040 um 40% niedriger sein als heute. Seit 1983 hat die Durchschnittsbasisrente 4,5 bis 9% an Kaufkraft verloren (je nach Steuerpflichtigkeit des Rentenempfängers); dies entspricht einem Verlust von 15,4 bis 11,2 % im Vergleich zum Nettolohn.

Die CSG (allgemeine Sozialabgabe) und die Kürzung des Steuerfreibetrags für die Einkommenssteuer um 10% belasten die Renten seit zehn Jahren zusätzlich.

Die Reform von 1993 und die Vereinbarungen der Sozialpartner AGIRC und ARRCO von 1994 führen im Durchschnitt zu einer 20%-igen Verringerung der Ruhestandsgelder.

Für Personen, die den vorgesehenen Beitragszeitraum nicht vollständig erfüllen, ist die Kürzung besonders schmerzlich. Hat ein Erwerbstätiger statt der vorgeschriebenen 40 Jahre nur 37 Jahre eingezahlt, erhält er nur 35% seines Bezugslohns. Ein 7,5% kürzeres Berufsleben bedeutet 30% weniger Ruhestandsgeld.

2. Französische Besonderheiten und Probleme

2.1. Das historische Erbe

Frankreich hat als eines der letzten westlichen Länder ein allgemeines Rentenvorsorgewerk geschaffen. Das System wurde 1946 gegründet und erreichte erst in den siebziger Jahren seinen vollen Umfang. Es ist kein wirklich allgemeines System und außerdem sehr unausgewogen und komplex: Es enthält 120 Grundversorgungssysteme und über 600 Sondersysteme.

Mit dem Gesetz vom 22. Mai 1946 wurde das Prinzip der Pflichtmitgliedschaft eingeführt und der fast einhundert Jahre anhaltenden Diskussion über den fakultativen Charakter der Rentenversicherung zumindest auf gesetzlicher Ebene ein Ende gemacht. Das Gesetz vom 13 September 1946 verfügte die Beteiligung der gesamten Bevölkerung an der Altersversicherung ab dem 1. Januar 1947, wobei diese Verpflichtung erst in den sechziger Jahren tatsächlich eingehalten wird. Die Altersversicherung konnte jedoch nicht allumfassend gelten, da per Erlass vom 8. Juni 1946 der Fortbestand der Sondersysteme bestätigt wurde.

Außerdem weigerten sich die Selbständigen, dem Allgemeinen System beizutreten. Sie wollten mit ihren Beiträgen keinesfalls die Kassen der „Lohn- und Gehaltsempfänger“ unterstützen und befürchteten vor allem eine Erhöhung ihrer Abgabenlast. Deshalb wurde das System der Selbständigen in Industrie und Handel geschaffen, das von der autonomen nationalen Organisation für Industrie und Handel (ORGANIC) verwaltet wird. Auch die Handwerker haben seit 1947 ein Sondersystem, das von der autonomen Ausgleichskasse für die Altersvorsorge im Handwerk (CANCAVA) verwaltet wird. Die freien Berufe besitzen seit Januar 1948 ebenfalls ein eigenes System (Caisse nationale d'assurance vieillesse des professions libérales, CNAVPL). Auch die Landwirte haben ein eigenes System.

Da die vom allgemeinen Grundsystem ausgezahlten Renten von Anfang an niedrig waren, entwickelten sich Zusatzsysteme. Artikel 18 der Verfügung vom 4. Oktober 1945 ermöglicht die Schaffung von Zusatzkassen für Ergänzungsleistungen zur Sécurité Sociale. Zuerst wurde 1947 für höhere Angestellte eine anerkannte Zusatzkasse (AGIRC) geschaffen und dann für die anderen Kategorien (ARCCO). Seit dem Gesetz vom 3. Juli 1972 ist die Mitgliedschaft in einer Zusatzkasse vorgeschrieben.

In den siebziger Jahren wurde das Französische Rentensystem verbessert, so 1971 durch das Gesetz Boulin für die Renten des Allgemeinen Systems. Die volle Rente wurde dadurch nach 37,5 Beitragsjahren mit 65 Jahren gewährt. Sie betrug 50% des Durchschnittslohns anstelle von 40% vom Lohn nach 30 Beitragsjahren.

Mit dem Gesetz vom 3. Juli 1972 wird das Rentensystem der Gewerbetreibenden, Handwerker und Selbständigen in der Industrie reformiert und an die Ruhestandsgelder des allgemeinen Systems angeglichen.

Zwischen 1973 und 1977 konnten zahlreiche Berufskategorien das volle Ruhestandsgeld nach den Vorgaben des allgemeinen Systems in Anspruch nehmen (Kriegsveteranen, ungelernte Arbeiter ). Der Staat folgte damals einer klaren Linie, er wollte das komplexe französische Rentensystem vereinfachen. Artikel 1 im Gesetz vom 24. Dezember 1974 besagt, dass „ein für alle Franzosen geltendes System der Sozialen Sicherheit für die drei Bereiche Gesundheit und Mutterschaft, Altersvorsorge und familiengebundene Leistungen“. spätestens am 1. Januar 1978 bestehen soll. Allerdings erfolgte diese universelle Ausrichtung des Systems ohne eine entsprechende Erneuerung der Finanzierungsmethoden und ohne Infragestellung der Sondersysteme.

In den siebziger Jahren wurde also das Recht auf ein Ruhestandsgeld generalisiert, aber auch die Mindestrente und die Hinterbliebenenrente verbessert. Die Behandlung der alten Arbeitnehmer, die keine Beiträge geleistet hatten, stellte sich gleich zu Beginn.

2.2. Das französische System

  • Solidaritätsebene: die Mindestrente entspricht 143% des RMI (Mindestunterstützung für Wiedereingliederung) und 66% des SMIC (gesetzlicher Mindestlohn). 1970 erhielten 2,9 Mio. Rentner die Mindestrente, heute 800.000 Personen.
  • Allgemeine Ebene: die Grundrente, begrenzt auf höchstens 50% des Arbeitsentgeltes, plafondiert entsprechend dem Höchstwert der Pflichtversicherung, der Sécurité Sociale.
  • Ebene zusammengesetzt aus den Pflicht-Zusatzsystemen, die auf dem Umlageprinzip basieren.
  • Ebene bestehend aus persönlicher (privater) Vorsorge, die bislang kaum kollektiv gehandhabt wird.

Die Besonderheit des französischen Systems besteht darin, daß alles vom Umlageprinzip geleitet wird und das Kapitaldeckungskonzept kaum zum Tragen kommt. Der Bankrott der Rentenpapierbesitzer und der privaten Systeme in den dreißiger Jahren und mangelnde Risikofreude sind dafür verantwortlich.

2.3. Erwerbsquote und Vorruhestand

In Frankreich ist das Berufseintrittsalter hoch, die Erwerbstätigen verlassen den Arbeitsmarkt früh, die Arbeitslosenrate ist seit zwanzig Jahren hoch und viele Menschen arbeiten im öffentlichen Dienst. Diese vier besonderen Faktoren belasten die Finanzierung des Rentensystems sehr.

  • Vorruhestand

    Das Konzept des Vorruhestands wurde in den siebziger Jahren während der Stahlkrise entwickelt und in den neunziger Jahren ausgedehnt, ohne die Arbeitslosigkeit wirkungsvoll beeinflussen zu können. Die Erwerbsquote ist in Frankreich für die Altersstufe 55 bis 64 Jahre am niedrigsten. Durch ein früheres Ausscheiden aus dem Berufsleben konnte die Arbeitslosigkeit nicht reduziert werden. Die Länder mit einer hohen Erwerbsquote für die Altersstufe 55-64 Jahre schneiden besser ab.

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Quelle : Eurostat

2.4. Rentenalter

Das gesetzliche Rentenalter ist in Frankreich seit 1982 auf 60 Jahre festgelegt. Seither hat sich an dieser Altersgrenze nichts geändert, sie wird als ein unwiderrufliches Recht betrachtet. Deshalb privilegierte der Staat eine Verlängerung der Beitragsdauer. Dieser Ansatz ist nicht schlüssig, da aufgrund des späten Eintritts in das Erwerbsleben die Beitragszahler erst nach 40 Beitragsjahren Anrecht auf eine volle Rente haben, d. h. mit durchschnittlich 65 Jahren. Sollten die Unternehmen an ihrer Personalmanagementpolitik festhalten, wird ein Großteil von Erwerbstätigen mit spürbar reduziertem Ruhestandsgeld in Rente gehen. Andere Industrieländer haben bereits ein höheres Renteneintrittsalter oder gar dessen Erhöhung vorgesehen.

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2.5. Sondersysteme

Die Sondersysteme haben ihren Ursprung in der späten Entwicklung des französischen Rentensystems. Diese Systeme existierten bereits vor den Gesetzen aus 1945/46. Trotz der Vereinheitlichungsbemühungen bestehen diese Systeme aufgrund ihrer speziellen Regeln (Beiträge, Beitragsdauer, Leistungen) weiterhin. Die Sondersysteme betreffen hauptsächlich den öffentlichen Sektor: Staat, Kommunen, Zechen, EDF, GDF, SNCF, RATP und einige weitere (selbst die Banque de France, die Opéra de Paris und die Comédie-Française haben ihr eigenes Rentensystem). Diese Systeme wurden aus der Reform von 1993 ausgenommen. Die Beitragsdauer für eine Vollrente ist generell niedriger. Die Substitutionsrate (Höhe des Ruhestandsgelds im Vergleich zum letzten Arbeitsentgelt) ist höher als im allgemeinen System. Fast alle Sondersysteme sind aufgrund ihrer speziellen Regeln und der Bevölkerungsentwicklung in einer schwierigen finanziellen Lage.

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Demographisches Verhältnis in einigen Sondersystemen

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2.6. Beamtentum

Zwischen 1991 und 2001 stieg das Volumen der Alterszuwendungen für Zivilbeamte in konstant berechneten Euro von 13,1 auf 22,1 Mrd.

Ein evidentes demographisches Problem:

Bis 2012 werden rund 45% der in den staatlichen Behörden beschäftigten Beamten (807.000 Personen) im Ruhestand sein. Der Bericht verweist darauf, daß selbst bei einer Stabilisierung die Ausgaben für die Arbeits- und Ruhestandsentgelte für den Zeitraum 2000 bis 2010 von 77,6 auf 95,3 Mrd. € steigen würden. Die Mehrkosten würden folglich mindestens 17,5 Mrd. € betragen. Hielte man an einer jährlichen Neueinstellungszahl von 56.000 fest, wäre die Steigerung auf 11,3. Mrd. € begrenzt.

Ein Ausnahmesystem:

Das Ruhestandsgeld für Beamte wird nach folgender Regel berechnet: 2% von den Bezügen für jedes Arbeitsjahr, d.h. für 37,5 Beitragsjahre 75% der letzten Bezüge ohne Prämien. Außerdem gibt es für Beamte einen freiwilligen Rentenfonds mit Steuerfreibeträgen. Beschäftigte in der Privatwirtschaft müssen für eine Vollrente 40 Jahre einzahlen; das Ruhestandsgeld errechnet sich dann auf der Grundlage der letzten 25 Jahre.

Erste Maßnahmen im öffentlichen Dienst

Am 31. Oktober 2002 verkündigte der zuständige Minister Jean-Paul Delevoye den allmählichen Abbau der flexiblen Altersgrenze (congé de fin d'activité): Ab 58 Lebensjahren können Beamte in den Ruhestand gehen, wenn sie folgendes nachweisen

  • 37,5 Beitragsjahre und 25 Arbeitsjahre im öffentlichen Dienst;
  • oder 40 Beitragsjahre und 15 Arbeitsjahre im öffentlichen Dienst. Die Altersvorgabe gilt nicht für Bedienstete, die 172 Beitragsquartale und 15 Jahre im Öffentlichen Dienst nachweisen können.

Diese 1996 getroffene Maßnahme wurde nie auf eine solide Finanzbasis gestellt. Die Ressourcen wurden dem Fonds für einstweilige Invaliditätsbeihilfen (Fonds de l'allocation temporaire d'invalidité) entnommen, dann dem Fond für Beschäftigte im Krankenhaussektor (Fonds pour l'emploi hospitalier) und dem Ausgleichsfond für Altersteilzeit (fonds de compensation des cessations progressives d'activité).

2.7. Diskrepanzen bei den Rentenansprüchen

Trotz der hauptsächlich in den siebziger Jahren ergriffenen Maßnahmen gibt es zahlreiche Diskrepanzen zwischen den einzelnen Kategorien von Ruheständlern. Aus historischen Gründen erhalten Gewerbetreibende und Handwerker bescheidene Ruhestandsgelder. Die Unterschiede zwischen den großen Altersvorsorgewerken gehen aus nachstehender Tabelle hervor:

Betroffen sind:

  • Ruhestandsgelder
  • Substitutionsrate
  • Beitragsdauer
  • Rentenalter
  • Angebote für eine kapitalbasierte Zusatzversorgung

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Der Bericht des Rentenrates besagt, daß der Lebensstandard der Ruheständler in Frankreich in etwa dem Niveau der Erwerbstätigen entspricht, bzw. bei Berücksichtigung der Vermögenserträge darüber liegt.

Zwischen 1960 und 1998 stieg die mittlere vom allgemeinen System ausgezahlte Ruhestandsleistung in konstanten Euro um den Faktor 3,8, wogegen das Durchschnittsarbeitsentgelt nur um den Faktor 2,2 stieg.

Trotzdem liegt das Ruhestandsgeld bei drei von 10 Rentnern unter 519 €, d.h. unter der Mindestaltersrente.

2.8. Rentenfonds

Beamte, kommunale Mandatsträger, Mitglieder der freien Berufe und Selbständige können eine kapitalgebundene Zusatzversorgung mit entsprechenden Steuerfreibeträgen abschließen. Lohn- und Gehaltsempfänger müssen sich mit unternehmensinternen Sparplänen oder vergleichbaren Sparprodukten begnügen.

1999 erhielten 5,4 Mio. Beschäftigte für eine durchschnittliche jährliche Einlage von 945 € eine Prämie im Rahmen einer Gewinn- oder Kapitalbeteiligung, d.h. 37% der Beschäftigten (ohne den landwirtschaftlichen Sektor). 40% der Beschäftigten des Privatsektors haben eine Unternehmensbeteiligung, 30% eine Gewinnbeteiligung und 26% einen unternehmenseigenen Sparplan. Im Jahr 2000 hatten 22% der Beschäftigten Zugang zu entsprechenden Sparprogrammen, im Vergleich dazu im Vereinigten Königreich 63% und in den Vereinigten Staaten 84%.

3. Welche Reformen?

3.1.Frühere Reformversuche

Mit der Veröffentlichung des „Weißbuches“ von Michel Rocard im Jahre 1991 rücktr das Rentenproblem zum ersten Mal in das politische Bewusstsein. 1993 führte Edouard Balladur eine Reform der allgemeinen Grundversorgung ein, die Beitragsdauer wurde verlängert und die allgemeine Berechnungsgrundlage verändert. Außerdem wurde 1993 mit der ARRCO und 1994 mit der AGIRC als Sozialpartner der Zusatzversorgung ein Abkommen unterzeichnet, das ihr finanzielles Gleichgewicht bis 2010 sichern sollte. Durch diese Reform werden rund 30 Milliarden Euro eingespart.

1995 sollten der Öffentliche Dienst und die Sondersysteme an das allgemeine Grundsystem für Erwerbstätige angeglichen werden. Dieser Versuch scheiterte an den umfangreichen Streiks der öffentlich Bediensteten Ende dieses Jahres. Alain Juppé beauftragt Raoul Briet damit, das Renten-Weißbuch von Michel Rocard zu aktualisieren. Zwischen 1997 und 2002 ließ die Jospin-Regierung eine Reihe von Berichten anfertigen (den Bericht Charpin, den Bericht Taddei, Bericht Teulade, den Bericht Futuribles sowie den Bericht des Rentenrates), jedoch eher zur Rechtfertigung ihres Nichtstuns als zur Vertiefung ihres Kenntnisstandes.2000 wurde die Einrichtung eines Renten-Reservefonds beschlossen, 2001 wurde er gegründet und im Herbst 2002 schließlich von der Raffarin-Regierung tatsächlich eingesetzt.

3.2. Versprechen der Wahlkampagne

Während der letzten Wahlkampagne sprachen sich UMP und Jacques Chirac für eine baldige Reform aus, mit dem Ziel den Bestand des Rentensystems zu gewährleisten. Auch in seiner letzten Wahlveranstaltung am 2. Mai 2002 in Villepinte sprach Jacques Chirac das Problem an:

„Das Unbehagen unserer Nation betrifft auch ihre Solidaritätssysteme und ihren Zusammenhalt, denn die Zukunft unserer Altersversorgung ist ungewiss und unser Gesundheitswesen steckt in der Krise Die Zukunft der Franzosen muss auch über die Altersversorgung gesichert werden. Die Rentenreform muss in den nächsten Monaten zusammen mit den Sozialpartnern, die sich der Problematik durchaus bewusst sind, eingeleitet werden. Ich möchte an unserem Umlagesystem festhalten, denn es ist der Schlüssel für die Solidarität zwischen den Generationen. Ohne eine kollektive Anstrengung wird es nicht gehen. Nur so bleibt im Vergleich zum Arbeitsentgelt ein gutes Ruhestandsgeld gewährleistet, nur so kann die Gerechtigkeit zwischen den Bürgern gestärkt werden. Nur so kann jeder frei entscheiden, für eine höhere Rente länger zu arbeiten. Steuerfreies Rentensparen in Rentenfonds nach französischem Modell, die augenblicklich nur für Beamte bestehen, muss angeboten werden.“

Das Programm der Union pour la Majorité Présidentielle (UMP) für die Wahlen im Juni 2002 enthielt:

  • Einrichtung einer individuellen kostenlosen Rentenberechnung für alle Franzosen;
  • Teilzuweisung der Gewinne der öffentlichen Unternehmen des Wettbewerbssektors zur Erhaltung des Umlagesystems;
  • Verhandlungen in spätestens neun Monaten mit den Sozialpartnern, um den Altenquotienten, die Bedingungen für eine Gleichbehandlung der Franzosen bei der Anwartschaft, die Bedingungen für eine flexible Ruhestandslösung, z. B. durch ein Punktesystem festzulegen;
  • Einrichtung eines kapitalgedeckten Systems, das keinesfalls das Umlagesystem ersetzen soll. Jeder Franzose soll die Möglichkeit haben, über Steuerfreibeträge ein Rentensparangebot wahrzunehmen. Dafür sind Rentensparpläne zu schaffen.

3.3. Reformwege

Jean-Pierre Raffarin wußte schon im Juni 2002, dass die Rentenfrage zur Meßlatte des Erfolgs seiner Regierung werden wird. Er unterschätzte das Risiko eines angespannten Verhältnisses mit zu den Gewerkschaften keineswegs. Die Möglichkeit, ein Referendum zur Rentenreform abzuhalten wurde geprüft, schließlich aber ausgeschlossen. Der Premierminister befürchtete Konflikte an mehreren Fronten gleichzeitig, wie 1995, und bemühte sich deshalb darum, die Probleme vor dem Jahreswechsel 2002/2003 zu entschärfen. Er setzte auf Vorsicht und Festigkeit, um das Entstehen einer Protestkoalition zu verhindern.

In seiner Regierungserklärung am 7. Juli 2002 äußerte Raffarin vor dem Parlament: „die Frage der Erhaltung der Renten ist zu lange ausgeklammert worden. Das jetzige System ist durch die Überalterung unserer Bevölkerung gefährdet. Das Prinzip der Solidarität der Generationen erfordert die Beibehaltung des Umlagesystems, um allen Rentner ein angemessenes Ruhestandsgeld zu gewährleisten Die Reform wird die aktuellen Ruheständler nicht betreffen; sie stützt sich auf folgende Grundsätze:

  • Größere Gerechtigkeit zwischen den Franzosen, wobei die Besonderheiten der verschiedenen Kategorien und die Vielfalt der demographischen Sachverhalte zu berücksichtigen sind.

  • Entscheidungsfreiheit: Die Rentenaltersgrenze von 60 Jahren wird als soziale Errungenschaft nicht in Frage gestellt, wer länger arbeiten möchte, muss die Möglichkeit dazu haben und dadurch seine Anrechte erhöhen können.“

Raffarin ging indes nicht auf die eventuelle Schaffung von Rentenfonds ein. Wirtschafts- und Finanzminister Francis Mer sprach sich in einem Interview mit der Zeitung Le Monde am 8. November 2002 für ein kapitalgedecktes System zusätzlich zu den Umlagesystemen aus. „Als Ergänzung plädiere ich für die Einrichtung von Rentenfonds und entsprechende steuerliche Anreize.“

Arbeits- und Sozialminister François Fillon antwortete auf die Frage der PS-Fraktion am 6. November, dass die Rentenverhandlungen offiziell im Februar 2003 mit einer globalen Verhandlung über die Hauptprinzipien der Reform starten würden. Im öffentlichen Sektor und im privaten Sektor wird parallel verhandelt werden, wobei das Ziel besteht, noch vor dem Sommer 2003 die Maßnahmen vorzulegen und zu verabschieden.

Am 8. November erklärte François Fillon im Radiosender France Inter „alle, die meinen, es gäbe eine Alternative zum Umlagesystem, irren sich; es gibt keine Alternative dazu: das gesamte vorhandene Vermögen würde nicht ausreichen, um ein funktionierendes Beitragssystem zu finanzieren. Sicher stellt sich die Frage nach der Behandlung des öffentlichen Sektors; sie ist umfassend zu prüfen, auch die Integration der Prämien und besonderen Kategorien.“ Zu den angedachten Möglichkeiten gehört die Verlängerung der Beitragszeiträume in beide Richtungen, d.h. eine Verlängerung zu Ende der Berufstätigkeit aber auch die Möglichkeit, die Ausbildungsjahre aufzukaufen. Fillon ist nicht für eine völlige Abschaffung der Vorruhestandsregelung, sondern möchte die Erwerbsquote ab 50 Jahren durch entsprechende Fortbildungsprogramme der Unternehmen steigern.

Bei der Fragestunde der Nationalversammlung am 26. November antwortete François Fillon auf eine Frage von Philippe Auberger: „Wir werden an unserem Umlagesystem nicht ohne tiefgreifende Reformen festhalten können. Deshalb werde ich im ersten Halbjahr 2003 eine breit angelegte Debatte über die Zukunft der Renten einleiten. Selbstverständlich werden die Sozialpartner befragt, aber auch alle anderen mit der einschlägigen Kompetenz.“

Regierungssprecher Jean-François Copé meinte: „Rentenfonds nach französischem Modell könnten in die Rentendiskussion einbezogen werden, sie sollten aber nicht zum Kernstück der Reform werden. Der Punkt gehört zum Thema Entscheidungsfreiheit, da eine zusätzliche und freiwillige Sparmöglichkeit angestrebt wird.“ Philippe Douste-Blazy betonte am 1. Dezember bei RTL: „die einzige gerechte Lösung besteht in vierzig Beitragsjahren für alle ... im öffentlichen Sektor und im privaten Sektor muß die gleiche Anzahl an Beitragsjahren bestehen, wobei eventuell die Prämien der öffentlichen Bediensteten in die Rentenberechnung einbezogen werden können.“

3.4. Position der Gewerkschaften

Die Gewerkschaften schwanken angesichts der Entschlossenheit des Premierministers zwischen einer drängenden und konfliktorientierten Haltung. Die Position der Gewerkschaften zur Rentendiskussion wird stark von ihrem Repräsentationsgrad im öffentlichen Sektor und den Bereichen mit Sondersystem geprägt. Jean-Pierre Raffarin hofft, die einheitliche Gewerkschaftsfront aufzubrechen und Force Ouvrière und die CGT zu isolieren, die in der Rentenfrage den härtesten Kurs steuern und im öffentlichen Dienst und generell im öffentlichen Sektor die größte Gefolgschaft haben.

Jean-Christophe le Duigou (CGT) plant für Anfang 2003 eine Mobilisierung zur Rentenfrage, um die erworbenen Rechte zu verteidigen, möchte dabei aber als einende Kraft der Gewerkschaftsbewegung auftreten.

Marc Blondel, der Generalsekretär von FO, hat sich energisch für die Wahrung der sozialen Errungenschaften bei den Renten ausgesprochen und angekündigt, „ich werde mich der Rentenfrage, insbesondere bei den Beamten persönlich annehmen und nicht locker lassen“. FO möchte an seinen überwältigenden Erfolg von 1995 anknüpfen, die Gewerkschaft möchte den Reformwillen der Regierung brechen. Die CFDT hält eine Reform für Notwendig und unterstützt den Reformwillen der Regierung. Diese Position lässt sich durch ihre weniger starke Präsenz im öffentlichen Sektor und den Bereichen mit Sondersystemen erklären.

Fragen, die einer Lösung zugeführt werden müssen:

  • Behandlung der Sondersysteme und eventuelle Angleichung an das allgemeine Grundsystem;
  • Rentenalter;
  • Beitragsdauer;
  • Instrumente für ein progressives Ausscheiden aus dem Arbeitsleben;
  • Phasing out der Vorruhestandsregelungen;
  • Berechnung des Ruhestandsgeldes;
  • Nutzung des Renten-Reservefonds;
  • Eventuelle Einrichtung eines Zusatzsystems mit Kapitaldeckung

3.5. Zeitplan für die Reform

Der Reformprozeß wird Anfang 2003 in seine aktive Phase eintreten. Im Januar werden die Minister für den öffentlichen Dienst und für Soziales sich die einzelnen Rentensysteme in Europa ansehen. Die Verhandlungen beginnen Ende Januar Anfang Februar. Jean-Paul Delevoye, wird als zuständiger Re ssortminister die Verhandlungen mit dem öffentlichen Dienst führen, François Fillon wird sich um den Privatsektor kümmern.

Je nach Verhandlungsergebnis sollen zu Ende der Sitzungsperiode des Parlaments im Juni 2003 ein oder mehrere Gesetzesentwürfe vorgelegt und auch verabschiedet werden. Sollte der Prozess blockiert werden, ist ein Referendum nicht völlig ausgeschlossen. Der Sozialminister François Fillon kündigte an, die Rentenreform würde in mehreren Stufen erfolgen, wobei 2003 die schwierigste Etappe geplant sei.

Wie schwierig es sein wird, die geplanten Reformen ins Werk zu setzten, zeigen die jüngsten Entwicklungen bei der EDF. Die Regierung hatte vorgeschlagen, das Alterssicherungssystem der EDF in die staatliche Alterversorgung zu überführen. Unter anderem eine Voraussetzung für die anstehende Privatisierung der EDF. Selbst von der Führung der in der EDF dominierenden Gewerkschaft CGT war der Plan der Regierung gutgeheißen worden. Trotzdem lehnten ihn die Gewerkschaftsmitglieder im Januar 2003 ab. Zwar betonte Premierminister Raffarin, diese Entscheidung werde seine Entschlossenheit, die Reformen umzusetzen nicht mindern. Deutlich geworden ist aber, mit welchen Widerständen er dabei zu rechnen haben wird.

3.6. Philosophie der Reform

Die Regierung möchte kein globales Reformprojekt, um nicht von mehreren Korporationen gleichzeitig in die Zange genommen zu werden. Die Fragestellungen der Sondersysteme, des Basissystems und des Systems für die Beamten werden separat behandelt. Leitfaden für die Reform soll die größere Gleichbehandlung bei den Ruhestandsgeldern sein. Längere Beitragszeiträume für die Beamten, Einschränkung der Vorruhestandsangebote, freiwillige Verlängerung des Erwerbslebens sind Weichenstellungen, die von der Regierung geprüft werden. Die Einführung eines Zusatzsystems mit Kapitaldeckung stellt keine Priorität dar. Sicherlich wird dieser Schritt erst zum Schluss erfolgen.

  • Basissystem

    Die Regierung wird wohl keine allgemeine Erhöhung des Rentenalters vorschlagen, sondern Maßnahmen für die Fortsetzung der Berufstätigkeit zwischen 55 und 65 Jahren vorlegen. Für die Berechnung der Grundrente im Basissystem könnte die Regierung das für die Zusatzrentenwerke AGIRC und ARRCO geltende Punktesystem vorschlagen. Durch eine Wertnuancierung der Punkte können die Ausgaben an die eingegangen Ressourcen angepasst werden.

  • Sondersysteme

    Die Regierung will nicht alle Sondersysteme auf einmal reformieren. Anfänglich wird sie sich auf das System im öffentlichen Dienst konzentrieren. Zum Rentensystem der SNCF (französische Eisenbahn) sagte Dominique Bussereau:„Die Erhöhung des Rentenalters für die Eisenbahner ist kein Thema“. Einzeln ausgehandelte Lösungen könnten sich an dem für EDF/GDF (Strom- und Gas) angestrebten Modell orientieren. Ziel wäre die Beibehaltung des sozialen Besitzstandes für die jetzigen oder ältesten Mitarbeiter. Die nach der Reform eintretenden Mitarbeiter würden dem neuen System unterstellt.

  • Beamte

    Wahrscheinlich ist die Erhöhung der Beitragsperiode von 37,5 auf 40 Jahre. Dafür könnten die Prämien zumindest teilweise oder vollständig in die Berechnungsgrundlage einfließe. Heute wird das Ruhestandsgeld auf der Basis der Bezüge ohne Prämien errechnet, wobei letztere ein gutes Drittel des Einkommens darstellen können.

3.7. Renten-Reservefonds

Der Renten-Reservefonds (Fonds de Réserve des Retraites, FRR) wurde 1999 mit dem Gesetz für die Finanzierung der Sozialsysteme geschaffen. Bis 31. Dezember 2001 unterstand er mit einer eigenen Rechnungslegung dem Alters-Solidaritätsfonds (Fonds de solidarité vieillesse, FSV).

Artikel 6 im Gesetz 2001-624 vom 17. Juli 2001 enthält einer Reihe von sozialen, pädagogischen und kulturellen Bestimmungen und macht den Reservefonds ab dem 1. Januar 2002 zu einem unabhängigen Organ. Die wichtigsten Vorgaben sind:

  • Es wird eine staatliche Einrichtung mit Verwaltungscharakter geschaffen, mit der Bezeichnung « Fonds de réserve pour les retraites » und mit der alleinigen Aufgabe, Reserven zu akkumulieren;
  • Die Ressourcen des Fonds dürfen bis 2020 nicht verwendet werden;
  • Für die Teilnahme am Renten-Reservefonds sind folgende Systeme berechtigt: **Basissystem, Rentensystem für Handwerker und Gewerbetreibende sowie das System für landwirtschaftliche Arbeitnehmer**, das finanziell zum Basissystem gehört.

Der Fonds wird von zwei Gremien geleitet:

  • Ein dreiköpfiger Vorstand unter der Leitung des Vorstandsvorsitzenden der Caisse des dépôts et consignations (die das gesamte Sparaufkommen der Sparkassen verwaltet).
  • Ein mit 20 Mitgliedern besetzter Aufsichtsrat: 4 Abgeordnete, 5 Vertreter der Sozialversicherten, 5 Vertreter der Arbeitgeber und Freien Berufe, 4 Vertreter des Staates und 2 qualifizierte Persönlichkeiten. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Raoul Briet.

Anders als in den Nachbarländern haben Frankreichs Rentenversicherungskassen keine umfangreichen Rücklagen angelegt, um die Beitragserhöhungen über die Zeit zu glätten. Frankreich gehört mit der späten Einrichtung des Renten-Reservefonds zu den Schlusslichtern unter den westlichen Demokratien. Die Regierung von Pierre Bérégovoy wollte 1993 eine Reserve für das gesamte Finanzvermögen des Staates anlegen.

Sozialminister Fillon unterstrich anlässlich der Einsetzung des Aufsichtsrates des FRR, dass „dieser Fonds aufgrund seiner verspäteten Einrichtung nur zur Glättung verwendet werden könnte und nur geringfügig zur Finanzierung der Rentensysteme beitragen würde. Wir wissen, dass die Finanzierbarkeit der Vorsorgewerke nur über eine Palette von Maßnahmen gewährleistet werden kann und der Fonds gehört dazu.“

Der FRR soll zwischen 2020 und 2040 zur Glättung der Beitragserhöhungen und zur Finanzierung der Renten beitragen. Die gesammelten Rücklagen sollten anfänglich 152 Milliarden Euro erreichen. Diese Beträge sollen an die Umlagesysteme zurückfließen.

Anspruchsberechtigt sind:

  • Das Basissystem;
  • Die Vorsorge für landwirtschaftliche Arbeitnehmer;
  • Das Rentenwerk für Gewerbetreibende und Handwerker.

Mit 152 Mrd. Euro würde der Reservefonds nicht einmal 50% des geschätzten Finanzbedarfs der genannten Kassen abdecken (152 im Vergleich zu 365 Mrd. €, Quelle COR 2001). François Fillon hat außerdem erklärt, dass 152 Mrd. nicht erreichbar seien.

  • Finanzdaten 2001 und 2002

    Zum 31. Dezember 2000 beliefen sich die Rücklagen auf 3.168,9 Mio. €. 2001 erreichten die Einnahmen des Fonds 3.862 Mio. € und die zum 31. Dezember angelegten Reserven beliefen sich auf 7.009 Mio. €. 2002 dürften sich die Einnahmen des Fonds bei unveränderter Gesetzeslage auf 5.579,3 Mio. € belaufen.

    1.248,7 Mio. € stammen von der 2%igen Sozialabgabe, 1.518,3 Mio. € entsprechen dem geschätzten Überschuss an festgestellten Ansprüchen der Caisse Nationale d'assurance vieillesse für 2001, 619,2 Mio. € kommen aus den Einnahmen für eine dritte UMTS-Lizenz, 1.240 Mio. € sind Privatisierungserlöse (Teilprivatisierung von ASF), 718 Mio. € wurden mit der Auflage von Anteilsscheinen an örtlichen Sparkassen erzielt und 230 Mio. € sind Zinserlöse. Da die Bilanz des Alters-Solidaritätsfonds, der den gesamten Überschuss der CSSS erhält, für 2001 negativ ist, wird für 2002 von diesem Fonds nichts an den Reservefonds überwiesen.

    Seit Anfang 2002 und in Erwartung der baldigen Einsetzung der Organe des Fonds wurden die Finanzmittel des Renten-Reservefonds in einem Einlagenkonto beim Schatzamt angelegt. Der durchschnittliche Zinssatz für festverzinsliche Schatzscheine mit Nettozins (BTF 3 Monate) minus 0,05 %, die während dem betroffenen Zeitraum aufgelegt wurden, dient als Grundlage für die monatliche Verzinsung dieses Einlagenkontos. Im ersten Halbjahr 2002 bewegte sich die monatliche Vergütung zwischen 3,19 % und 3, 33%.

    Zum 31. August 2002 beliefen sich die Rücklagen auf 8.527 Mio. €. Bei gleichbleibender Gesetzeslage dürften sie Ende 2002 12.582,6 Mio. € erreichen. Dieser Betrag bleibt hinter den 13,2 Mrd. € zurück, die von der alten Regierung in Nachtrag zum Finanzierungsgesetz 2002 der Sozialsysteme eingesetzt wurden, da 2002 entgegen den Erwartungen nur ein Betreiber eine UMTS-Lizenz erworben hat.

    Nach der Veräußerung von Crédit Lyonnais Aktien (10 %) durch den Staat an die BNP wurden 500 Mio. € dem Renten-Reservefonds zugewiesen.

  • Finanzdaten 2003

    2003 dürften die Erlöse des Renten-Reservefonds bei gleichbleibender Gesetzeslage 4 Mrd. € erreichen. 1,3 Mrd. € von der 2%-igen Sozialabgabe, 1,65 Mrd. € aus dem Überschuss an festgestellten Ansprüchen der Caisse Nationale d'assurance vieillesse für 2002, 492 Mio. €(vorläufiger Betrag) aus der Auflage von Anteilsscheinen an örtlichen Sparkassen und 503 Mio. € Zinserlöse. Da die Bilanz des Alters-Solidaritätsfonds, der den gesamten Überschuss der CSSS erhält, für 2002 wieder negativ ist, wird für 2003 von diesem Fonds nichts an den Reservefonds überwiesen. Die Reserven dürften bei unveränderter Gesetzeslage per Ende 2003 16,76 Mrd. € erreichen.

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Sankt Augustin Deutschland