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Präsident Biden stärkt die Wissenschaft

by Dr. Norbert Arnold

"Chief Scientific Advisor" - ein Modell für Deutschland?

Mit dem Wechsel des US-Präsidenten erhält die Stimme der Wissenschaft wieder ein größeres Gewicht. Wäre ein Chief Scientific Advisor nach amerikanischen Vorbild auch eine Möglichkeit, evidenzbasierte Politikberatung in Deutschland weiter zu stärken?

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Präsident Biden setzt am Beginn seiner Amtszeit deutliche Signale zugunsten von Wissenschaft und Forschung sowie einer Politik, die evidenzbasierte Beratung durch Wissenschaft wieder wertschätzt. Er betont: „Wissenschaft wird immer an der Spitze meiner Regierung stehen“. Vizepräsidentin Kamala Harris hebt hervor: „In unserer Regierung werden Entscheidungen auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und Beweise getroffen.“

Dies deutet auf eine Kehrtwende in der Forschungspolitik und in der evidenzbasierten, wissenschaftlichen Politikberatung hin. Donald Trump legte keinen Wert auf wissenschaftliche Beratung, und vielen wichtigen Forschungsthemen schenkte er zu wenig Aufmerksamkeit. Klimaforschung und Klimapolitik sind dafür prominente Beispiele. Auch der Umgang mit der SARS-CoV-2-Pandemie und die zum Teil öffentlich ausgetragenen Kontroversen mit angesehenen Corona-Fachleuten wie Anthony Fauci verdeutlichen sein angespanntes Verhältnis zu Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit. „Alternative Fakten“ spielten in seiner Politik eine größere Rolle als wissenschaftliche Tatsachen.

Präsident Biden hat sehr frühzeitig einen neuen Direktor des White House Office of Science and Technology Policy3 (OSTP) nominiert. Donald Trump hingegen ließ in seiner Regierungszeit diesen wichtigen Posten fast zwei Jahre unbesetzt. Stimmt der Senat zu, wird der bekannte Mathematiker und Biologe Eric Lander nicht nur als President’s Science Advisor ein wichtiger Berater des Präsidenten, sondern – zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten – auch Mitglied des Kabinetts.

Bemerkenswert ist also der Kurswechsel in der Wissenschaftspolitik. Bemerkenswert ist außerdem die Aufwertung des Science Advisor zum Regierungsmitglied.

Letzteres mag im Hinblick auf die Situation in Deutschland zunächst einmal nicht sehr aufregend klingen, immerhin gibt es in der Bundesrepublik schon lange ein Bundesforschungsministerium und der Austausch zwischen Wissenschaft und Politik ist in der Regel seit langem besonders vertrauensvoll und intensiv. Wirklich neu ist aber, dass mit der Berufung von Eric Lander ein erfahrener Wissenschaftler Regierungsmitglied wird und damit nicht mehr nur Politik berät, sondern auch politische Verantwortung übernimmt.

Deutschland könnte davon lernen. Nicht zuletzt in der Corona-Krise wird der große Vorteil evidenzbasierter Politikberatung deutlich. Auch nach dieser Pandemie wird der Bedarf an wissenschaftlichem Rat ungebrochen groß sein (z. B. in der Energie- und Klimapolitik, auch in der Digitalisierung sowie in vielen anderen Politikfeldern). Sollten daher nicht auch in Deutschland – ergänzend zum Bundesforschungsministerium und den bereits bestehenden Beratungseinrichtungen – renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stärker in die politische Verantwortung eingebunden werden?

So ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick scheint, ist diese Idee nicht: In Baden-Württemberg gibt es schon seit 1952 „Staatsräte“, die eine solche Funktion erfüllen können. Und das Wissenschaftsnetzwerk der Konrad-Adenauer-Stiftung schlägt in seinem Policy Paper Die Zukunft es Deutschen Wissenschaftssystems vor: „Ausgewiesene und in der Scientific Community anerkannte Wissenschaftspersönlichkeiten sollten – in Ergänzung und zur Verstärkung der bisherigen guten Kontakte zwischen Wissenschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und anderen Ressorts – als Chief Scientific Advisor die Bundesregierung beraten und einen engen Zugang zur Bundesregierung haben.“

Die Bewältigung der Grand Challenges ist ohne Wissenschaft nicht möglich. Wohlstand und Lebensqualität hängen von ihr ab. Besonders hochentwickelte Industrieländer, wie Deutschland, die sich selbst als „Wissen(schaft)sgesellschaften“ verstehen, sollten Wissenschaft und Forschung weiter stärken – in den Labors, um neue Lösungswege zu erarbeiten – und in der Politik, um Entscheidungen evidenzbasiert zu untermauern.

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